Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Wilplinger, das von Ihrem Haus veröffentlichte CFO-Stimmungsbarometer konstatiert eine leichte Verbesserung, der Stimmung und des Investitionsklimas. Wie ist Ihre Einschätzung?
Christian Wilplinger: Die positive Entwicklung der wirtschaftlichen Lage in Österreich ist deutlich erkennbar. Investitionsanreize wie die Investitionsprämie und die degressive Abschreibung haben zu einer Verbesserung des Investitionsklimas geführt. Die anhaltende COVID-19-Krise, die oftmals noch unzureichende Digitalisierung sowie der Klimawandel stellen jedoch große Herausforderungen für die heimischen Unternehmen dar. Hier braucht es seitens der Politik zukünftig weitere Maßnahmen, damit der Standort Österreich wieder an Attraktivität gewinnt. Eine wichtige Stellschraube ist hier auch die Steuergesetzgebung.
BC: Hat sich in Ihren Augen bezüglich der im Regierungsprogramm angekündigten Vereinfachung des Steuersystems bisher etwas Entscheidendes getan?
Wilplinger: Leider konnten die Vorhaben der Regierung im Zusammenhang mit der Vereinfachung des Steuersystems und die angekündigte Steuerstrukturreform bisher noch nicht umgesetzt werden. Aktuell liegt der Fokus der Bundesregierung verständlicherweise vor allem auf der Bewältigung der COVID-19-Krise. Dennoch sollte die Vereinfachung des Steuersystems weit oben auf der Agenda stehen, zumal dies einen wesentlichen Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Österreich darstellt.
BC: Wo sehen Sie Österreich im EU-weiten Vergleich im Unternehmens- und Konzernsteuerrecht?
Wilplinger: Das österreichische Konzernsteuerrecht war in den letzten Jahren von weitreichenden Änderungen geprägt, die vor allem auf unionsrechtlichen Grundlagen und Arbeiten der OECD, wie insbesondere dem „BEPS Action Plan“, beruhen. Beispiele dafür sind die Hinzurechnungsbesteuerung, die Zinsschranke und das DAC 6/EU-Meldepflichtgesetz. In Zukunft sind zudem weitere Änderungen im Bereich der Besteuerung digitaler Unternehmen zu erwarten. Auch die in Aussicht gestellte Ökologisierung des Steuersystems wird sich auf das Konzernsteuerrecht auswirken.
Digitalisierung: Österreich immer noch mit Aufholbedarf
BC: Daran anschließend: Müsste nicht hinsichtlich Digitalisierung des Steuersystems mehr getan werden?
Wilplinger: Die Digitalisierung führt in vielen Bereichen der Wirtschaft zu einem tiefgreifenden Wandel und ist zu einer wachsenden Herausforderung für die bestehenden Steuersysteme geworden. Gefragt sind daher neue, am besten globale Konzepte, welche die Digitalisierung entsprechend abbilden. Auch wenn die COVID-19-Krise einen Schub bei der Digitalisierung gebracht hat, besteht für Österreich Aufholbedarf. Die Digitalisierung ist der Schlüssel für Innovation und Kosteneffizienz.
BC: Was denken Sie, wurden seitens der Regierung Steuermaßnahmen richtig gesetzt, um mit den Auswirkungen von COVID-19 und der Gegenmaßnahmen fertig zu werden?
Wilplinger: Die von der Regierung gesetzten Steuermaßnahmen zur Bewältigung der COVID-19-Krise wurden grundsätzlich sehr positiv aufgenommen. Hervorzuheben sind insbesondere die Investitionsprämie und der Fixkostenzuschuss, die Erweiterung der Verlustverwertungsmöglichkeiten sowie die großzügigen Abgabenstundungen. Durch die schnelle Umsetzung der Maßnahmen verlief die Abwicklung nicht immer reibungslos, jedoch waren die Maßnahmen im Großen und Ganzen geeignet, die schwierige Zeit zu überbrücken. Vor allem der mangelnde Rechtsschutz könnte in Zukunft noch Fragen aufwerfen. Die genauen Auswirkungen der COVID-19-Hilfspakete werden sich wohl erst in Zukunft zeigen. Es bleibt zu hoffen, dass eine möglichst große Anzahl an Unternehmen die Krise dadurch gut übersteht und bald auf den Wachstumskurs zurückkehren kann.
BC: Nachhaltigkeitsberichterstattung und Ökologisierung des Steuersystems werden wichtige Themen sein. Was wären in Ihren Augen Kriterien für eine effiziente und „gerechte“ Ökologisierung des Steuersystems?
Wilplinger: Der Trend in Richtung Ökologisierung des Steuersystems ist klar erkennbar. Die Unternehmen nehmen die Ökologisierung zunehmend nicht mehr als Belastung, sondern vielmehr als Chance war. Sinnvoll wäre die weitere Förderung von ökologisch sinnvollen Maßnahmen, wie dies bereits mit der Investitionsprämie erfolgt ist.
BC: Abschließend: Neben dem TAX Circle waren Sie ja auch schon Vortragender auf der RuSt und auf der RECON, möchten Sie uns ein persönliches Highlight Ihrer Erfahrungen mit Business Circle mitteilen?
Wilplinger: Die Veranstaltungen im Rahmen des Business Circle sind sehr beeindruckend, da zahlreiche hochkarätige Experten teilnehmen. Zudem schätze ich den intensiven Austausch mit den Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen. Ich freue mich, wenn diese Formate auch wieder als Präsenzveranstaltung stattfinden können.
WP/StB Dr. Christian Wilplinger ist Tax Partner bei Deloitte. Tätigkeitsschwerpunkte: Steuerliche Beratung von Privatstiftungen, Private Clients und Kapitalgesellschaften, Umgründungs- und Transaktionsberatung, internationales Steuerrecht, Kapitalertrags- und Immobilienbesteuerung; umfassende Vortrags- und Publikationstätigkeit. Deloitte ist jedes Jahr als Lead-Partner beim Tax Circle vertreten.