• Die neue Verordnung über Märkte für Kryptowerte – Eine Einführung von Dr. Oliver Völkel

Im Juni 2023 wurde die europäische Verordnung über Märkte für Kryptowerte (kurz MiCA) im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Nach mehrjährigem zähem Ringen ist sie damit Bestandteil des Unionsrechts und wird nach Ablauf einer Übergangsfrist ab 30. Dezember 2024 (teils bereits ab 30. Juni 2024) in allen Mitgliedstaaten der EU unmittelbar gelten.

Mit MiCA besteht nun erstmals ein unionsweit einheitlicher Rechtsrahmen für das öffentliche Angebot von Kryptowerten und das Anbieten von Kryptowerte-Dienstleistungen. Neben umfangreichen Regeln zu diesen beiden Aspekten finden sich in der Verordnung auch Bestimmungen über die Verhinderung von Marktmissbrauch und Insiderhandel.

Was ist ein Kryptowert?

Zentraler Begriff der MiCA ist der Kryptowert. Zu diesem Begriff enthält die Verordnung eine eigene Definition. Kryptowert ist jede digitale Darstellung eines Werts oder eines Rechts, der oder das unter Verwendung von DLT oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden kann. Dieser breite Begriff erfasst alle gängigen Coins wie zB Bitcoin oder Ether, aber auch selbstgeschöpfte Token.
Neben dem allgemeinen Begriff des Kryptowerts führt MiCA konzeptuell drei eigenständige Subkategorien von Kryptowerten ein, nämlich vermögenswertereferenzierte Token, E-Geld-Token und Utility-Token:
- Vermögenswertereferenzierter Token ist ein Kryptowert, dessen Wertstabilität durch Bezugnahme auf einen anderen Wert oder ein anderes Recht oder amtliche Währungen (oder Kombinationen davon), gewahrt werden soll.
- E-Geld-Token ist ein Kryptowert, dessen Wertstabilität unter Bezugnahme auf den Wert einer einzelnen amtlichen Währung wie zB dem Euro oder US-Dollar gewahrt werden soll.
- Utility-Token ist ein Kryptowert, der ausschließlich dazu bestimmt ist Zugang zu einer Ware oder Dienstleistung zu verschaffen, die vom Emittenten des Kryptowerts bereitgestellt wird.

Was gilt beim öffentlichen Angebot von Kryptowerten?

MiCA legt allgemeine Anforderungen für das öffentliche Angebot von Kryptowerten fest. Ein öffentliches Angebot kann dabei sehr rasch vorliegen. Jede Mitteilung ist ein öffentliches Angebot, also zB auch der Inhalt einer Website, wenn sie ausreichend Informationen über die Angebotsbedingungen und die angebotenen Kryptowerte enthält, um eine Kaufentscheidung zu ermöglichen. Auch Empfehlungen von Influencern in Videobotschaften oder auf Veranstaltungen können ein öffentliches Angebot darstellen. Es kann potentiell jeder Vertrieb erfasst sein. Wer Kryptowerte öffentlich anbietet, der wird auch als Anbieter bezeichnet.
Vor dem öffentlichen Angebot des Kryptowerts muss ein Whitepaper erstellt, an die zuständige Aufsichtsbehörde übermittelt und auf der Website des Anbieters veröffentlicht werden. Dort muss es so lange verfügbar sein als Personen den Kryptowert halten, also potentiell zeitlich unbeschränkt. Soll ein vermögenswertereferenzierter Token öffentlich angeboten werden, muss das Whitepaper darüber hinaus von einer Aufsichtsbehörde genehmigt worden sein.
Wird Marketing betrieben, so müssen die Marketingmitteilungen eindeutig als solche erkennbar sein, redlich, eindeutig und nicht irreführend sein, mit den Informationen im Whitepaper übereinstimmen sowie auf das Whitepaper verweisen und bestimmte in MiCA festgelegte Disclaimer und Erklärungen enthalten. Vor der Veröffentlichung des Whitepapers darf kein Marketing betrieben werden.

Wer darf Dienstleistungen in Bezug auf Kryptowerte erbringen?

