Business Circle: Herr Dr. Kranebitter, die Kanzlei Fellner Wratzfeld und Partner - fwp - ist seit Jahren im Bereich der rechtlichen Begleitung von Restrukturierungen führend. Was macht dieses Beratungsfeld besonders und worauf kommt es an?
Florian Kranebitter: fwp hat sich von Beginn an auf den Bereich der Beratung in der vorinsolvenzlichen und kritischen Phase konzentriert. Die Herausforderungen aber gleichzeitig die großen Chancen liegen darin, zunächst scheinbar nicht in Einklang zu bringende Interessen richtig zu filetieren und in ein Gesamtkonzept zu gießen, das letztendlich auch in der subjektiven Wahrnehmung der verschiedenen Stakeholder zu einer Win-win-Situation führt. Ein Momentum, das nur in dieser Phase möglich ist und nur über einen grundsätzlich konsensorientierten Beratungsansatz gelingen kann. Mein fwp Partner Dr. Markus Fellner war hier einer der ersten im österreichischen Umfeld, der ein unglaubliches Fingerspitzengefühl bei der Frage beweist, über die richtige Wahl der Strukturen und Mittel der Restrukturierungsvereinbarung verschiedene Interessen in Einklang zu bringen. Diese Kultur der konsensorientierten Beratung prägt auch heute den Weg von fwp in der Restrukturierungspraxis und macht diesen Weg so erfolgreich.
BC: Spielen hier die aktuellen Entwicklungen, ein (Post-)COVID Umfeld und die neue Restrukturierungsordnung eine Rolle?
Kranebitter: Zweifelsfrei. Mitte Juli 2021 ist in Österreich die Restrukturierungsordnung in Kraft getreten, die, basierend auf der Europäischen Restrukturierungsrichtlinie, als Insolvenzprophylaxe einen präventiven Restrukturierungsrahmen zur Verfügung stellt. Das Verfahren steht bei „wahrscheinlicher Insolvenz“ aber grundsätzlicher Bestandfähigkeit zur Verfügung. Blickt man nach Deutschland, wo mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz das Parallelgesetz bereits seit Anfang 2021 in Kraft ist, fällt die Bilanz bei erster Betrachtung zunächst ernüchternd aus. Leuchtturmfälle fehlen und die Zahl der nach dem Verfahren eingeleiteten Fälle liegt in einem extrem niederschwelligen Bereich. Es kommt hier aber meiner Meinung nach auf die „Dunkelziffer“ an und so gehen wir davon aus, dass die Grundstrukturen und Mittel, die die Restrukturierungsordnung vorgibt, vermehrt in die außergerichtliche Sanierung übernommen wurden und werden. Einige sehen die Restrukturierungsordnung auch als zusätzliches „Drohpotential“ für Unternehmen gegenüber ihren Gläubigern, was insgesamt die Fälle der (außergerichtlichen) Restrukturierung auch aus dieser Motivlage heraus erhöhen könnte. Ich würde aber gerne bei der Diktion „Chance“ bleiben, wie gesagt mit einem Ausblick auf die Schaffung einer Win-win-Situation für alle Stakeholder.
Ein Paradigmenwechsel bei der Gläubigerklassifikation
BC: Und welche Mittel und Strukturen sind das konkret?
Kranebitter: Um ein „Highlight“ hervorzuheben, so trifft das sicherlich auf den nun ins Gesetz übernommenen Paradigmenwechsel für Österreich zu, dass nunmehr die Bildung von Gläubigerklassen möglich ist. Nicht alle Gläubiger über einen Kamm zu scheren, sondern Gläubiger in einzelne Gruppen mit vergleichbaren Forderungen und Interessen einzuteilen, war schon bisher in der außergerichtlichen Insolvenzberatung ein erfolgreiches Mittel, den Konsens zwischen allen Stakeholdern zu erzielen. Mit der grundsätzlichen Gleichbehandlung und einem Minderheitenschutz ist die richtige Balance zu finden. Auch dazu bietet die Restrukturierungsordnung Orientierungshilfen. Österreich (und Europa) findet hier letztendlich auch Anschluss an internationale Strukturen in der gesellschafts- und insolvenzrechtlichen Restrukturierungswelt, was auch die Kultur für grenzüberschreitende außergerichtliche Sanierungsfälle fördern wird. Denken wir beispielsweise an das US-amerikanische Chapter 11 Verfahren oder das in England etablierte Scheme of Arrangement.
BC: Ist die Restrukturierungsordnung damit bloß eine gute Anleihe für die außergerichtliche Restrukturierung?
Kranebitter: Das würde ich nicht uneingeschränkt bestätigen. Die Restrukturierungsordnung bietet zusätzliche interessante Mittel, die ohne Konsens zwischen allen Beteiligten nur schwer oder nicht realisierbar sind. Beispiele dafür sind ein erweiterter Anfechtungsschutz für restrukturierungsbezogene Transaktionen und Zwischenfinanzierungen sowie eine (vorinsolvenzliche) Vollstreckungssperre gegen das Vermögen des Schuldners, die Möglichkeit eines Cross-Class-Cram-Down – das bedeutet im Wesentlichen, dass der Restrukturierungsplan trotz fehlender Mehrheitserfordernisse in jeder der Gläubigerklassen unter bestimmten Rahmenbedingungen dennoch gerichtlich bestätigt werden kann – sowie ein auf Finanzgläubiger reduziertes „vereinfachtes Restrukturierungsverfahren“, das vor allem dann ein geeignetes Instrument sein kann, wenn die außergerichtliche Restrukturierung an einzelnen Finanzgläubigern (sogenannten „Akkordstörern“) scheitern würde. Ein besonderes Defizit der Restrukturierungsordnung liegt allerdings darin, dass die Rolle der Anteilsinhaber leider unterbeleuchtet geblieben ist. Mit Ausnahme einer proklamatischen Regelung, dass die Anteilsinhaber die Bestätigung und Umsetzung eines Restrukturierungsplans nicht grundlos verhindern oder erschweren dürfen, sind der Restrukturierungsordnung die in der Restrukturierungspraxis in der Regel wichtigen Eigentümerbeiträge fremd.
BC: Vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf den 31. August 2021 in Wien.
RA Dr. Florian Kranebitter, LL.M. ist Partner der unter anderem auf Rest-rukturierungen spezialisierten Wirtschaftssozietät Fellner Wratzfeld & Partner (fwp). Im Rahmen des Unternehmensjuristen Circle am 31. August 2021 in Wien spricht er gemeinsam mit Grant Thornton Partnerin Dr. Gerda Leimer zum aktuellen Restrukturierungsumfeld.