Business Circle: LeReTo ist ja ein Unternehmen, das ja quasi zum Urgestein der Legal Tech Szene im DACH-Raum zählt. Was ist heute anders als 2016?
Dr. Veronika Haberler: Man muss weniger erklären, was sich hinter dem Begriff „Legal Tech“ verbirgt. Die Menschen sind technologischen Neuerungen deutlich aufgeschlossener gegenüber, als noch 2016. Gerade die österreichische Legal Tech Community hat sich als kreativer Impulsgeber europaweit einen Namen gemacht.
BC: Sie haben mit LeReTo Trends gesetzt oder vorangetrieben: Was zeichnet Sie und Ihr Team als Innovatoren aus?
Haberler: Was unser Team auszeichnet, ist, dass wir sehr früh auf Multidisziplinarität gesetzt haben. Wir haben Rechtswissenschaften mit Soziologie, IT und user-zentrierter Produktentwicklung kombiniert. Insofern haben wir schon Legal Tech und Legal Design gelebt, als es diese Begriffe hier noch gar nicht gab. Diese Tugenden des Legal Tech sind sicherlich Teil unseres Erfolgs. Wir entwickeln Produkte, die wir selbst auch gerne verwenden!
BC: Woran arbeitet Ihr Team gerade?
Haberler: Wir haben uns der digitalen Wissensarbeit und juristischen Recherche verschrieben. Dabei versuchen wir immer, unseren User:innen so viele Klicks wie möglich abzunehmen.
Aktuell analysieren wir den OGH-Datensatz mittels Machine Learning und Legal Network Analysis, um Relevanzen der Rechtsprechung quantitativ und qualitativ zu erfassen und vorherzusagen. Warum wir das tun: Wir generieren so Metadaten, die dabei helfen, wichtige Judikate von unwichtigen zu unterscheiden.
Ansonsten arbeiten wir mit unseren Kooperationspartnern intensiv daran, analoge Medien mit den Vorteilen digitaler Tools zu verknüpfen. Dazu möchte ich aber noch nicht allzu viel verraten.
BC: Dieses Jahr werden Sie bei der Vienna Legal Tech - VLT22 ein Panel zu Open Data und digitaler Wissensarbeit leiten. Inwiefern ist Open Data für juristische Anwender:innen relevant?
Haberler: Open Data nimmt in der juristischen Arbeit den wichtigsten Stellenwert überhaupt ein. Bei unseren Veranstaltungen fragen wir regelmäßig danach, welche Datenbanken bzw Suchtechnologien genutzt werden. Die Open Data Portale wie RIS, rechtsprechung-im-internet und EUR-Lex werden ausnahmslos immer am häufigsten genannt. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung und das geltende Recht sind einfach die Basis der juristischen Tätigkeit.
Ein Wiedersehen ist nach 2 Jahren schon überfällig
BC: Worauf freuen Sie sich schon besonders?
Haberler: Ganz besonders freue ich mich natürlich darauf, mich mit der Legal Tech Community aus dem DACH-Raum auszutauschen. Ein Wiedersehen ist nach 2 langen Pandemiejahren ja schon überfällig. Das Event kombiniert alles, was es meines Erachtens für Innovation in der Rechtsbranche braucht: Expert:innen unterschiedlicher Fachrichtungen, Anwendungsbeispiele aus Praxis und universitärer Forschung, und nicht zuletzt, Akteur:innen aus Justiz, Wirtschaft, Anwaltschaft und Technik produktiv zusammenzubringen.
BC: Liebe Frau Dr. Haberler, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!
Dr. Veronika Haberler, MAS, MLS beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit Innovation und Digitalisierung in der Rechtsbranche, Legal Tech und juristischer Datenanalyse. Sie ist CEO und Co-Gründerin des Wiener Legal Tech-Startups LeReTo, das innovative Recherche-Tools für Jurist:innen entwickelt. Als promovierte Soziologin forscht und publiziert sie an der Schnittstelle empirische Sozialforschung und Recht, wobei ihr besonderes Interesse der Gestaltung juristischer Arbeitsprozesse, der Integration digitaler Lösungskonzepte in Workflow-Strukturen sowie Userinterface-Design gilt.