Prof. Dipl.-Ing. Mag. Friedrich Rödler ist seit 2012 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Erste Group Bank AG und Träger des AREX-Award für Aufsichtsratsexzellenz in „seinem“ Unternehmen, vergeben von Board Search und Brainloop. In zwei Konferenzen hat er sich sehr offen über die zwei aktuellen Themen ESG-Politik (Environment, Social, good Governance) und Bilanzskandale geäußert.
Im Zusammenhang mit den Abstimmungsempfehlungen von „Proxy Advisors“ (internationale Stimmrechtsberatungsunternehmen) war er überrascht, dass die Zustimmung zur Vergütungspolitik (Teil der Governance) in der Hauptversammlung 2020 der Erste Group so gering war, sagte Rödler bei der virtuellen Konferenz „Spezialfragen zur AG-Hauptversammlung 2021“ von Business Circle. Denn man habe sich sehr bemüht, die Erwartungen der Stimmrechtsberater zu erfüllen. Man habe den angelsächsischen Aktionären mehr Aufmerksamkeit gewidmet, aber das Feedback der zwei größten Proxy Advisors sei teilweise (angeblich „nicht unabhängiges“ AR-Mitglied, weil auch in der Erste Stiftung) nicht nachvollziehbar gewesen. Man werde aber auf Kritik reagieren und die Vergütungspolitik überarbeiten. Nun, wo die Deutsche Börse den größten Proxy Advisor ISS übernommen hat, hat er Hoffnung, dass „mehr europäische Sicht hineinkommt“. Das betrifft auch das Verständnis des kontinentaleuropäischen Two-Tier-Systems aus getrenntem Vorstand und Aufsichtsrat.
Die Rolle des Aufsichtsrats
ESG - Environmental Social Governance - wird ganz wesentliche Bedeutung haben – und ebenso die Rolle des Aufsichtsrates im Zusammenhang mit diesem Thema. Wenn es um Vergütung und ESG-Kriterien geht, werde das Interesse von Investoren sein, wie der Aufsichtsrat damit umgeht und der AR-Vorsitz gefragt sein. Friedrich Rödler glaubt, dass AR-Vorsitzende im Zusammenhang mit ESG künftig viel mehr gefragt sein werden. Was auch eine zusätzliche Belastung in der HV bedeute.
Die Rolle des Aufsichtsrates hat sich seit der Finanzkrise massiv verändert. Der „Blick in den Rückspiegel“ ist nicht mehr die Hauptaufgabe, sagte Rödler beim Kapitalmarktrechtstag 2021 von Business Circe. Die AR-Rolle geht weg vom Beobachter und ex-post-Kontrollor, hin zum Laufend-dem-Vorstand-über-die-Schulter-schauen mit begleitender Kontrolle. Das beeinflusst, wie ein Vorstand agiert.
Commerzialbank vs. Wirecard
In der Paneldiskussion des Kapitalmarktrechtstages zu Folgen von Wirecard für Rechnungslegung und Aufsichtsrat in der börsenotierten Gesellschaft sprach er die fehlende Diversität (acht Pensionisten) des Aufsichtsrates der Commerzialbank an. Hauptqualifikation von Aufsichtsräten kann nicht sein, „dass sie Zeit haben“. Bei der Commerzialbank sind viele Fehler passiert, die ihre Ursache in der Governance haben; massive Bedenken sind offenbar nicht bis zum Aufsichtsrat durchgedrungen.
Bei Wirecard hat ihn gewundert, dass ein DAX-30-Unternehmen keinen Prüfungsausschuss hatte. Außerdem habe das Verhältnis kleiner Aufsichtsrat – Vorstand nicht gepasst. Friedrich Rödler empfiehlt als zweite wichtige Informationsquelle des Aufsixchtsrates (neben dem Vorstand) die interne Revision. In Banken habe der Aufsichtsrats-Vorsitz direkten Zugriff auf die interne Revision. Und in Richtung von Wirtschaftsprüfer empfiehlt er, die Erwartung an diese durchaus etwas anzuheben.
Zuerst erschienen bei Board Search
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