MiCA unterscheidet zwischen zwei Gruppen, die Kryptowerte-Dienstleistungen erbringen dürfen. Entweder erwirbt ein Unternehmen eine eigene Zulassung unter der MiCA, oder es handelt sich um ein bereits beaufsichtigtes Unternehmen. Für diese zweite Gruppe sieht MiCA vor, welche Dienstleistungen jeweils erbracht werden dürfen:
- Kreditinstitute dürfen alle Dienstleistungen unter MiCA erbringen.
- Zentralverwahrer dürfen Kryptowerte für Kunden verwahren und verwalten.
- Wertpapierfirmen dürfen Dienstleistungen erbringen, die jenen Tätigkeiten gleichwertig sind, für die sie im Zusammenhang mit Finanzinstrumenten lizensiert sind, also zB Verwahrung und Verwaltung, Betrieb einer Handelsplattform, Tausch gegen einen Geldbetrag oder andere Kryptowerte, Ausführung von Aufträgen für Kunden, Platzierung, Annahme und Übermittlung von Aufträgen, Beratung oder Portfolioverwaltung.
- E-Geld-Institute dürfen E-Geld-Tokens ausgeben, und für diese E-Geld-Tokens die Verwahrung und Verwaltung im Namen von Kunden sowie Transferdienstleistungen erbringen.
- Eine OGAW-Verwaltungsgesellschaft oder ein Verwalter alternativer Investmentfonds darf solche Dienstleistungen erbringen, die der individuellen Verwaltung einzelner Portfolios und den Nebendienstleistungen gleichwertig sind, und für die eine Zulassung im Hinblick auf Fondsanteile besteht, also zB Annahme und Übermittlung von Aufträgen, Beratung, oder Portfolioverwaltung.
- Ein Marktbetreiber darf eine Handelsplattform für Kryptowerte betreiben.
Für diese bereits beaufsichtigten Unternehmen gilt, dass sie die jeweiligen Dienstleistungen erbringen dürfen, nachdem ein bestimmtes (vereinfachtes) Verfahren abgeschlossen wurde. Alle anderen Unternehmen müssen einen Antrag auf Zulassung bei der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde stellen, in Österreich bei der FMA.

Insiderrecht und Marktmissbrauchsbestimmungen für Kryptowerte

MiCA enthält ein Insider- und Marktmissbrauchsregime, das jenem für Finanzinstrumente angenähert ist. Es kennt einerseits das Gebot zur Offenlegung von Insiderinformationen, das Verbot von Insidergeschäften, das Verbot der unrechtmäßigen Offenlegung von Insiderinformationen, das Verbot der Marktmanipulation und das Gebot zur Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch. Diese Regeln gelten für alle Personen und alle Handlungen (und Unterlassungen) im Zusammenhang mit Kryptowerten, die zum Handel zugelassen sind oder deren Zulassung zum Handel beantragt wurde, unabhängig davon, ob sie in der Union oder in Drittstaaten gesetzt werden.

Weiterhin unregulierte Geschäftsmodelle

Zusammenfassend lässt sich attestieren, dass MiCA einen großen Teil der Geschäftsfelder erfasst, die von Krypto-Dienstleistern erbracht werden. Für gewisse andere Tätigkeiten gab es bereits vor MiCA europarechtliche Regelungen (etwa für tokenisierte Finanzinstrumente). Daneben existieren aber eine Reihe von Geschäftsfeldern im Kryptobereich, die auch nach Inkrafttreten von MiCA nicht erfasst sind. Hierzu zählen bspw:
- Anbieten von Self-Hosted bzw Unhosted Wallets, entweder in der Form einer Wallet-Software oder einer Paper-/Hardware-Wallet, solange keine Kryptowerte mit den jeweiligen Wallets mitverkauft oder übertragen werden.
- Infrastrukturbetreiber, also der Betrieb von Mining-Anlagen oder Validatoren.
- Echte dezentralisierte Finanzanwendungen (echtes DeFi), also solche Software-Lösungen in Form von Smart Contracts, bei denen keine Vertragsverhältnisse begründet werden.
- Echte Non-Fungible Tokens, also solche, bei denen ein individualisiertes und nicht fungibles Gut mit dem Token verknüpft ist wie etwa Werknutzungsrechte an Kunst.
Es bleibt abzuwarten, ob diese oder andere Geschäftsmodelle allenfalls mit MiCA II in der Zukunft einer Regelung unterworfen werden.

Blog KMR voelkel 200

Der Autor: Dr. Oliver Völkel, LL.M. ist Gründungspartner der Wiener Rechtsanwaltskanzlei STADLER VÖLKEL. Zu seinen fachlichen Schwerpunkten zählen das Bank- und Kapitalmarktrecht sowie das Recht der Kryptowerte. Zu den rechtlichen Aspekten der Blockchain-Technologie publiziert Oliver Völkel regelmäßig in einschlägigen Fachzeitschriften und trägt an österreichischen Universitäten vor. Besondere Erfahrung hat er in der Anwendung der Technologie am Kapitalmarkt. Zu seinen Mandanten zählen namhafte in- und ausländische Unternehmen und Banken. Oliver Völkel studierte Rechtswissenschaften an der Universität Wien und an der Columbia Law School in New York. In der Vergangenheit war er unter anderem an der Universität Wien im Bereich Strafrecht tätig sowie in international ausgerichteten Wirtschaftskanzleien in Wien. Am 21. März 2024 ist er im Rahmen des 20. Kapitalmarktrechtstages Gastgeber eines Workshops zum Thema „MiCAR vs Prospekt VO – Emission von Wertpapieren und Kryptowerten im Vergleich“.

Oliver Völkel ist gemeinsam mit Prof. Christian Piska Herausgeber des Handbuchs 'Blockchain rules'. Darüber hinaus ist er gemeinsam mit Prof. Susanne Kalss und Prof. Christoph Krönke Herausgeber des 2024 im BECK-Verlag erscheinenden Kommentars 'Crypto-Assets', in dem neben MiCAR auch andere einschlägige europäische Rechtsnormen kommentiert werden, die für Kryptowerte Relevanz haben.

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