Wenn man den Bildungs- und Ausbildungsauftrag richtig versteht, geht es auch darum, jungen Menschen das Rüstzeug mitzugeben, sich in einer zunehmend volatilen, komplexen und digitalen Welt zu behaupten und den Spaß am Lernen und an der Arbeit in sich zu tragen (intrinsische statt extrinsische Motivation).
Selbst-Kompetenzen stärken
In einer digital vernetzten Wirtschaft werden Arbeitsschritte immer mehr ausgelagert an freiberufliche Spezialisten oder jene werden für zeitlich befristete Projekte kurzzeitig ans Unternehmen gebunden (Projektarbeit). Die Arbeitswelt wird fluider – ob wir es wollen oder nicht. Das erfordert von Menschen, sich selbst gut zu organisieren, flexibel zu sein und sich selbst gut vermarkten zu können. Wer diese Kompetenzen zukünftig nicht mitbringt, wird schnell von der Konkurrenz abgehängt. Das klassische Aus-/Bildungssystem bereitet uns auf diese Situation aber nur unzureichend vor. Es ist in seiner Unterrichtsform zu starr, zu frontal und zu einseitig auf Fachkompetenzen ausgelegt: Alle durchlaufen den gleichen Lehrplan im gleichen Lehrtempo, statt sich nach eigenem Interesse im eigenen Tempo darauf zu konzentrieren, eigene Stärken weiterzuentwickeln und mit Fächern wie „Herausforderungen meistern“, „Digital-Identität aufbauen“ oder „Verantwortung übernehmen“ konfrontiert zu sein.
Wiederbelebung der Kreativität
Hinzu kommt, dass wir mit dem klassischen Unterrichtsformat ängstliche, mutlose und unvorbereitete Karriereanfänger statt experimentierfreudige Gestalter produzieren. Zu bisherigen Anforderungen in der Arbeitswelt hat das gepasst. Jetzt erleben wir eine Nichtpassung zwischen Kompetenzen der Absolventen und Anforderungen von Unternehmen. Alle streben nach innovativen Kreativköpfen. Das ist aktuell auch in Österreich Mangelware! Wir haben nicht gelernt und lehren immer noch nicht, was es heißt, kreativ zu denken und zu handeln. Im Gegenteil: Man trainiert es uns ab! Während 98% von Kids kreativ sind, bleiben davon nur noch 2% kreative Erwachsene übrig. Paradox, nicht wahr? Und ein trauriges Armutszeugnis sowie riesige Gefahr für die Arbeitswelt von heute. Deshalb treibt man jetzt Innovationsmethoden wie bspw. Design Thinking durchs Unternehmen, in der Hoffnung, den gedanklichen Hebel von der linken Gehirnhälfte auf die rechte umzuschwenken.
Wir haben nicht gelernt und lehren immer noch nicht, was es heißt, kreativ zu denken und zu handeln.
Im Gegenteil: Man trainiert es uns ab!
Und jetzt überlegen Sie mal, wie innovativ Österreich wäre, würden wir Kinder darin schulen, Kreativität vielfältig einzusetzen, Probleme und Bedürfnisse zu erkennen und Lösungsansätze zu generieren. Was in einer zunehmend komplexen und volatilen Welt von zentraler Bedeutung ist. Wow! Wir müssen das System Aus-/Bildung in die Zukunft hieven und nicht weiterhin die Vergangenheit verteidigen.
Digitalkunde auch für die Jugend
Davon auszugehen, dass Digital Natives, die den ganzen Tag am Smartphone oder Laptop hängen, die Sprache und die Soft- und Hardware der digitalen Welt verstehen, ist ein Trugschluss. Im Wandel hin zur Industrie 4.0, die geprägt sein wird von 3-D-Drucker, Künstlicher Intelligenz, Roboter, Big Data und Internet der Dinge, müssen wir junge Menschen fit darin machen, diese neue Digitalwelt auch wirklich zu verstehen, um sie mit steuern und mit entwickeln zu können. Das wird uns aber nur dann gelingen, wenn wir entsprechend gut qualifiziertes Lehrpersonal dafür zur Verfügung haben.
Wir müssen anfangen, junge Menschen besser auf den Wandel der Arbeitswelt vorzubereiten. Dazu brauchen wir dringend eine Bildungsrevolution und Anpassung der Lehrpläne auf moderne Anforderungen.
Dr. Steffi Burkhart, Autorin des Buches "Die spinnen, die Jungen?!" spricht als Keynote Speakerin am Lehrlingsforum am 29./30. November 2016 in Wien.