Im Vorfeld unserer Fachtagung zur neuen Europäischen Aktionärsrechterichtlinie am 1. Oktober 2019 in Wien beleuchten Regine Siepmann und Michael H. Kramarsch der hkp/// group, welche Änderungen sich konkret für börsennotierte Unternehmen in Österreich ergeben.
Dramatische Wende "Say on Pay"
Beginnend in 2020 werden laut dem am 2. Juli 2019 im Nationalrat verabschiedeten Aktienrechts-Änderungsgesetz 2019, das die Bestimmungen der Europäischen Aktionärsrechterichtlinie in nationales Recht umsetzt, die Hauptversammlungen börsennotierter Unternehmen wesentlich stärker in Entscheidungen zur Vorstandsvergütung einbezogen. So müssen Aktionäre u. a. alle vier Jahre ihr Votum zur Vergütungspolitik, damit ist das Vergütungssystem gemeint, abgeben. Ab 2021 muss die Hauptversammlung zudem in jedem Jahr über den Vergütungsbericht abstimmen.
Investoren wollen den Pay for Performance-Bezug der Vergütung klar und unternehmensübergreifend nachvollziehen.
Diese neuen gesetzlichen Vorgaben des Say on Pay bedeuten bis auf wenige Ausnahmen selbst für das Gros der im ATX notierten größten Unternehmen in Österreich eine dramatische Wende. Zwar gibt es mit dem Unternehmensgesetzbuch und dem Österreichischen Corporate Governance Kodex bereits heute Vorgaben zur individualisierten Veröffentlichung der Vorstandsvergütung, aber eine einheitliche Best Practice im Vergütungsausweis hat sich daraus bisher nicht gebildet. Investoren wollen allerdings den Pay for Performance-Bezug der Vergütung klar und unternehmensübergreifend nachvollziehen, was Forderungen zu mehr Standardisierung und Transparenz mit sich bringen wird.
Anpassungsprozess mit reichlich Lehrgeld
Unternehmen in anderen europäischen Ländern haben diesen Anpassungsprozess bereits bewältigt und dabei reichlich Lehrgeld gezahlt. So mussten im Nachbarland Deutschland im Geschäftsjahr 2017 drei DAX-Unternehmen eine mehrheitliche Ablehnung des Vorstandsvergütungssystems durch die Hauptversammlung hinnehmen. Die Gründe dafür waren im Einzelfall sehr individuell, lassen sich aber in der Gesamtperspektive auf einige wenige Punkte zusammenfassen: fehlende Nachvollziehbarkeit bei den Performance-Mechanismen in Vorstandsvergütungssystemen, ein grundlegender Mangel an Transparenz in der Vergütungskommunikation bzw. im übergreifenden Engagement-Prozess sowie Defizite in der Unabhängigkeit von Aufsichtsräten.
Umso wichtiger ist es, nicht erst kurz vor einer Hauptversammlung den Dialog mit den relevanten Investoren aufzunehmen.
Allerdings ist es nicht gerechtfertigt, allein die Unternehmen „an den Pranger zu stellen“. So hat sich bereits in den Diskussionen seit Beginn dieses Jahres gezeigt, dass auch auf Investorenseite große Lücken bei den konkreten Anforderungen an Unternehmen in puncto Gestaltung, Abstimmung und Kommunikation von Vorstandsvergütung bestehen. Selbst von den führenden globalen Investorengruppen wird oft Widersprüchliches gefordert. Nicht selten entsprechen die mündlich geäußerten Anforderungen zudem nicht dem schriftlich fixierten – oft dürren – Forderungskatalog.
Verantwortung und Detailkenntnis
Umso wichtiger ist es, nicht erst kurz vor einer Hauptversammlung den Dialog mit den relevanten Investoren aufzunehmen. Mit Blick auf die eigene Größe und Bedeutung als Investment großer Kapitalsammelstellen sollten selbst ATX-Unternehmen dabei einkalkulieren, nicht sofort einen Gesprächstermin zu bekommen. Auch gilt es, sich von vornherein auf die zentralen kritischen Fragen von Investoren gut vorzubereiten.
Der intensiv und oft auch recht kategorisch geführte Dialog mit Investoren dürfte dabei für einige Aufsichtsratsvorsitzende gewöhnungsbedürftig sein. Aber gerade sie sind heute als der zentrale Ansprechpartner gefragt. Investoren erwarten dabei Verantwortung und Detailkenntnis. Wer als Aufsichtsrat zu Fragen der Ausgestaltung eines Vorstandsvergütungssystems allein auf einen externen Berater, IR-Vertreter oder gar den Vorstand selbst verweist, hat das Nachsehen.
Fazit
Die Umsetzung der Europäischen Aktionärsrechterichtlinie zwingt die börsennotierten Unternehmen Österreichs in puncto Gestaltung, Transparenz und Kommunikation der Vorstandsvergütung in eine Zeitenwende. Anders als in vielen anderen EU-Staaten liegen bisher kaum Erfahrungswerte zum Thema Say on Pay vor. Zieht man Parallelen aus anderen Ländern mit größerer Say on Pay-Tradition, so zeigt sich, dass viele österreichische Unternehmen mit ihren derzeitigen Vergütungssystemen und -berichten den neuen Anforderungen von Investorenseite nicht gerecht werden. Der Handlungsbedarf ist groß und die Zeit bis zur Hauptversammlung 2020 kurz!
Veranstaltungs-Tipp
Vorstandsvergütung nach der neuen Europäischen Aktionärsrechterichtlinie
Fachtagung | 1. Oktober 2019, Wien
Die Autoren
Regine Siepmann, Partnerin und Leiterin Board Services, hkp/// group
Michael H. Kramarsch, Managing Partner hkp/// group