Wenn Sie dieses Jahr Schwierigkeiten hatten, Ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, sind Sie in bester Gesellschaft. Die Gründe für diese Entwicklung liegen auf der Hand: die demographische Entwicklung, Akademisierung, Orientierungslosigkeit sowie als unattraktiv wahrgenommene Berufsbilder und Verdienstmöglichkeiten. Die Universitäten platzen derweil aus allen Nähten. Fakt ist, es ist dringend an der Zeit, etwas zu tun.
Schaut man sich andere Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt an, zeichnen sich weitere Probleme ab. Viele der heutigen Ausbildungsberufe fallen der Automatisierung und Digitalisierung zum Opfer: Büro- und Sekretariatsjobs, sowie Berufe in den Bereichen Verkehr und Gastronomieservice. Berufe, wie Pflege- und Erziehungskräfte, die in unserer Gesellschaft leider kaum Ansehen genießen, werden immer wichtiger.
Der Ruf nach Kompetenzen und Fähigkeiten statt Fachwissen bei zukünftigen Arbeitnehmern ist groß. Die Fähigkeit zu Lernen, Kreativität, Flexibilität und Unternehmergeist sowie interkulturelle und technische Kompetenzen werden auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger.
Ausbildung aus zwei Perspektiven
Was wäre, wenn die Berufsausbildung einen Rahmen schaffen würde, der Jugendlichen Orientierung gibt, der Kompetenzen und Fähigkeiten vor Fachwissen vermittelt und der eigenständig denkende Menschen hervorbringt?
Denn wovon lässt man sich motivieren, wenn einem die Orientierung fehlt? Extrinsische Anreize, wie Anerkennung, Karriere und Geld, liegen nahe. Aber ist für die große Karriere nicht ein Studium hilfreicher? Alle extrinsischen Anreize haben eines gemeinsam: Die ersehnte Zufriedenheit bringen sie nicht, sofern man sich nicht bewusst für diesen Weg entscheidet.
Als Personalerin habe ich einige Zeit nach meiner Ausbildung selbst bei der Auszubildendenauswahl mitgewirkt. In den Vorstellungsgesprächen wurde deutlich, dass sich die wenigsten Bewerber tatsächlich aufgrund des Berufes bewarben.
Wie soll man als fünfzehnjähriger Jugendlicher auch wissen, was das Richtige für einen ist? Die Berufswahl wirkt schnell wie eine massive Entscheidung für das eigene Leben. Der Trend geht ohnehin weg von dem einen Beruf auf Lebenszeit. Dieser Aspekt allein könnte schon einiges an Druck bei den Jugendlichen nehmen. Zum anderen tut sich hier eine zusätzliche Zielgruppe für Ausbildungen auf: Die Umsteiger.
Eine Antwort auf die Schwierigkeiten auf dem Ausbildungsmarkt
Eine weitere Möglichkeit, Ausbildung wieder attraktiver zu machen, liegt im Aufgreifen der Schwierigkeit, vor der Jugendliche stehen - der Orientierungslosigkeit. Wenn Jugendliche von der Anzahl der Möglichkeiten gelähmt sind, sollte das Ausbildungssystem zuallererst einmal durchlässiger werden und Berufswechsel während der Ausbildung ermöglichen. Im ersten Ausbildungsjahr bietet sich eine „Grundausbildung“ an, in der es in erster Linie um Kompetenzen und Fähigkeiten geht.
Im zweiten Schritt kann es dann in die fachliche Ausbildung gehen. Hatten die Jugendlichen die Chance, sich selbst, den Beruf und das Umfeld besser kennenzulernen, stellt sich die Frage, ob der angestrebte Ausbildungsberuf noch immer der richtige ist. Denkbar ist der Tausch von Ausbildungsplätzen.
Ihnen werden Einwände in den Sinn kommen, warum das so nicht funktionieren kann: kein Budget, keine Kapazitäten, zu starke Regulationen auf dem Ausbildungsmarkt. Aber auch Sie werden zu den Menschen zählen, die in der Zukunft Kompetenzen brauchen, wie Problemlösefähigkeit und unternehmerische Denken, um sich auf dem Arbeitsmarkt einbringen zu können. Fangen Sie heute damit an. Lassen Sie sich etwas einfallen. Oder kommen Sie zum Lehrlingsforum.
Autorin des Beitrags: Jannike Stöhr ist Autorin und Berufsberaterin. Zuvor arbeitete sie als Personalerin bei Volkswagen und testete auf der Suche nach einem für sie erfüllenden Job 30 Berufe innerhalb von einem Jahr. Heute berät sie Klienten beim Umsteigen in den Traumjob. Mehr über die Ausbildung der Zukunft erfahren Sie in ihrer Key-Note auf dem Lehrlingsforum am 29. / 30. November in Wien.