Business Circle: Sehr geehrter Herr Wolski, Sie sind Rechtsanwalt und Steuerberater, was hat sich für Ihre Praxis mit dem neuen EU-Meldepflichtgesetz am meisten geändert?
Durch das EU-Meldepflichtgesetz hat sich in der Praxis schon Einiges geändert.
Nicolas Wolski: Einerseits muss man natürlich kanzleiintern entsprechende awareness für das Thema schaffen. Die Herausforderung ist, dass alle Kolleginnen und -Kollegen so sensibilisiert sind, dass Melde- oder Hinweispflichten rechtzeitig erfüllt werden können. Anderseits muss man organisatorisch die Voraussetzungen für einen effizienten Meldeprozess schaffen.
Geändert hat sich aber auch die Beziehung zu den Mandaten und anderen Beratern:
Den Mandanten muss von Anfang an klar sein, dass es das EU-Meldepflichtgesetz gibt, und dass für die Erfüllung der Pflichten hieraus ein zeitlicher und nicht zuletzt auch finanzieller Aufwand entsteht. Wir erleben hier große Unterschiede im Bewusstsein, nicht zuletzt bei Mandanten, die nicht in der EU ansässig sind.
Bei anderen Beratern ist die awareness in aller Regel vorhanden. Außerdem ist die Interessenlage – interessanterweise oft unabhängig davon, auf welcher Seite man berät – ähnlich bzw. gleich. Hier ergeben sich die Fragestellungen auch aus der unterschiedlichen Umsetzung der europäischen Vorgaben.
BC: Daran anschließend: Worauf müssen Unternehmen hier am meisten achten?
Wolski: Wichtig ist sicherlich die möglichst zeit- und kosteneffiziente Koordinierung der Meldungen verschiedener Berater, ggf. über verschiedene Jurisdiktionen hinweg.
In Österreich sind beteiligte Unternehmen, sofern sie lediglich als „relevante Steuerpflichtige“ involviert sind, ja nur sekundär meldepflichtig. D.h. sofern es Berater (das EU-Meldepflichtgesetz spricht von „Intermediären“) gibt, die ihrerseits meldepflichtig sind, sind die Unternehmen nicht selbst meldepflichtig. Die Situation ist jedoch gänzlich anders, wenn ein beteiligtes Unternehmen nicht als „relevanter Steuerpflichtiger“, sondern selbst „Intermediär“ ist. Dies kann z.B. eine Konzerngesellschaft sein, bei der die Rechts- oder Steuerabteilung angesiedelt ist. Auch diese Gesellschaft ist somit selbst primär meldepflichtig. Auch hierauf ist regelmäßig zu achten.
BC: Wie sind die Ergebnisse aus der Tax Due Diligence am besten in die Transaktion zu integrieren?
Wolski: Ich fürchte, es gibt keine Pauschallösung für den Umgang mit den Ergebnissen der Tax Due Diligence, wenngleich sich natürlich viele Themen über die Steuerfreistellung bis zum wirtschaftlichen Stichtag abhandeln lassen. Aber gerade bei Locked-Box Deals gewährt eine solche Freistellung oftmals keinen umfassenden Schutz.
In diesem Zusammenhang ist aus Praxissicht auch darauf hinzuweisen, dass gerade in der letzten Zeit ein äußerst kompetitives Bieter-Klima immer wieder zu Situationen geführt hat, in denen sich Bieter dazu entschlossen haben, vom Verkäufer keinen umfassenden Schutz zu verlangen, um die Attraktivität des eigenen Bids nicht zu beeinträchtigen. Gerade Private Equity-Bieter sind unserer Erfahrung nach bereit, durchaus auch steuerliche Risiken „zu nehmen“. Es kommt aber, wie so oft, natürlich auf den Einzelfall an.
BC: Wurde bei M&A-Transaktionen in der Vergangenheit Ihres Erachtens zu wenig auf die Tax Due Diligence geachtet und welche besonderen Risiken können sich hier ergeben?
