Vor seinem Eröffnungsvortrag beim Vergabeforum haben wir mit Dr. Michael Fruhmann über die großen Neuerungen des BVergG 2018 gesprochen. Wie sollen sich Beteiligte auf die Herausforderungen der E-Vergabe vorbereiten? Was sind die erforderlichen Schritte zu einer erfolgreichen Umsetzung der neuen Richtlinien?
Nach Jahren der Verhandlungen auf nationaler und EU-Ebene wurde das BVergG 2018 beschlossen. Was lange währt, wird endlich gut? Wir haben Dr. Michael Fruhmann um seine Einschätzung gebeten und gefragt, wie sich Auftraggeber und Auftragnehmer auf die notwendigen Umstellungen vorbereiten können. Am Vergabeforum von Business Circle wird der Leiter des für die Legistik des Bundesvergaberechts zuständigen Referats im Verfassungsdienst des Bundesministeriums imEröffnungsplenum sprechen.
Wohlwollende Aufnahme des BVergG 2018
Hört man sich in Fachkreisen und bei Beteiligten um, sind die Reaktionen auf die Neuerungen des BVergG 2018 überwiegend positiv. Die wenigen Kritikpunkte betreffen die zunehmende Komplexität der Richtlinien und den dadurch bedingten größeren Umfang der gesetzlichen Regelungen.
Michael Fruhmann steht den Änderungen generell bejahend gegenüber. Lediglich bei einigen Fällen der unionsrechtlich bedingten Überregulierung und fehlender Klarheit sieht er Potenzial zur Verbesserung. Schließlich handelt es sich beim BVergG 2018 um einen Kompromiss von vielen Beteiligten. In Anbetracht dessen ist das erzielte Produkt definitiv als Erfolg zu werten.
Innovations-Partnerschaft und E-Vergabe
Positiv sieht Michael Fruhmann das neue Verfahren der Innovations-Partnerschaft. Nicht nur setzt der Gesetzgeber ein vielversprechendes Zeichen für die Gestaltung neuer Prozesse und Produkte, durch das Verfahren wird das Innovationselement mit der Beschaffung der Leistung gekoppelt. Das bietet Vorteile für alle Beteiligten. Wie erfolgreich sich die Umsetzung des Verfahrens gestalten wird, muss die Zeit freilich erst zeigen.
Michael Fruhmann am Vergabeforum
Ein großer und besonders wichtiger Schritt ist die Umstellung auf die E-Vergabe. Mit der Verlagerung der Vergaben auf eine digitale Ebene bekommen Unternehmen die Gelegenheit, interne Prozesse zu überdenken. Beschaffungs- und Vergabewesen können sich sinnvoll ergänzen, intern lassen sich Umstrukturierungen leichter umsetzen. Das stellt Beteiligte jedoch vor Herausforderungen.
Auftraggeber und Auftragnehmer sind durch die Verzögerung des BVergG 2018 unter Zeitdruck gekommen. Mit 18. Oktober 2018 besteht die Verpflichtung zur Durchführung von Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich in elektronischer Weise. Soweit nicht bereits entsprechende Systeme implementiert sind, sind Betroffene aufgefordert, sich zügig für ein geeignetes Vorgehen zu entscheiden.
Die Gefahr zu vieler unterschiedlicher Lösungen
Michael Fruhmann warnt vor der Verwendung zu vieler eigenständiger Lösungen im Bereich der E-Vergabe. Auftragnehmer könnten sich schnell einem „Fleckerlteppich“ von E-Vergabe-Umsetzungen gegenübersehen. Aufgrund der Kompetenzsituation der Bundesländer müssen sich Beteiligte ohnehin mit mehreren Varianten arrangieren. Zum Beispiel werden KMUs, die bei öffentlichen Vergabeverfahren in mehreren Bundesländern teilnehmen, voraussichtlich mit mehreren E-Vergabe-Systemen arbeiten müssen. Jede Variante hat ihre eigenen Anforderungen – von den Vorgaben der Qualifikation bis hin zu Upload-Erfordernissen. Schnell könnte durch zu viele Lösungen eine Eintrittsbarriere für den Markt entstehen. Eine geringe Zahl unterschiedlicher Verfahren ist auch im Sinne der Anbieter, weil das den Wettbewerb stärkt.
Michael Fruhmann bagatellisiert die Herausforderungen der E-Vergabe nicht, stellt die Chancen aber in den Vordergrund. Beteiligten bietet sich die Möglichkeit, umfassend von den Neuerungen des BVergG 2018 zu profitieren, dazu sind allerdings geeignete Schulungsangebote notwendig.
Dr. Michael Fruhmann spricht im Eröffnungsplenum des Vergabeforums von Business Circle. Das Event findet am 18. & 19. Oktober in Wien statt. Weitere Informationen bietet unser Ausblick auf das Forum mit Univ.-Prof. Dr. Josef Aicher. Wir halten Sie gerne auf dem Laufenden – folgen Sie uns auf Facebook, LinkedIn oder abonnieren Sie unseren Newsletter.