Alle wollen plötzlich agil sein. Aber warum eigentlich?
Immer wieder gibt es neue und alte „Hypes“, die als Allheilmittel angepriesen werden, vermeintlich um allen Herausforderungen in Unternehmen zu begegnen. Die Schlagwörter der Vergangenheit lauteten etwa: “Lean”, “SixSigma”, eine Kombination aus beidem oder auch “Industrie 4.0”. Dazu gesellt sich derzeit immer wieder der Begriff „Agilität“ und in diesem Zusammenhang auch die Methodik „Scrum“.
Viele versprechen sich davon das gleiche, wie durch all die anderen Begriffe, nämlich mehr Effizienz, weniger Kosten, mehr Profit. Also wieder einmal nur alter Wein in neuen Schläuchen?
Letztlich geht es darum, immer schneller am Kunden zu sein. Es geht primär um die innere Haltung und Einstellung zu Unbekanntem. Diese menschlichen Faktoren sind in jeder Branche herausfordernd, die Lösungen sehen überall etwas unterschiedlich aus. Die Konsequenz ist aber die Gleiche: Die Fähigkeit, sich schnell auf Neues einzulassen.
Was hat Agilität mit „Change“ zu tun?
Sehr viel, denn ohne die Fähigkeit, sich schnell und pragmatisch zu verändern, gibt es keinen Wandel. Die Märkte und die Bedürfnisse der Kunden verändern sich immer rascher und insbesondere unberechenbarer.
Wie kann man sich neu erfinden? Der richtige Weg ist nicht planbar, wir müssen uns auf das Ungewisse einlassen. Dabei hilft das Arbeiten in kleinen Schritten mit Selbstreflektion und das Einarbeiten der eigenen Erkenntnisse, der Erfahrungen und Rückmeldungen der Kunden, für die nächsten Schritte. Damit ist Agilität gegeben. Die Frage ist nur, warum es vielen so schwer fällt.
Haupthindernis für Agilität: Der Mensch selbst
Aufgrund unserer evolutionären Prägung sind Routinen für uns weniger anstrengend als energieintensives Lernen von Neuem. Auch wenn der Säbelzahntiger keine akute Bedrohung für uns mehr darstellt, ist dieses Muster in unserem Gehirn und Körper nach wie vor präsent. Daher tun wir uns, egal ob Mitarbeiter oder Führungskraft, mit Änderungen teilweise schwer. Doch jeder, der den inneren Schweinehund schon einmal bezwungen hat, weiß, dass es sich lohnt.
Der Kern eines agilen Verhaltens ist es, sich immer wieder auf etwas einzulassen, was im Unbekannten liegt und aus den Problemen zu lernen, um es danach besser zu machen.
Doch diese Vorgehensweise widerspricht dem klassischen Effizienzdenken, denn etwas ausprobieren und daraus zu lernen oder es anschließend anders zu machen klingt zunächst nicht effizient, und das ist es auch nicht. Es ist aber sehr effektiv.
Menschen, und hier insbesondere Ingenieure und Wirtschaftler, neigen dazu, Dinge bis zum letzten Detail auszudiskutieren, um bloß keinen Fehler zu machen. Dieser Gedanke ist aber eine Illusion, denn wir können nie etwas wissen, was wir noch nicht ausprobiert haben.
Agilität ist nichts Neues und folglich ist es daher nichts anderes als ein Ergebnis, wenn man den Kaizen so lebt, wie dieser gemeint ist. Es ist ein weiterer Name für eine innere Haltung, die schon lange bekannt ist. Man geht in kleinen Schritten, hinterfragt sich selbst, lernt aus den Fehlern und wird im Folgeschritt besser. Zudem hat man seine Kunden im Blick und bindet die Mitarbeiter wertschätzend mit ein. Die Unternehmen, die sich auf Effizienz fokussieren, werden Agilität und die daraus resultierenden Vorteile nicht erreichen. Diese sind aber heute und in Zukunft wichtiger denn je.
Dr. Mario Buchinger, Querdenker / Visionär / Kaizen-Trainer / Lean-Experte / Musiker / Autor, Buchinger | Kuduz, ist Autor des Beitrags. In seinem aktuellen Seminar Führen in agilen Organisationen macht er anschaulich, was es für eine gelebte Kultur der kontinuierlichen Verbesserung braucht. Im Zentrum stehen dabei Sie in Ihrer Rolle als Führungskraft. Bei der Konferenz Prozess-Management 2017 am 22. / 23. Juni in Wien war er Key Note Speaker.