Wolski: Ich habe nicht den Eindruck, dass hier in der Vergangenheit grundsätzlich zu wenig auf die Tax Due Diligence geachtet wurde. Im Gegenteil, meines Erachtens bestand in den letzten Jahren im Transaktionsbereich bereits eine große Sensibilität für den Bereich Tax. Gerade wegen der vielen z.T. auch grundlegenden Änderungen in diesem Bereich ist die Tax Due Diligence aber immer anspruchsvoller geworden. Indem sich die steuerrechtlichen Rahmenbedingungen ständig verändern, muss sich z.B. der Scope einer Tax Due Diligence mitentwickeln. Selbstverständlich spielen hier aber auch zeitliche und Kostenaspekte immer eine Rolle.
Ein besonderes Risiko, das wir in unserer Praxis in diesem Zusammenhang immer wieder sehen, ist vor allem, dass der zwischen Tax Due Diligence-Dienstleister und Mandanten vereinbarte Scope gerade auch im Hinblick auf „neue Themen“ zu eng ist. Der Grund hierfür kann ja ganz unterschiedlich sein. Aber wie schon erwähnt gibt es keine Pauschallösung zur Abbildung von steuerbezogenen Risiken. Wenn diese Risiken aber nicht identifiziert werden, können diese nicht berücksichtigt und abgebildet werden. In jedem Fall werden Themen, die nicht im Scope der Tax Due Diligence sind, nicht bei einer W&I-Insurance platziert werden können.
Die Tax Due Diligence ist in den letzten Jahren immer anspruchsvoller geworden
BC: Was werden in Ihrer Beurteilung die wichtigsten Folgen aus der Anti-Tax Avoidance Directive für die heimischen Unternehmen sein?
Wolski: Zuerst glaube ich, dass die Anti-Tax Avoidance Directive (kurz ATAD) ein gutes Beispiel dafür ist, warum die Tax Due Diligence in den letzten Jahren immer anspruchsvoller geworden ist. Denn auch die ATAD, die eine Reihe von Änderungen für österreichische Gesellschaften ausgelöst hat, hat sich ja immer weiterentwickelt. Entsprechend wird auch von ATAD I und ATAD II und mittlerweile der sich abzeichnenden ATAD III betreffend die missbräuchliche Nutzung substanzschwacher EU-Gesellschaften gesprochen.
Natürlich ist man geneigt, die ATAD-Entwicklung für die heimischen Unternehmen in erster Linie mit einem zusätzlichen Compliance- und/oder Steuer-Aufwand zu verbinden. Auf der anderen Seite waren Unternehmen in Österreich auch vor der ATAD-Entwicklung mit Missbrauchsbekämpfungsvorschriften und entsprechender Rechtsprechung und Verwaltungspraxis konfrontiert. Andere europäische Länder hatten derartige Vorschrift nicht oder nur in eingeschränkter Form. Insofern darf auch ein Aspekt nicht außer Acht gelassen werden, auf den der Kollege Claus Staringer schon 2017 hingewiesen hat: Aus Sicht der österreichischen Unternehmen kann man diesen Prozess auch als eine Entwicklung zu einem jedenfalls paneuropäischen level playing field und somit als Chance sehen.
BC: Für den Fall, dass im Rahmen der Tax Due Diligence Mängel sichtbar werden, die den legalen Rahmen möglicherweise überschreiten: Wie ist aus Bietersicht damit umzugehen, und welche Sanktionen könnten der potentiell zu erwerbenden Gesellschaft drohen? Gilt das auch, wenn der Deal letztendlich nicht zustande kommt?
Wolski: In diesen Situationen ist natürlich immer eine besondere Sensibilität wichtig. Unserer Erfahrung – auch aus Internal Investigation-Mandaten heraus – ist es bei diesen Themen immer ratsam, nicht vorschnell Schlussfolgerungen zu ziehen, sondern den Sachverhalt sauber und gründlich aufzuarbeiten, bevor man bildlich gesprochen „Feuer, Feuer“ ins Haus ruft.
Eine gründliche Aufarbeitung mag aber gerade in einer M&A Situation nicht möglich sein, so dass man sich mit einem eingeschränkten Informationsumfang begnügen muss.
Unserer Erfahrung nach gehen Mandanten ganz unterschiedlich mit diesen Situationen um. Während einige Mandanten – gerade Strategen aus dem angloamerikanischen Raum – beim Thema Finanzstrafrecht äußerst sensibel sind, sind andere Mandanten deutlich eher bereit, auch diese Themen zu ökonomisieren und entsprechende Risiken im M&A Prozess abzubilden.
