T-Mobile hat im August letzten Jahres UPC gekauft – wie läuft der Merger und die Transformation?
Wirklich gut. Wir waren mutig und sind von Anfang an in eine für beide Unternehmen neue gemeinsame Startorganisation gestartet – das hat sich ausgezahlt. So sind die Teams schnell in die Kooperation gekommen. Zudem haben wir auf Führungsebene ein neues gemischtes Team aus UPC- und T-Mobile-Führungskräften, das in einem fairen Auswahlverfahren zusammengestellt wurde. Wir gehen gemeinsam in ein neues Unternehmen und kommunizieren sehr transparent. So wurden z.B. alle Fragen beim Betriebsübergang, auch die kritischen, von uns live, offen und an alle Mitarbeiter gleichzeitig gestreamt beantwortet.
Wie steuert HR die Transformation bei diesem Merger?
Wir machen hier gerade keinen klassischen HR-Job. Wir greifen alles, was herunterzufallen droht auf und kümmern uns genauso an unserer HR-Helpline um kleinere Themen wie auch um die Transformation und die Personal-kostensteuerung. Im Merger hat man die einmalige Chance, aus zwei Welten das Beste oder etwas ganz Neues zu wählen. Und diese Chance nützen wir. Wir hinterfragen konsequent be¬stehende Prozesse und Herangehensweisen. Über Langeweile beschwert sich gerade bei uns keiner.
Mitten im Merger befindet sich T-Mobile auch auf einer Reise hin zu mehr Agilität. Ist das nicht alles ein bisschen viel?
Wir sehen auch das als Chance. Da wir viele Produkte und Systeme ganz neu entwickeln, haben wir die Chance alles neu, agil und damit anders anzugehen. Agil an Altsystemen herumzubasteln ergibt zumeist keinen Sinn. Wenn man sich aber – wie bei uns – in einer komplexen Neuentwicklung befindet, ist die Stunde von agilen Herangehensweisen gekommen. Sich in iterativen Schritten einer Lösung zu nähern, ermöglicht in dieser Situation schnelle Learnings.
Was ist die Rolle von HR in der agilen Transformation?
Wir sehen uns als Enabler im Prozess. Wir organisieren das Lernen von agilen Methoden, übrigens auch für unser Topmanagement, genauso wie den Aufbau einer Community und Lernmöglichkeiten, um gemeinsam zu wachsen. Wir pushen aber nicht nur agiles Arbeiten, sondern auch die Transformation. Denn besonders das Aufeinandertreffen von agilen und nicht agilen Strukturen fordert Verständnis und Veränderung, zum Beispiel bei lieb gewonnen Finanz-, Einkaufs- und HR-Prozessen. Hier moderieren wir und fordern aktiv Veränderung ein. Sehr spannend, wie sich unser Unternehmen dabei gerade verändert. Denn Agilität bedeutet viel mehr als die Anwendung agiler Methoden – es braucht auch ein entsprechendes Mindset, ein Mindset das u.a. von Vertrauen und Empowerment geprägt ist.
Was ist das für ein Mindset?
Die Psychologin Carol Dweck erforscht, wie Menschen mit Niederlagen umgehen und was manche dazu veranlasst, unbeeindruckt immer neue Herausforderungen zu suchen, während andere aufgeben. Sie unterscheidet das »Growth Mindset« und das »Fixed Mindset«. Menschen, die eher ein Fixed Mindset haben, glauben an die Macht des Talents, also dass Fähigkeiten angeboren sind. Wenn sie also an einer Aufgabe scheitern, so führen sie das darauf zurück, dass ihnen bestimmte Begabungen fehlen. Menschen mit einem Growth Mindset, sind der festen Überzeugung, dass sie alles erreichen können, solange sie genügend Einsatz bringen, trainieren oder lernen. Diese Einstellung führt nachweislich zu mehr Erfolg. Dwecks Studien zeigten, dass Kinder, deren Intelligenz gelobt wurde, sehr viel wahrscheinlicher ein starres Mindset entwickelten, als Kinder, deren Anstrengungen gelobt wurden, die dazu tendierten, ein dynamisches Mindset zu entwickeln und durch das Suchen neuer Herausforderungen am Ende mehr erreichten. Deshalb arbeiten wir am Growth Mindset im Unternehmen, propagieren, dass man viel erreichen kann, wenn man daran arbeitet und an sich glaubt, dass Fehler erlaubt sind und dass Lernen unabdingbar ist.
Können Sie wirklich etwas am Mindset der Mitarbeiter ändern?
Man kann natürlich keine Änderung im Mindset und/oder Verhalten der Kollegen anordnen, das ist klar. Aber wir können ein Umfeld schaffen, die Growth Mindset zulassen und fördern: Wer lernt, Feedback annimmt und an den Erfolg glaubt, wird sich immer weiterentwickeln. Zum anderen ist es wichtig, im Unternehmen alte Muster aufzubrechen und Dinge bewusst anders zu tun. Wenn man Rahmenbedingungen ändert, z.B. viel mehr Freiheit und Ent¬scheidungsspielraum lässt, dann wird sich die Haltung der Kollegen ändern und sie werden anders an die Dinge herangehen als wenn man alles vorgibt.
Wie muss sich die Denkweise von HR ändern, damit sich ein Growth Mindset durchsetzt?
Ganz viel. Mein Lieblingsbeispiel ist das Performance Management. Wenn man sich ein Mal im Jahr mit dem Mitarbeiter hinsetzt und ihm erklärt, er sei auf einer Skala von 1 bis 5 eine 3, dann fördert das kein Growth Mindset. Vielmehr ist kontinuierliches und zeitnahes Feedback wichtig, das eine Atmosphäre des Lernens und des stetigen Verbesserns in beide Richtungen schafft. Team- und Peerfeedback kann das zusätzlich fördern. Zudem basieren viele HR-Prozesse auf Verboten und Genehmigungen statt auf Empowerment – das muss sich grundlegend ändern.
Welche Rolle spielen Führungskräfte dabei?
Eine große. Die Führungskraft wird zum Coach, fördert Lernen und Entwicklung und ist damit viel mehr gefordert, denn der Satz »der Mitarbeiter ist so wie er ist« gilt nicht mehr. Auch bedeutet Empowerment nicht einfach nur zu delegieren, sondern es ist umso wichtiger, den Kollegen das große Ganze, den dahinter liegenden Sinn, zu vermitteln und eine Richtung aufzuzeigen. Weiters bedeutet Empowerment für Führungskräfte auch von gewissen Dingen loszulassen, eigene Denk- und Verhaltensweisen zu hinterfragen. Das braucht Reife und Bereitschaft zur Selbstreflexion.
Dr. Sabine Bothe ist CHRO der T-Mobile Austria und arbeitet am Merger mit UPC und an der Agile Journey. Davor war sie bei der Deutschen Telekom und der Deutschen Lufthansa. Am 11. April hält sie eine Keynote zur Eröffnung der PoP 2019.
Das Interview erschien zuerst im Magazin Training