Die fachliche Leiterin Mag. Franziska Lehner, BRZ, nahm den Faden gleich auf. Im BRZ ist sie verantwortlich für das Portal justizonline.gv.at. Auch wenn Corona viele Digitalisierungsprojekte beschleunigt hat, und sich jetzt alle freuen, sich endlich wieder live zu treffen, so sind Online- Lösungen sind gekommen, um zu bleiben.
Andreas Voßkamp, BASF: Unternehmen zukunftsfähig aufstellen, bevor es irgendwo brennt.
BASF mit Hasuptsitz in Ludwigshafen am Rhein ist der weltweit größte Chemiekonzern und Andreas Voßkamp als Head of Global Legal berichtete in seiner Eröffnungs-Key Note über die Transformation der Rechtsabteilung sowie Möglichkeiten und Grenzen von Legal Tech. Legal Tech ist für ihn weder Selbstzweck, noch Allheilmittel, sondern ein Baustein neben vielen. Die Reorganisation der Rechtsabteilung begreift er als kontinuierlichen Prozess, da sich auch die Anforderungen ständig ändern. Ein „So, jetzt haben wir es geschafft, jetzt haben wie die optimale Struktur“ kann es nicht geben, Abläufe und Arbeitsweisen müssen immer wieder neu erfunden werden. Digitalisierung und Automatisierung kann dabei helfen, einen stärkeren Fokus auf Strategie und Entscheidungen legen zu können. Anhand einiger vorgestellter Use-Cases warnte er vor allem davor, den Trade-off zwischen Aufwand und Kosten aus den Augen zu verlieren. Mit Updates fortschreiben, Templates anpassen, weiterem Konfigurieren und dergleichem darf die Prozesspflege nicht mehr Aufwand verursachen als man auf der anderen Seite durch Automatisierung spart. Die Zukunft der Rechtsabteilung sieht er als starken Business Partner für die Unternehmensleitung. Mit einem schmunzelnden Seitenblick auf die vielen anwesenden Anwälte bemerkte er abschließend, dass sich das meiste Geld bei Kanzleikosten einsparen lasse.
Christian Öhner und Alexander Frühmann: Warum Tekkies anders ticken als Juristen, und was sich diese abschauen können
Dr. Christian Öhner ist Partner bei PwC Legal und sprach aus einer klassischen Anwaltsperspektive. Dr. Alexander Frühmann ist Spezialist dafür, neue Prozesse zu implementieren und umzusetzen. In ihrem pointierten Vortrag konnte sich die Vortragenden einige Seitenhiebe auf das typischerweise risikoaverse Mindset mancher Anwälte nicht verkneifen. Legal Tech-Lösungen zu implementieren, muss aber ganz anders funktionieren: schnell rangehen, schnell scheitern, neu aufsetzen, weiterentwickeln, so wie das eben auch im Silicon Valley gemacht wird. Und auch wenn es einem gesetzten General Counsel oder Namenspartner einer Kanzlei schwerfällt, muss manchmal auch akzeptiert werden, dass sich ein 25-jähriger Techniknerd in der aktuellen Materie einfach besser auskennt. Legal Tech erfordert nicht nur technischen, sondern auch psychologischen Aufwand.
„Wir wollen bei denen sein, die in 10 Jahren noch da sind“: Wie Markus Laurer die Rechtsabteilung der Wien Energie organisiert
Wien Energie hat schon 2018 – also noch lange bevor jemand an Lockdowns dachte – mit flexiblem Arbeiten begonnen und entsprechend schon einige Voraussetzungen geschaffen. Eine Effizienzsteigerung in der Rechtsabteilung soll immer darauf gerichtet sein, Anfragen (noch) kompetenter beantworten zu können, Automatisierung wiederkehrender Prozesse ist kein Mitarbeiter-Abbau-Programm. Eine Wunderlösung gibt es nicht und gerade in einem Unternehmen mit so vielen Kunden wie Wien Energie werden immer wieder Fälle auftreten, die noch kein Programmierer vorhersehen konnte.
