Business Circle: Sehr geehrte Frau Dr. Naux, Sie führen ein mehrköpfiges Team, welche Regeln haben Sie in Bezug auf Home-Office und Büro-Präsenz und wie lange hat die Umstellung gedauert? Gab es einen Unterscheid zwischen Sommer und zweiten (dritten) Lockdown?
Eva Naux: Wir haben in der Steuerabteilung Home-Office abhängig vom Infektionsgeschehen ausgerichtet. Während aller Lock-Downs waren wir im Wesentlichen im Home Office. Es gab vereinzelt Büro-Präsenz für die Abwicklung der (wenigen) Post und ausgewählter wichtiger Termine. Im Sommer und zwischen den Lockdowns hatten wir eine 50/50 Regelung. Die Umstellung im März auf komplettes Home Office funktionierte von einem Tag auf den anderen, da wir damals in der Steuerabteilung schon weitgehend papierlos und digital aufgestellt waren. Das ging reibungslos.
BC: Bei Ihnen ist die digitale Steuerabteilung ja schon lange ein Thema, jetzt hat sich COVID sicher als Innovationstreiber bei Digitalisierungsprojekten erwiesen – wie sehen Sie Österreich allgemein in puncto digitale Transformation aufgestellt?
Naux: Ich denke, da muss man differenzieren. Wenn ich in der Zeitung lese, dass etwa in der öffentlichen Verwaltung – nach einem Jahr Pandemie – noch fast nirgends Home Office möglich ist, weil schlicht Laptops fehlen, dann erfüllt mich das nicht gerade mit Zuversicht. Auch im Bildungsbereich müssen Lehrerinnen und Lehrer immer noch auf ihren privaten Laptops Distance Learning anbieten, es fehlt noch komplett die Infrastruktur. Da ist noch ganz viel noch zu tun. Andererseits ist etwa die Finanzverwaltung schon sehr weit mit Digitalisierung. Auf der Unternehmensseite habe ich auch den Eindruck, dass hier in den letzten drei Jahren viel passiert ist und COVID noch einmal einen richtigen Schub gesetzt hat. Im Vergleich zu den Tech-Giganten USA und China haben Österreich und Europa aber wohl noch riesigen Aufholbedarf. Wir müssen echt schauen, nicht den Anschluss zu verlieren.
BC: Verraten Sie uns eines Ihrer wichtigsten Learnings aus fast einem Jahr COVID-19?
Naux: Auch im Business gilt: der menschliche Kontakt ohne device dazwischen ist durch nichts zu ersetzen.
BC: Planungssicherheit ist ja in Zeiten wie diesen kaum gegeben, wie gehen Sie damit um – inwiefern haben Sie davon profitieren können, mit den Digitalisierungsprojekten schon weit fortgeschritten zu sein?
Naux: Das war enorm wichtig. Noch vor zwei Jahren hätten wir als Steuerabteilung ein echtes Problem gehabt, wären wir über Nacht ins Home Office gezwungen worden. Andererseits ist aber eine gewisse Planungsunsicherheit bei Digitalisierungsprojekten immer mit dabei. Die Technologie entwickelt sich so schnell weiter, dass man nie sicher sein kann, auf das richtige Pferd zu setzen. Man kann mitten im Projekt draufkommen, dass man sich komplett verrannt hat und der gewünschte Effekt nicht eintritt oder es schon wieder etwas Besseres gibt. Damit muss man aber wohl leben.
BC: Mit zunehmendem Digitalisierungsgrad ergeben sich auch neue Möglichkeiten für Hacker und Cyberkriminelle, so dass mit der Digitalisierung auch die Cyber-Security hochgefahren werden muss, welche Maßnahmen haben Sie da gesetzt?
