Business Circle: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Koller, eingangs etwas Persönliches: Zu Ihren Forschungsschwerpunkten zählt auch die Streitbeilegung, was hat Sie bewogen, sich gerade in diesem Bereich zu spezialisieren?
Christian Koller: Es handelt sich um ein sehr dynamisches Rechtsgebiet, wobei mir vor allem die Komplexität grenzüberschreitender Fälle besonders angezogen hat. Darüber hinaus ist es im Lichte des Zusammenspiels von materiellem Recht und Verfahrensrecht besonders abwechslungsreich.
BC: Aus Ihrer Perspektive als Hochschullehrer: Ist angesichts aktueller Trends wie Legal Tech / Künstliche Intelligenz, New Work und ESG die juristische Ausbildung an der Universität noch zeitgemäß aufgestellt oder müsste etwas reformiert werden?
Koller: Die bestehenden Lehrpläne sind ausreichend flexibel, um diesen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Die rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien ermöglicht im Rahmen eines sehr breiten Wahlfachkorbangebots Spezialisierungsmöglichkeiten in ganz unterschiedlichen Rechtsgebieten, wie etwa auch im Bereich der Digitalisierung des Rechts. Im Wahlfachbereich bieten wir auch stets Lehrveranstaltungen zu ganz aktuellen Themen und Trends an. Aktuell bspw Ringvorlesung zu den Themen Künstliche Intelligenz und Recht sowie zum Klimarecht im intra- und interdisziplinären Dialog.
BC: Gibt es besondere Unterschiede in der Handhabung der Sanierungstreuhand in Österreich im Gegensatz zu anderen Ländern, insbesondere im EU-weiten Vergleich?
Koller: Auf EU-Ebene haben in den vergangenen Jahren vorinsolvenzliche Restrukturierungsverfahren viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen; hier hat sich ein veritabler Wettbewerb der Rechtsordnungen entwickelt. Mit der Sanierungstreuhand vergleichbare außergerichtliche Sanierungsinstrumente existieren auch in anderen Mitgliedstaaten, etwa in Deutschland. Da es sich um ein Geflecht aus mehreren Vereinbarungen handelt, bereitet ein Rechtsvergleich größere Schwierigkeiten.
Was die Rechtsabteilung tun muss
BC: „Keep me out of trouble“: Welche rechtlichen Risiken bestehen, wenn das Verbot der Einlagenrückgewähr missachtet wird? Und wie insbesondere die Rechtsabteilung eines Unternehmens dazu beitragen, Risiken und Schaden von der Geschäftsführung abzuwenden?
Koller: Bei einem Verstoß gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr trägt der Empfänger der Leistung das Risiko, die erhaltene Leistung rückersetzen zu müssen. Die Rechtsabteilung des Unternehmens muss bei der Ausgestaltung der Sanierungstreuhand darauf achten, dass eine sogenannte „Drittvergleichsfähigkeit“ vorliegt; die Rechtsprechung definiert das wie folgt: Erforderlich ist, dass das Geschäft dem Fremdvergleich standhält und auch dann so geschlossen worden wäre, wenn kein Gesellschafter (kein einem Gesellschafter nahestehender Dritter) daraus einen Vorteil zöge.
BC: Welche Anfechtungsrisiken bestehen bei der Sanierungstreuhand im Rahmen eines Insolvenzverfahrens und welche Maßnahmen können ergriffen werden, um diese Risiken zu minimieren?
Koller: Die Anfechtungstatbestände der Insolvenzordnung, die bei der Sanierungstreuhand in Betracht kommen reichen von der absichtlichen Gläubigerbenachteiligung bis hin zur Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit. Um das Anfechtungsrisiko zu minimieren, ist es etwa zentral, dass die Sanierungstreuhand ein Element eins tauglichen Sanierungskonzepts bildet.
BC: Aus der Praxis: Welche Faktoren müssen gewährleistet sein, damit die Sanierungstreuhand erfolgreich zur Unternehmenssanierung beigetragen kann?
Koller: Um das zu erfahren, würde ich Ihnen empfehlen, an der RuSt 2024 teilzunehmen, hier will ich nicht „spoilern“.
BC: Abschließend: Sie werden heuer zum dritten Male auf der RuSt vortragen, möchten Sie Ihren Eindruck von dieser Konferenz mit uns teilen?
Koller: Die RuSt zählt nicht nur zu den bestorganisierten Veranstaltungen, an denen ich bisher vortragen durfte, sondern bietet auch ein einzigartiges Forum für einen fruchtbringenden Austausch zwischen Lehre und Praxis.
BC: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Koller, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und Ihr gutes Feedback zur RuSt. Wir freuen uns, Sie im Oktober wieder bei uns zu begrüßen!
Univ. Prof. Dr. Christian Koller ist Professor für Europäisches und internationales Zivilverfahrensrecht an der Universität Wien. Von September 2019 bis Oktober 2020 war er Inhaber des Lehrstuhls für Zivilgerichtliches Verfahren an der Universität Innsbruck. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen neben der Streitbeilegung vor allem auch das Restrukturierungs- und Insolvenzrecht. Im Rahmen der 28. RuSt ist er Co-Gastgebert eines Workshops zum Thema „Sanierungstreuhand in der Krise und Insolvenz“.