Bei der Beurteilung der Folgen möglicherweise finanzstrafrechtlich relevanten Verhaltens stellt sich (neben dem Thema der Nachzahlung allfällig verkürzter Abgaben inklusive Zinsen) immer die Frage, ob neben den handelnden natürlichen Personen auch die Gesellschaft als Verband verantwortlich sein kann. In diesem Fall würde der Gesellschaft eine Verbandsgeldbuße drohen. Aber auch in anderen Bereichen kann eine Verurteilung schmerzhaft sein z.B. ist das steuerliche Wohlverhalten im Bereich der COVID-Hilfen relevant.
Wichtig ist natürlich, dass strafbares Verhalten sofort eingestellt und hierauf innerhalb des Unternehmens reagiert wird, z.B. durch Sanktionen für die betreffenden Personen und durch die Anpassung der Unternehmensprozesse zur Verhinderung von Wiederholungen (Stichwort: Internes Kontrollsystem). Gerade letzteres ist auch aus der Perspektive einer potentiellen Verbandsverantwortlichkeit wichtig. Hierdurch kann sich eine allfällige Strafe reduzieren.
Ferner stellt sich im Finanzstrafrecht die Frage, ob eine strafbefreiende Selbstanzeige (noch) möglich ist. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang daran zu denken, dass die Bundesabgabenordnung eine Offenlegungs- und Wahrheitspflicht auch dann vorsieht, wenn ein Steuerpflichtiger nachträglich erkennt, dass er diesen Pflichten in der Vergangenheit nicht oder nicht vollständig entsprochen hat und dies zu einer Verkürzung von Abgaben geführt hat oder führen kann. Schließlich ist auch an den Schutz des zukünftigen Managements zu denken: Die Bundesabgabenordnung sieht vor, dass ein neuer Geschäftsführer für die betreffenden Abgaben haftet, wenn er erkennt, dass eine Steuererklärung der Gesellschaft in der Vergangenheit unrichtig bzw. unvollständig war oder pflichtwidrig gar nicht abgegeben wurden, und er den erkannten Verstoß nicht innerhalb von drei Monaten anzeigt.
Sollte der Deal (möglicherweise auch aufgrund der Erkenntnisse aus der Tax Due Diligence) nicht zustande kommen, sollten dem potentiellen Bieter keine finanzstrafrechtlichen Konsequenzen drohen. Bei der Zielgesellschaft sollten allfällige finanzstrafrechtliche Konsequenzen hingegen unabhängig vom Ausgang des Verkaufsprozesses sein.
Die COVID-Hilfen werden uns im Steuerrecht noch ein ganze Weile beschäftigen
7. Hinsichtlich COVID: Wenn wir jetzt einmal hoffen dürfen, dass wir das jetzt gesundheitlich hinter uns haben, wie lange werden uns die COVID-Hilfen noch steuerlich beschäftigen?
Wolski: Haha, ich fürchte, dass uns das Thema COVID jedenfalls in diesem Zusammenhang noch eine ganze Weile beschäftigen wird.
BC: Sie waren ja schon mehrere Male auf der RuSt – möchten Sie Ihren Eindruck von dieser Konferenz mit uns teilen?
Wolski: Die Rust ist ein besonderes Erlebnis. Man hat in einem unglaublich komprimierten Rahmen einen fachlichen Austausch auf höchstem Niveau und eine herausragende Networking-Möglichkeit. Vor allem ist es aber auch ein sehr netter Rahmen, um ungezwungen und etwas abseits des Arbeitsalltags mit Kolleginnen und Kollegen zusammenzutreffen.
Sehr geehrter Herr Wolski, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie im Oktober als Vortragenden auf der RuSt zu begrüßen.
RA StB Nicolas Wolski, LL.M. ist Partner bei bpv Hügel im Bereich Steuerrecht. Er ist sowohl in Österreich als auch Deutschland als Rechtsanwalt und Steuerberater zugelassen. Schwerpunkte: M&A Tax, steuerliche Aspekte von Finanzierungen und Umgründungen sowie streitige Steuerverfahren. Am 14.Oktober 2022 hält er zusammen mit Veronika Böhm, MARSH und Martin Jann, PwC einen Workshop zum Thema Tax Due Diligence und „How to deal with the findings“.