Naux: Das Thema Security wird bei PORR sehr ernst genommen. In den letzten Jahren wurden viele Investitionen vorgenommen, um die Infrastruktur der PORR abzusichern. Weiters wurde ein eigenes Team gegründet, das sich z.B. um die kontinuierliche Analyse der aktuellen Bedrohungslage kümmert und dann Maßnahmen einleitet. In Kürze werden auch sämtliche security-relevanten Daten rund um die Uhr durch ein Security Operations Center überwacht. Durch die frühe Einbindung von Security- und Datenschutzexperten bei Projekten, folgen wir dem Prinzip „Security by Design“.
BC: Daran anschließend: nicht das Internet ist gefährlich, sondern die Leute die es nutzen, tragen Sie auch dafür Sorge, dass die menschliche Firewall nicht zu leicht zu knacken ist?
Naux: Ganz richtig, eine Investition in Technik alleine wäre zu wenig. Es gibt hier mehrere Maßnahmen, um unsere Mitarbeiter zu sensibilisieren. Da eMails nach wie vor die größte Angriffsfläche bieten, planen wir speziell abgestimmte und im Schwierigkeitsgrad steigende Phishing Simulationen. Unsere eLearning Angebote und Webinare werden ständig ausgebaut und an aktuelle Bedrohungen angepasst. Handouts im Onboarding-Prozess bei neuen Kolleginnen und Kollegen sollen die wichtigsten Risiken allgegenwärtig machen.
"Ich glaube nicht, dass ich noch eine Vereinfachung des Steuersystems erleben werde"
BC: Vor Corona tritt ja vieles in den Hintergrund: Hat sich in Bezug auf die im Regierungsprogramm angekündigte Vereinfachung des Steuersystems etwas Entscheidendes getan?
Naux: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass ich noch eine Vereinfachung des Steuersystems erleben werde. Das ist fairerweise teilweise der steigenden Komplexität des Wirtschaftslebens geschuldet. Vor dem Hintergrund der Vermeidung von aggressiven Steuermodellen oder Steuerbetrug steigen aber auch die Anforderungen an steuerliches Reporting und Dokumentation ständig. Das wird, fürchte ich, auch nicht besser werden. Die Antwort darauf kann aber auch wiederum nur Digitalisierung sein.
BC: Wenn Sie die Situation von vor 5 Jahren mit der heutigen vergleichen und dann einmal 5 Jahren nach vorne in die Zukunft schauen, wo wird die digitale Wirtschaft Österreichs im Jahr 2025 dastehen?
Naux: Ich hoffe, fundamental besser und ich hoffe, dass wir in ganz Europa, nicht nur in Österreich, im Vergleich zu USA und China deutlich aufholen. Ich denke, das kann noch gelingen, wir müssen uns aber anstrengen.
BC: Wie wir im letzten Interview schon festgestellt haben, ist das Steuerrecht gar nicht so trocken wie sein Ruf. Aber wie sieht es mit der Attraktivität für den Nachwuchs aus – Gibt es genügend qualifizierte Ein- und Umsteiger für die kommenden Herausforderungen?
Naux: Das Berufsbild wandelt sich gerade. Einerseits wirkt die bereits erwähnte Ausrichtung hin zu immer mehr Dokumentation teilweise wenig attraktiv für den schlauen Nachwuchs, den ja alle wollen. Andererseits bietet gerade die Digitalisierung und ihre vielen Möglichkeiten ein schönes Betätigungsfeld, in dem man auch sehr kreativ sein kann. Ich denke, das kann schon sehr attraktiv sein. Man muss aber ständig werben, das wird sich wohl nicht schnell ändern.
StB MMag. Dr. Eva Naux ist Leiterin der Konzern-Steuerabteilung der PORR Gruppe. Innerhalb der Finanzorganisation leitet sie das Projekt Digital Finance@PORR. Davor war sie VP Tax bei einem globalen Internet Zahlungsdienstleister und Steuerberaterin in einer großen Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Sie ist zudem als Universitätslektorin tätig.
Am 17./18. Juni 2021 spricht sie am TAX-Circle und am 22. Juni 2021 am Digital Finance Day