Das ibw prognostiziert im Kurier vom 10.06.17 durch die Digitalisierung Bedarf an höher qualifizierten Mitarbeitern in der industriellen Fertigung. Dabei geht es nicht vorrangig um Akademiker, sondern eher um höher qualifizierte Lehr-, FH- und BHS-Absolventen.
HR Führungskräfte stellen Forderungen auf wie „es braucht eine neue Ausbildungskultur… ein übergeordnetes Konzept… Schule 4.0“. Wie wir als gelernte Österreicher wissen, wird das viel Zeit in Anspruch nehmen, die wir wahrscheinlich nicht haben. Die Lehrlingsausbildung ist in vielen Dingen fertig und könnte kurz - bis mittelfristig den Fachkräftenachschub erhöhen. Was müsste geschehen, um mehr junge Menschen zu begeistern? Ein paar Antworten auf (generell) offene Fragen:
Was interessiert Jugendliche überhaupt?
Zunächst einmal, was eher nicht: klassische Karrierepfade sind es nicht mehr, in Zeiten von Finanz- und Wirtschaftskrisen sehen Jugendliche das völlig nüchtern. Wer weiß schon, ob es ein Unternehmen lang genug gibt, um Karriere zu machen. Marketing ist es auch nicht, Werbemaßnahmen per se erreichen diese Generation der Ad-Blocker nicht mehr. Jugendliche suchen Aufgaben mit Sinn und wollen das Gefühl einen direkten Beitrag zu leisten. Betriebe, bei denen die Lehrlinge früh „am Kunden“ arbeiten dürfen, haben kaum Motivationsprobleme. In Start-ups arbeiten junge Menschen wenn es sein muss auch umsonst. Sie wollen halt die Welt retten und vor allem wollen sie dazugehören. Das ist auch in einem „normalen“ Umfeld möglich. IT Anwendungen sorgen dafür, dass Krankenhäuser funktionieren, Maurer ermöglichen behagliches Wohnen und ohne Einzelhändler gibt es keine Party.
Storytelling funktioniert nicht nur im klassischen Marketing, sondern auch im Recruiting.
Über welche Wege erreicht man Jugendliche?
Eine wichtige Bemerkung vorab: es geht nie darum, viele Bewerber zu finden. Es geht darum die Richtigen zu begeistern. Dazu müssen Sie überlegen, wer diese Richtigen eigentlich sind. Die Definiton „Jugendliche“ greift dabei zu kurz. Brauchen Sie eher einen Nerd, der endlose Datenkolonnen abarbeitet? Oder einen intuitiven Bastler, der Probleme beim Kunden löst? Oder einen Social Media Freak, der ungewöhnliche Lösungen im Internet findet? Wenn Sie definieren, wen Sie suchen, dann finden Sie ihn auch leichter.
Was machen erfolgreiche Unternehmen anders?
Sie überlegen, wer ihre Zielgruppe ist, wo man sie findet und wie man sie erreicht. Dachser Logistik in Himberg hat letztes Jahr allen Fahrern selbst entworfene C6 Folder über die Lehre bei Dachser mitgebgeben. Diese wurden bei allen Kunden im Umkreis von 30 km rund um die Niederlassung abgegeben, der Rücklauf war größer als erwartet. Thalia sendet seine Folder ab September mit jedem Paket an seine Kunden mit. Die Leobersdorfer Maschinenfabrik hat einen Facebook Channel gegründet. Dort werden Fotos der eigenen Lehrlinge gepostet mit dem Effekt, dass deren Eltern die Seite liken (um zu sehen was die Kids so machen). Und die Eltern haben Freunde… Kopf schlägt Kapital, Regionalmedien sind immer noch ein Garant für Aufmerksamkeit.
Ihre Geschichte, Storytelling again, nimmt im Idealfall dem Redakteur Arbeit ab und informiert Ihre direkte Umgebung.
Im Bewerbungsgespräch sind Sie eher an der Persönlichkeit, als an den Noten interessiert. Gerade wenn Sie nicht eine Vielzahl an Lehrlingen suchen, investieren Sie diese Zeit, es macht sich bezahlt. Authentische und ehrliche Kommunikation hilft dabei das Sie nur das versprechen, was Sie danach auch halten können.
Was muss generell anders werden?
Hier könnte man lang und breit Maßnahmen aufzeigen, wie das Image der dualen Ausbildung wieder in den richtigen Zusammenhang gestellt wird. Als ein gleichberechtigter und gleichwertiger Weg ins Berufsleben und zu guten Mitarbeitern. Ja, auch auf der Seite der Unternehmen muss umgedacht werden. Die Lehre muss in gleicher Weise positioniert sein, wie alle anderen Karrieremöglichkeiten auch. Nicht nach dem Motto „wir haben tolle Jobs für Ausbilder und ach ja, Lehrstellen hätten wir auch“. Wir müssen gemeinsam Eltern die Wahrheit über den Einstieg ins Arbeitsleben erzählen und praktikable Best Practices aufzeigen. Der Leiter der gesamten Netzsparte bei A1 ist Mitte 40 und ein ehemaliger Lehrling. Und wir könnten daran denken die Großeltern ins Boot zu holen. Die sind es meist, die in den Ferien oder an den Nachmittagen auf die Jugendlichen schauen. Ihr Bild einer Lehre ist ein veraltetes. Aber wenn wir ihnen einen aktuellen Blick ermöglichen, dann haben wir hier starke Verbündete. So wie Magna, die bei jedem Pensionistentreffen auch Informationen über die Lehre bieten.
Lassen Sie sich bitte nicht verunsichern von den vielen plakativen Aussagen über „die Jugend“. Seien Sie mutig genug, dem entgegenzutreten und suchen Sie Lösungen – so wie Sie das bei Ihren Aufgabenstellungen kennen.
Machen wir gemeinsam vor, auf und nach dem 5. Lehrlingsforum Lust auf Ausbildung!
Über den Autor: Robert Frasch ist Co-Founder von lehrlingspower.at und Kooperationspartner beim Lehrlingsforum am 29. / 30. November 2017 in Wien.