Noch gibt es unterschiedliche Ansichten zu mehreren strittigen Punkten. Der Ratsvorschlags vom 13. April 2022 zielt darauf ab, Regulierung, Aufsicht, Transparenz und Rechenschaftspflicht im gesamten Markt für Green Bonds weiter zu stärken, währen das Parlament hier noch einige inhaltliche Änderungen anbringen möchte. Dennoch ist diese vorläufige Einigung ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu den ersten „Best-in-Class“-Standards für die Ausgabe grüner Anleihen.
Bisherige Erkenntnisse:
Im Wirtschaftsraum der EU werden weltweit die Hälft aller grüner Anleihen ausgegeben (Quelle: Climate Bonds Initiative – Sustainable Debt Global State of the Market 2021). Die bisher bestätigten Details zeigen, dass diesen Zahlen Rechnung getragen wurde und die EU einen großen Schritt zu einem „grüneren“ Markt macht. Weiters wurden grüne Anleihen an den gesamten grünen Wandel des Unternehmens geknüpft und ein Rahmen für die Offenlegung anderer grüner und nachhaltigkeitsbezogener Anleihen geschaffen. Damit gibt es auch einen Rahmen für Green Bonds, die ihre Nachhaltigkeitsansprüche ernst nehmen, aber die strengen Standards des vielgepriesenen „Goldstandards“ (EUGBS) noch nicht ganz erfüllen können.
Die Offenlegungspflichten
In seinem Bericht vom Mai 2022 legte der Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON) des EU-Parlaments den wohl am meisten diskutierten Änderungsantrag zum Vorschlag des EU-Rates vor. Darin wird vorgeschlagen, dass zu allen „Anleihen, die als grün oder ökologisch nachhaltig vermarktet werden“, also „Green-Deal-Anleihen“, wie ICMA-konforme Green Bonds und CBI-zertifizierte Klimaanleihen, Informationen bereitgestellt werden sollten, welche im Wesentlichen die gleiche spezifische, standardisierte Offenlegung vornehmen, die der Rat für Emittenten vorgeschlagen hatte, die bereit sind, sich dem EUGBS anzuschließen.
Mit den Ankündigungen vom 28. Februar wurde in Bezug auf den EUGBS ein Mittelweg erreicht:
Alle Unternehmen, die den Standard dafür verwenden, ihre Anleihen zu vermarkten, müssen Informationen vor und in regelmäßigen Abständen nach der Emission offenlegen, die Folgendes abdecken:
• Wie die Erlöse der Anleihe verwendet werden und wurden, um zum taxonomiekonformen Umsatz, den Kapitalausgaben (CapEx) und den Betriebsausgaben (OpEx) des Emittenten beizutragen
• Wie diese Investitionen in die Transformationspläne des Emittenten als Ganzes einfließen.
Emittenten, die nicht alle Anforderungen erfüllen, um sich für das EUGBS zu qualifizieren, erhalten unverbindliche Richtlinien für Anforderungen vor und nach der Emission sowie für regelmäßige Offenlegungspflichten, die in Musterformaten dargelegt werden. Alle Unternehmen, die sich für diese Anforderungen entscheiden, müssen außerdem den Mindestanteil der Anleiheerlöse angeben, der für ökologisch nachhaltige Aktivitäten gemäß Artikel 3 der Verordnung (EU) 2020/852 („EU-Taxonomie“) verwendet werden soll.
Die Einführung des EUGBS erfordert daher von Unternehmen, die sich für die Nutzung des Standards entscheiden, auch, sich allgemeinen zur grünen Transformation zu verpflichten. Es soll für Anleger garantiert sein, dass alle mit dem EUGBS-Label ausgegebenen Anleihen taxonomiekonform sind. Gleichzeitig soll das Vertrauen in Anleihen gestärkt werden, die von Unternehmen ausgegeben werden, die sich für die ehrgeizigen Transparenzanforderungen des EUGBS entschieden haben.
Flexibilität
Während sich alle Parteien von Anfang an über die Anforderung einig waren, dass die Erlöse aus EUGBS-konformen Anleihen zu 100 % gemäß der EU-Taxonomie verwendet werden sollten, haben sie auch die Notwendigkeit erkannt, eine gewisse Flexibilität zu erhalten, bis der Taxonomierahmen vollständig eingerichtet und funktionsfähig ist. Es soll ermöglicht werden, Erlöse bis zu einem bestimmten Anteil Wirtschaftsaktivitäten zuzuordnen, die den Taxonomieanforderungen entsprechen, für die jedoch noch keine technischen Überprüfungskriterien festgelegt wurden.
