Business Circle: Liebe Frau Mag. Tautscher! Eingangs eine Frage, die sich bei Digitalisierungsprojekten immer stellt: Werden Unternehmensjuristen in Zukunft überflüssig sein oder wird das Aufgabenspektrum viel interessanter und erfüllender werden, weil mehr Zeit bleibt, sich auf Wesentliches, wie zum Beispiel Strategien zu konzentrieren?
Katja Tautscher: Ich glaube, dass die Digitalisierung uns Juristen extrem helfen wird, repetitive und administrative Dinge so gut wie möglich auszulagern und uns auf die spannenden Bereiche zu konzentrieren. Ich glaube nicht, dass Juristen ersetzbar sind, weil wir viel mehr bieten, als nur den Gesetzestext runterzubeten und „nein“ zu sagen. Wir interpretieren das Recht, wir helfen unseren Kolleg:innen, Projekte umzusetzen, wir vertreten unsere Unternehmen und das wir weder ein ChatGPT tool noch sonst eine Digitalisierungsinitiative übernehmen können.
BC: Daran anschließend: wie gelingt es am besten, Sorgen zu zerstreuen und das Team ins Boot zu holen?
Tautscher: Indem man zeigt, welche Innovationen es am Markt gibt und was sie können (und was nicht).
BC: Im immateriellen Bereich ist es sicher schwierig, an gute Kennzahlen und Messgrößen zu kommen, solange noch nicht alle Prozesse digitalisiert sind. Haben Sie inzwischen weitere Kennzahlen außer den Kosten für die externe Rechtsberatung etabliert?
Tautscher: Schwierig. Wir verwenden Transaktionsvolumina und Streitwerte, ich kenne auch Unternehmen, die anhand des Unternehmensumsatzes die Größe der Rechtsabteilung festlegen, ich glaube aber nicht, dass diese KPIs aussagekräftig sind. Am ehesten passen noch benchmarks mit vergleichbaren Unternehmen. (Aber – welches Unternehmen ist schon vergleichbar…)
BC: Daran anschließend eine Frage, welche Inhousejuristen immer beschäftigt: Wie kommunizieren Sie Ihre Erfolge und gegenüber Stakeholdern und dem Vorstand?
Tautscher: Klappern gehört zum Handwerk – ich versuche, unsere Leistungen offen und mit Selbstbewusstsein zu kommunizieren. Am einfachsten gelingt das bei gewonnenen Rechtsstreitigkeiten, aber auch bei Transaktionen versuche ich, offensiv zu berichten und auch Bewusstsein zu schaffen, welche Themen wichtig sind und wir durchsetzen konnten.
BC: Welche Empfehlung hätten Sie an junge Menschen, die eine Karriere als Legal Counsel anstreben?
Tautscher: Offen für Neues sein. Auch über den juristischen Tellerrand zu schauen. Keine Angst vor Zahlen zu haben und wirklich versuchen, das Business zu verstehen.
Rechtsabteilung als strategischer Partner und Automatisierung von Standardprozessen
BC: Wenn Sie die Situation von vor 5 Jahren mit der heutigen vergleichen und extrapolieren: was wird sich durch Digitalisierung im Rechtsbereich bis 2028 voraussichtlich am meisten verändert haben?
Tautscher: Ich glaube, dass die Rechtsabteilung noch mehr zum sparring partner für strategische Themen wird, da die 08/15 Probleme oder Themen (zB Firmenbucheingaben, einfache Verträge, repetitive Anfragen) automatisiert werden. Allerdings sollte man sich keine Illusionen machen – Automatisierung bedeutet, dass man Leute in der Rechtsabteilung braucht, die für die Wartung der Tools zuständig sind und die auch sicherstellen, dass die richtigen Informationen ins Tool eingespeist werden.
BC: Abschließend etwas Persönliches: Wir gehen jetzt schon seit über 10 Jahren einen Teil des Weges gemeinsam, worauf freuen Sie sich bei der RuSt am meisten?
Tautscher: Auf die Interaktionen mit meinen peers und Freunden.
BC: Liebe Frau Mag. Tautscher, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie wieder bei uns zu begerüßen!
Mag. Katja Tautscher, MBA, LL.M. leitet seit 2022 die Rechtsabteilung der OMV Gruppe. Davor leitete sie die Rechts- und Complianceabteilung der Borealis AG, war Partnerin bei Wolf Theiss Rechtsanwälte und European Legal Counsel bei einem US-amerikanischen Konzern. Im Rahmen der 27. RuSt ist Sie am 12. Oktober zusammen mit Prof. Dr. Stephan Breidenbach Gastgeberin eines Workshops zum Thema „Rechtsabteilung goes Digital – you can’t teach an old pony new tricks – oder doch?“
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