OStA Dr. Matthias Potyka, BMVRDJ hat uns im Vorfeld ein Interview gegeben.
Welche Änderungen ergeben sich für die Vorstandsvergütung nach der zweiten europäischen Aktionärsrechterichtlinie?
Die Richtlinie, die in Österreich durch das Aktienrechts-Änderungsgesetz 2019 umgesetzt wurde, verlangt, dass börsenotierte Aktiengesellschaften eine Vergütungspolitik haben, die Grundlage für die Vergütung der einzelnen Vorstandsmitglieder ist. Aufstellen – also formulieren – muss diese Vergütungspolitik der Aufsichtsrat, die Hauptversammlung darf darüber abstimmen. Obwohl das Ergebnis dieser Abstimmung nur empfehlenden Charakter hat, wird die Meinung der Hauptversammlung für den Aufsichtsrat in der Praxis durchaus relevant sein.
Zusätzlich zu dieser Vergütungspolitik, die auch mehrere Jahre gültig sein kann, müssen die Gesellschaften auch jährlich Vergütungsberichte erstellen, in denen die im abgelaufenen Geschäftsjahr tatsächlich gewährten Vergütungen sehr detailliert darzustellen sind. Auch über den Vergütungsbericht führt die Hauptversammlung eine Abstimmung mit empfehlendem Charakter durch.
All das gilt übrigens nicht nur für die Bezüge des Vorstands, sondern auch für die Vergütungen der Aufsichtsratsmitglieder.
„In Wien passiert alles etwas später“ (Karl Kraus): Welche Hürden haben Unternehmen bei der Umsetzung zu nehmen? Wie können „leere Kilometer“ vermieden werden?
Tatsächlich ist auch die Umsetzung der Richtlinie in Österreich etwas verspätet erfolgt, wenn auch nur um einige Tage.
Ganz „bei Null“ muss keine börsenotierte Gesellschaft beginnen, weil im Rahmen des Corporate Governance-Berichts nach § 243c UGB schon bisher die „Gesamtbezüge der einzelnen Vorstandsmitglieder“ sowie die „Grundsätze der Vergütungspolitik“ anzugeben waren. Die inhaltlichen und formalen Anforderungen an die neue Vergütungspolitik und den neuen Vergütungsbericht sind freilich deutlich höher. Es empfiehlt sich daher, wenn sich Aufsichtsräte, aber auch Vorstände börsenotierter Gesellschaften so rasch wie möglich mit den neuen Vorschriften vertraut machen. Je nach Art und Größe des Unternehmens wird dabei eine Unterstützung durch die interne Rechtsabteilung oder durch externe Berater sinnvoll sein.
Womit beginnen: Was raten Sie einer Aktiengesellschaft, welche sich bisher mit dem Thema noch nicht beschäftigt hat?
Eine börsenotierte AG, die sich bisher noch gar nicht mit den neuen Vorschriften zur Vergütung beschäftigt hat, ist sicherlich spät dran. Es ist aber höchstwahrscheinlich noch nicht zu spät: Die erste Vergütungspolitik nach dem neuen Regime ist in der ordentlichen Hauptversammlung jenes Geschäftsjahres vorzulegen, das nach dem 10. Juni 2019 zu laufen beginnt. Für alle Gesellschaften, deren Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, ist die erste Vergütungspolitik daher erst im Frühjahr bzw. Sommer 2020 fällig. Den ersten Vergütungsbericht muss es dann in der ordentlichen Hauptversammlung im folgenden Geschäftsjahr geben.
Was haben die Verantwortlichen und Organisatoren einer AG-Hauptversammlung künftig zu beachten? Entstehen neue potenzielle Anfechtungsgründe?
Für die erste ordentliche Hauptversammlung, für die das neue Vergütungsregime schon gilt, ist wie gesagt nur eine Vergütungspolitik vorzubereiten. Diese Vergütungspolitik kann dann bis zu vier Jahre lang gültig sein, sofern es nicht schon vorher zu wesentlichen Änderungen kommt. Der Vergütungsbericht wird zwar erst ein Jahr später, ab dann aber jedes Jahr zu erstellen sein.
Für die Praxis stellen neue gesetzliche Anforderungen natürlich immer eine große Herausforderung dar. Ich bin aber zuversichtlich, dass die börsenotierten Gesellschaften in der Lage sein werden, eine gesetzeskonforme Vergütungspolitik und ebensolche Vergütungsberichte zu erstellen. Und selbst wenn bei der Abstimmung in der Hauptversammlung etwas schiefgehen sollte, besteht zumindest kein Anfechtungsrisiko, weil diese empfehlenden Beschlüsse ausdrücklich nicht angefochten werden können.
Wird die Stellung des Aufsichtsrates durch das Einbeziehen der Hauptversammlung geschwächt?
An der zentralen Verantwortung des Aufsichtsrats für die Vergütung der Vorstandsmitglieder ändert sich nichts. Die diesbezügliche Tätigkeit des Aufsichtsrats wird aber transparenter, weil er ex ante eine Vergütungspolitik und ex post Vergütungsberichte vorlegen muss. Durch die Abstimmung über diese Dokumente in der Hauptversammlung erhält der Aufsichtsrat eine wichtige Rückmeldung, was die Aktionäre von seinen Maßnahmen halten, und kann, wenn dies notwendig sein sollte, entsprechend nachjustieren. Ich sehe daher keine Schwächung, sondern eher eine Stärkung der Stellung des Aufsichtsrats.
OStA Dr. Matthias Potyka ist stv. Leiter Unternehmens- und Gesellschaftsrecht im Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz. Der Schwerpunkt seiner Publikations- und Vortragstätigkeit liegt im Kapitalgesellschaftsrecht. Am 1. Oktober 2019 spricht er bei Business Circle im Rahmen der Fachtagung „Vorstandsvergütung nach der neuen europäischen Aktionärsrechterichtlinie“