Business Circle: Sehr geehrter Herr Mag. Rzeszut, Sie werden am TAX Circle zum Thema „Rechtsschutz-Update, aktuelle Praxisfragen zum Abgabenverfahren“ vortragen. Was ist nun für die heimischen Unternehmen nicht mehr so wie bisher?
Mag. Robert Rzeszut: Im Abgabenverfahren gab es zuletzt kaum weitreichende Gesetzänderungen, sondern eher wichtige Judikatur. Über Gerichtsentscheidungen wird oft nicht so prominent berichtet wie über neue Gesetze. Sie sind jedoch nicht weniger entscheidend, wenn es darum geht, zu seinem Recht zu kommen. Daher ist es für die Steuer-Verantwortlichen in Unternehmen umso wichtiger, hier am Ball zu bleiben.
BC: In welchen Bereichen haben sich denn Verschärfungen für Unternehmer ergeben?
Rzeszut: Vor allem bei Sorgfaltsmaßstäben in der Lieferkette wird die Judikatur zunehmend strenger. Oftmals hat dies zur Folge, dass Zahlungen an Lieferanten nicht mehr steuerlich abgesetzt werden können, sondern als Teil des Gewinns versteuert werden müssen. Auch die nachträgliche Korrektur von Fehlern, die zu Ungunsten des Unternehmens passiert sind, wird immer schwieriger, wenn einmal die betroffenen Abgabenverfahren rechtskräftig abgeschlossen sind.
BC: Was würden Sie einem Tax Director in einem Unternehmen raten, welche Prioritäten zu setzen sind?
Rzeszut: Eine Priorität liegt sicher bei Steuerkontrollsystemen. Diese sind wichtig, um nachweisen zu können, dass sich ein Unternehmen bestmöglich bemüht, alle Abgabenvorschriften einzuhalten. Dies kann es entscheidend erleichtern, im Ernstfall zu seinem Recht zu kommen oder vor Strafen geschützt zu sein.
BC: Welche Rolle spielt die zunehmende Digitalisierung bei Beschwerdeverfahren?
Rzeszut: Die Digitalisierung ist Fluch und Segen zugleich. Steuerprozesse können durch Digitalisierung unglaublich beschleunigt und vereinfacht werden. Gleichzeitig kann ein einziger Prozessfehler eine ganze Lawine von Fehlern auslösen. Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen nachweisen können, dass sie bei der Implementierung digitaler Prozesse bestmögliche Sorgfalt walten haben lassen.
BC: Daran anschließend: Ein Blick auf Digitalisierung und „Anwender“freundlichkeit, was könnte und sollte da von öffentlicher Seite verbessert werden?
Rzeszut: Vor allem die Kommunikationswege mit den Abgabenbehörden sollten technisch und rechtlich verbessert werden. Die österreichische Finanzverwaltung verfügt mit FinanzOnline bereits seit Jahrzenten über ein breit genutztes digitales Tool. Jedoch ist dieses vor allem für größere Unternehmen nicht geeignet, um flächendeckend eingesetzt zu werden. Diesbezüglich schlummert noch viel Potential, das es in Zukunft zu nutzen gilt. Der Ball liegt hierfür jedoch beim BMF. Es braucht hierfür eine entsprechende rechtliche Grundlage und technische Umsetzung.
BC: Wo steht Österreich im internationalen Vergleich, insbesondere auf EU-Ebene.
Rzeszut: Was die Digitalisierung betrifft, gehörte Österreichs Finanzverwaltung über viele Jahre zu den Vorreitern. Jedoch ist man zuletzt im Vergleich zu anderen Ländern ins Hintertreffen geraten. Österreich versucht zwar, den Austausch zwischen Abgabenbehörden und Unternehmern serviceorientierter zu gestalten (Stichwort: Auskunftsbescheide, Begleitende Kontrolle), in der Breite funktioniert dies aber noch nicht so, wie man sich das wünschen würde. Man hat den Eindruck, als würde ein großer Personalmangel bestehen, sodass es zu überlangen Verfahren kommt und der direkte Austausch zwischen Unternehmern und Finanzbeamten leidet. Dies führt unternehmerseitig zu mehr rechtlichen Unklarheiten und in weiterer Folge auch zu Rechtsmittelverfahren.
Was die Belastung des Faktors Arbeit betrifft, ist Österreich im unrühmlichen Spitzenfeld
BC: Steuerlast und Inflationsdruck sind jetzt schon hoch, andere EU-Staaten haben jetzt Steuern gesenkt, wäre das nicht auch ein richtiger Weg für Österreich?
Rzeszut: Mit den geplanten und zum Teil umgesetzten Steuerreformen wurden diesbezüglich bereits Schritte gesetzt. Was die Belastung des Faktors Arbeit betrifft, ist Österreich jedoch leider noch immer im unrühmlichen Spitzenfeld. Es wird sicherlich in den kommenden Jahren eine große Herausforderung, eine (auch steuerlich) attraktive Standortpolitik mit der Budgetsanierung und dem steigenden Inflationsdruck sowie den damit verbundenen Zinserhöhungen und dem dadurch verteuerten Schuldendienst unter einen Hut zu bringen.
BC: Zum Abschluss etwas Persönliches: Sie sind zum ersten Mal Vortragender auf einer Konferenz von uns, wird das Ihr erster Live-Auftritt seit zwei Jahren sein und worauf freuen Sie sich am meisten?
Rzeszut: Es war glücklicherweise schon in dem ein oder anderen „Wellental“ zwischen den Infektionswellen möglich, mal wieder einen Vortrag in einem kleinen Kreis zu halten. Nichtsdestotrotz freue ich mich sehr auf den Praxisaustausch mit den Kolleg:innen und Vertreter:innen aus der Wirtschaft im persönlichen Rahmen beim TAX Circle.
BC: Sehr geehrter Herr Mag. Rzeszut, wir danken Ihnen sehr für dieses Gespräch und freuen uns schon auf Ihren Auftritt beim TAX Circle!
Mag. Robert Rzeszut ist Partner, Steuerberater und zertifizierter Verfahrens- und Finanzstrafrechtsexperte bei Deloitte Österreich. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Abgabenverfahrensrecht, Finanzstrafrecht, Konzernsteuerrecht und internationalem Steuerrecht. Am TAX Circle ist er am 24. Juni 2022 Gastgeber eines Workshops zum Thema „BAO - Rechtsschutz-Update, aktuelle Praxisfragen zum Abgabenverfahren“
Zum TAX Circle, dem Strategieforum für Unternehmensbesteuerung am 23. / 24. Juni 2022