Wenn es ernst wird: Internal Investigation als e-Discovery
Rolf Kühne ist Regional Director bei Consilio in Zürich und war zuvor bei einer großen schweizerischen Bank an einem umfangreichen Untersuchungsprojekt beteiligt. Internal Investigation und Fraud Detection sind Fälle, in denen es gerade für eine Rechts- oder Copmplianceabteilung sehr herausfordernd werden kann und man sich mit Terabytes an Daten, explodierenden Kosten und Zeitdruck konfrontiert sieht. Es geht darum, die Datenmenge senken und die Relevanz steigern bis sich die Nadel im Heuhaufen offenbart.
Mit „what to automate an what not” holte Kathrin Sharoozi, Wolf Theiss die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wieder aus der Kaffeepause. Sie präsentierte ein Projekt zur digitalen Immobilienentwicklung inklusive aller Hürden uns Stolpersteine, die es dabei gab und was daraus gelernt werden kann. Manchmal sind es nur wenige kleine Stellschrauben, die über Erfolg und Misserfolg, beziehungsweise Akzeptanz oder Nicht-Akzeptanz einer innovativen Lösung entscheiden.
Thomas Seeber, Kunz Wallentin RAe: Selbst die beste Technik ist nutzlos, wenn das Team nicht mit an Bord ist.
Dr. Seeber eröffnete mit einem Spruch aus seiner Tiroler Heimat: „Geld und Angst haben wir nie gehabt“ und erklärte auch gleich, warum das im Hinblick auf Datensicherheit nicht ausreichend ist. Anhand der Einführung eines selbst entwickelten Speichertools für den E-Mailverkehr in seiner Kanzlei gab er einige wertvolle Erfahrungen mit. Der Faktor Mensch bleibt auch bei technischen Anwendungen entscheidend, und die Begeisterung für den Einsatz künstlicher Intelligenz muss sich über das „doing“ entwickeln. Wenn sich gleich zu Anfang kurzfristige anwenderfreundliche Verbesserungen bemerkbar machen, ist auch die Akzeptanz im Team viel größer, als wenn sich jeder zunächst durch 120 Seite Manual arbeiten muss.
Die Podiumsdiskussion: Erfolgreich den Weg zur Digitalisierung ebnen
Mit Astrid Kohlmeier, Clemens Lanschützer, Wolfgang Raschka und Andreas Schmelzer bestand das Diskussionspanel aus einem Anwalt, einem Legal Counsel sowie zwei Personen, die schon einen weiten Weg im Legal Tech-Bereich gegangen sind. Die Diskussion entspann sich entlang der Fragen, wie man mit Digitalisierung und Informationsmanagement umgeht, wie man Prozesse verschlankt und wie man die externe und interne Mandantenerfahrung verbessern kann. Einig war man sich, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist und nicht alles, was digitalisiert wird, automatisch gut wird. Idealerweise freuen sich die User auf ein neues Tool, weil ihre Ideen und Anforderungen in den Entwicklungsprozess eingeflossen sind.
Lina Krawietz und Alisha Andert und der Umgang mit Recht, Mensch und Tech
In diesem Workshop ging es sehr interaktiv los und das wurde gleich begeistert aufgenommen: "Interviewt Euch gegenseitig zu Pain und Pleasure in der Arbeit mit Gesetzestexten. Und dann fragt Euch "WARUM?". Die Ideen sprudelten und wer wollte, konnte dann einige Geistesblitze vortragen. Es gab einige Aha-Erlebnisse und viele konnten konkrete Ideen für ihre tägliche Arbeit mitnehmen.
Und weiter zu neuen Ufern: Franziska Lehner betonte in ihrer Zusammenfassung, dass man bei wirklich neuen Projekten nur aus den eigenen Fehlern lernen kann, weil es Erfahrungsberichter Anderer eben noch nicht gibt. Wer wirklich etwas neu machen will, muss fehlertolerant sein – gerade als Juristin.
In seinem Schlusswort dankte Moritz Mirascija allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die offenen Diskussionen und den kritischen und wertvollen Input, während der wie im Flug vergangenen eineinhalb Tage. Er glaube tief und fest daran, dass die digitale Revolution im Legal Bestand hat und gekommen ist um zu bleiben und deswegen muss auch weiter an Mindset und den Skills gearbeitet werden. Zusammen mit dem Business Circle Team freut er sich auf die Vienna Legal Tech 23 und darauf, wieder interessante Gesichter, Stimmen und Perspektiven zusammenbringen zu dürfen.