Die Richtlinie zielt darauf ab, dass Unternehmen auf etwaige Menschenrechtsverletzungen und Umweltauswirkungen ihrer Wertschöpfungskette achten und diese weitestgehend entsprechend vermeiden.
Länderspezifische Regelungen zur Sorgfaltspflicht existieren bereits in mehreren europäischen Nationen, beispielsweise in Frankreich („Loi de Vigilance“), in den Niederlanden („Wet zorgplicht kinderarbeid“) oder auch in Deutschland („Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“). Der neue Vorschlag zu einer europäischen Richtlinie schafft einheitliche Vorgaben und Vorgehensweisen und geht über die Verpflichtung der nationalen Gesetze hinaus. Zudem bringt der Richtlinienvorschlag sehr viele Vorteile für Bürger*innen und Unternehmen mit sich: mehr Transparenz und Zuverlässigkeit hinsichtlich der Aktivitäten großer Unternehmen, Unterstützung beim Schutz der Menschenrechte und Umwelt, sowie größeres Bewusstsein über die negativen Auswirkungen der eigenen Geschäftsaktivitäten.
Die Ausgangsbasis für den Richtlinienvorschlag sind die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation zur Initiative für eine nachhaltige Unternehmensführung und zwei in Auftrag gegebenen Studien (Pflichten der Geschäftsleitung und nachhaltige Unternehmensführung sowie Sorgfaltspflicht in der Lieferkette) aus dem Jahr 2020. Der Richtlinienvorschlag ergänzt die existierenden Regelungen auf europäischer Ebene (zB Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen und EU-Taxonomie-Verordnung) und baut auf den international anerkannten Menschenrechts- und Arbeitsnormen, OECD-Leitlinien für multinationale Unternehmen und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln sowie den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte auf.
Geltungsbereich des EU-Vorschlags
Anders als ursprünglich erwartet werden die neuen EU-Vorschriften nicht alle große Unternehmen in der EU betreffen, sondern nur jene, die folgende Kriterien erfüllen:
- Große Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der EU
- Unternehmen mit mindestens 500 Mitarbeiter*innen und einem weltweiten Mindestjahresumsatz von EUR 150 Mio
- Unternehmen mit mindestens 250 Mitarbeiter*innen und einem weltweiten Mindestjahresumsatz von EUR 40 Mio, wenn 50% des Umsatzes aus Hochrisikobranchen (ua Textil, Bergbau, Land- und Forstwirtschaft,) resultiert - Unternehmen aus Drittstaaten sind von den obengenannten Kriterien auch betroffen, jedoch bezieht sich das Umsatzkriterium nur auf den in der EU erwirtschafteten Anteil des Gesamtumsatzes.
Die im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Sorgfaltspflichten gelten zwar für die gesamte Wertschöpfungskette, beschränken sich aber auf "etablierte Geschäftsbeziehungen" (Laut Richtlinienentwurf sind etablierte Geschäftsbeziehungen jene direkten und indirekten Geschäftsbeziehungen, die aufgrund ihrer Intensität und Dauer langlebig sind und die keinen unwesentlichen Teil der Wertschöpfungskette darstellen). KMU sind von den Vorschriften nicht unmittelbar betroffen. Jedoch sind für KMU, die indirekt betroffen sind, beispielsweise durch ihre Tätigkeit als Geschäftspartner von einem großen Unternehmen, Unterstützungsmaßnahmen vorgesehen.
Was müssen Unternehmen konkret tun?
Mit dem Richtlinienvorschlag will die EU große Unternehmen dazu verpflichten, Risiken für Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen zu ermitteln und angemessene Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Unternehmen müssen zukünftig die Sorgfaltspflicht in Bezug auf Umwelt- und Menschenrechtsverletzungen zu einem Bestandteil ihrer Unternehmenspolitik machen, ein Beschwerdeverfahren einrichten, die Wirksamkeit ihrer Nachhaltigkeitspolitik und -maßnahmen kontrollieren, und die Öffentlichkeit über die Wahrnehmung ihrer Sorgfaltspflicht informieren. Große Unternehmen (siehe hier die erste Kriteriengruppe in der oben aufgeführten Auflistung) müssen zusätzlich noch sicherstellen, dass ihr Geschäftsmodell bzw ihre Geschäftsstrategie auf das 1,5 °C-Ziel des Übereinkommens von Paris ausgerichtet ist.
Haftung und Kontrollen
Um die Implementierung der EU-Richtlinie zu kontrollieren, müssen alle EU-Mitgliedstaaten eine Aufsichtsbehörde benennen, die für die Verhängung von Sanktionen, Geldbußen und Befolgungsanordnungen zuständig ist. Damit das Vorgehen klar und einheitlich definiert ist, wird die EU ein Netzwerk an Aufsichtsbehörden einrichten. Eine zivilrechtliche Haftung ist auch vorgesehen, in dem Opfer von der Nichteinhaltung von Sorgfaltspflichten zu entschädigen sind. Die Festlegung der Strafen oder die Ausgestaltung der Sanktionen obliegt aber den einzelnen EU-Mitgliedstaaten.
Fazit:
Ab dem Beschluss des Inkrafttretens der Richtlinie werden Unternehmen mindestens zwei Jahre Zeit haben diese national umzusetzen. Betroffene Unternehmen – die EU-Kommission rechnet mit ca 13.000 Unternehmen in der EU und rund 4.000 Unternehmen in Drittstaaten – sollten aber bereits jetzt anfangen Risikoanalysen durchzuführen, Präventionsmaßnahmen auszuarbeiten und Abhilfemaßnahmen zu entwickeln. Zukünftig sollten etwaige negative Auswirkungen auf Menschenrechte, Klimawandel und Umwelt bei jeglichen Unternehmensentscheidung mitberücksichtigt werden.
Die Autorinnen:
Susanne Flöckner, Katharina Schönauer und Shruti Athavale arbeiten bei KPMG in Wien. KPMG ist am 12./13. Mai Gastgeber mehrerer Workshops auf der RECON.
Zur RECON 2022
Zum Sustainability Summit 2022
Weiterführende Links
Frankreich: „Loi de Vigilance“
Niederlande „Wet zorgplicht kinderarbeid“
Bundesrepublik Deutschland „Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“