Obwohl der Rat hierfür zunächst einen Anteil von 20 % vorschlug, stimmten die Gesetzgeber letztendlich zu, dass es im Rahmen des EUGBS eine Flexibilitätsreserve von 15 % geben wird. Sie wiesen darauf hin, dass es sich dabei natürlich um eine vorübergehende Maßnahme handelt, um die Auswirkungen des derzeit noch unvollständigen Anwendungsbereichs der EU-Taxonomie zu begrenzen. Im Zuge des weiteren Übergangs Europas zur Klimaneutralität werden die Standards weiter evaluiert und bewertet. Das soll sichterstellen, dass der EUGBS von Beginn seiner Existenz an genutzt wird.
Die Rolle Externer Gutachter
Es wird ein Registrierungs- und Aufsichtssystem für externe Gutachter eingerichtet werden, diese sollen beurteilen, ob ein European Green Bond allen Anforderungen entspricht. Im Großen und Ganzen wird das dem in den ICMA- und CBI-Grundsätzen festgelegten Konzept folgen und im Zuständigkeitsbereich der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) verankert sein.
Der EUGBS schreibt vor, dass alle tatsächlichen oder auch potenziellen Interessenkonflikte ordnungsgemäß identifiziert, beseitigt oder gehandhabt und auf transparente Weise offengelegt werden. Damit soll das Vertrauen in externe Prüfberichte erhöht und externe Prüfprozesse optimiert und reguliert werden.
Es können technische Standards entwickelt werden, die die Kriterien zur Bewertung des Umgangs mit Interessenkonflikten spezifizieren.
Wie es weitergeht
Mehrere wichtige Fragen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, da der endgültige Text noch nicht veröffentlicht wurde. Eines davon ist ein oft übersehenes, aber dennoch entscheidendes Merkmal des EUGBS zur Erleichterung von Übergängen. Dieses vom Parlament im Mai 2022 eingeführte Merkmal ändert Artikel 6 des ursprünglichen Verordnungsvorschlags. Damit sollen Emittenten, die Investitionspläne erstellen und veröffentlichen, die Möglichkeit haben, die Erlöse aus ihren europäischen grünen Anleihen nicht nur für Aktivitäten zu verwenden, die mit der EU-Taxonomie übereinstimmen, sondern auch für solche, die in ihren Investitionsplänen so ausgewiesen sind, dass sie die Anforderungen der EU-Taxonomie innerhalb eines bestimmten Zeitraums erfüllen. Es bleibt derzeit abzuwarten, ob dieses Merkmal im vereinbarten endgültigen Text beibehalten wurde.
In jedem Fall hat die Vereinbarung bisher nur vorläufigen Charakter, da sie noch vom Rat und vom Europäischen Parlament bestätigt und angenommen werden muss. Sie wird dann 12 Monate nach ihrem Inkrafttreten anzuwenden sein.
Danach ist aber noch mehr Ungewissheit zu erwarten, es bleibt das Hindernis der Benutzerfreundlichkeit der EU-Taxonomie. Im Bericht der Platform of Sustainable Finance vom Oktober 2022, in dem die Empfehlungen zu Daten und Benutzerfreundlichkeit der EU-Taxonomie dargelegt werden, werden diese verschiedenen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Taxonomie ausführlich erörtert und von Branchenvertretern wie der ICMA und der CBI weiter ausgeführt. Diese verschiedenen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Taxonomie müssen angegangen werden, wenn sie die Einführung der neuen Norm nicht behindern sollen, die laut Paul Tang, Berichterstatter für das Europäische Parlament, "eine Welt für sich ist, die sich von den derzeitigen Marktstandards unterscheidet".
Kurzfristig ist davon auszugehen, dass der Markt für grüne Anleihen, der sich stark nach den Green Bond Principles der International Capital Market Association richtet, das EUGBS nicht so schnell oder nicht so bereitwillig annehmen wird wie erhofft. Dennoch wird die Annahme voraussichtlich unvermeidlich sein, da die neuen Offenlegungsempfehlungen des EUGBS das Risiko erhöhen, dass, wie Tang behauptet, "alle grünen Anleihen, die dieses System nicht verwenden, wahrscheinlich mit zunehmendem Misstrauen betrachtet werden".
Dieser Artikel erschien zuerst im englischen Original auf der Website von Baker McKenzie.
Die Autorinnen:
RA Dr. Eva-Maria Ségur-Cabanac, LL.M. ist Partnerin bei Baker McKenzie in Wien mit Schwerpunkt auf M&A und Kapitalmarkttransaktionen. Darüber hinaus ist sie Teil des Leadership Teams der globalen ESG Praxis von Baker McKenzie und berät EU und nicht EU Unternehmen im Zusammenhang mit den wachsenden rechtlichen Anforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit und ESG. Am 12. Oktober 2023 spricht sie auf der RuSt - Jahrestagung für Unternehmensrecht zum Thema „Update Lieferkette“.
Adam Farlow, Megan Schellinger und Lisa Nielsen Board sind Teil des Londoner Teams von Baker McKenzie