Richtlinienvorgaben der EU zur Verhinderung der Steuerflucht
Die Notwendigkeit, die aufgrund der COVID-19-Krise geleerten Kassen der EU und jener ihrer Mitgliedstaaten wieder zu füllen, hat die Bemühungen verstärkt, Maßnahmen zu setzen, um der Verlagerung von Steuersubstrat in Niedrigsteuerländer und Steueroasen entgegenzutreten. Dies geschieht einerseits durch die Vorgabe von Richtlinien der EU, die Mitgliedstaaten zu materiellrechtlicher Gegenwehr zwingen, wie zB ATAD I und ATAD II und die voraussichtlich bevorstehende Einführung einer Digitalsteuer und einer globalen Mindestbesteuerung, andererseits durch die ständige Erweiterung der Amtshilfe innerhalb der EU. Folgend auf die durch „DAC 6“ („DAC steht für „Directive on Administrative Cooperation“) seit 1.7.2020 bestehenden Verpflichtung von Beratern und Steuerpflichtigen, aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen an den Fiskus zu melden, wurde Ende März 2021 „DAC 7“ verabschiedet, die Betreiber digitaler Vermittlungsplattformen verpflichtet, ab 1.1.2023 die vermittelten Geschäfte anzuzeigen um den Mitgliedstaaten eine Besteuerung der von den Anbietern erwirtschafteten Gewinne zu ermöglichen. Durch DAC 7 sollen auch grenzüberschreitende Betriebsprüfungen, sogenannte „Joint Audits“ erleichtert werden. Und die im Entwurf vorliegende Richtlinie „DAC 8“ soll den Steuerverwaltungen der EU Informationen liefern, um Steuerpflichtige zu identifizieren, die in Zusammenhang mit Krypto-Assets und E-Money Gewinne erwirtschaften, um damit Steuerbetrug und -hinterziehung einzudämmen.
Schwarze und graue Listen unkooperativer Staaten
Bereits vor 25 Jahren hat der Rat der EU einen „Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung“ verabschiedet, der schädlichem Steuerwettbewerb, der Steuervermeidung, -hinterziehung und dem Rechtsmissbrauch durch in der EU ansässige Steuerbürger entgegenwirken soll. In diesem Kodex sind Kriterien aufgelistet, anhand derer einerseits die „Steueroaseneigenschaft“ eines Staates beurteilt werden soll, andererseits den Mitgliedstaaten vorgeschlagen wird, welche Abwehrmaßnahmen gegen die Gewinnverlagerung in solche Staaten getroffen werden sollten. Die vom Rat eingesetzte Arbeitsgruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ hat den Auftrag, diese Leitlinien laufend zu überarbeiten und Staaten im Hinblick auf Transparenz und Kooperationsbereitschaft im Steuerbereich einem Evaluierungsverfahren zu unterziehen.
Im Jahr 2017 wurde im Rahmen einer Schlussfolgerung des Rates der EU erstmals eine „schwarze Liste“ nicht kooperativer Länder und Gebiete herausgegeben, die zuletzt Mitte Februar 2021 aktualisiert worden ist und das nächste Mal im Oktober 2021 überarbeitet werden soll. Auf einer „grauen Liste“ sind jene Staaten genannt, die zwar noch nicht alle von der EU als schädlich beurteilten Mängel ihres Steuersystems beseitigt haben, jedoch Reformen zugesagt haben. Findet sich ein Staat auf der „schwarzen Liste“, sind die EU-Mitgliedstaaten vom Rat dazu anzuhalten, steuerrechtliche Abwehrmaßnahmen zu setzen. So soll zB Zahlungen, die an schwarz-gelistete Staaten fließen, die steuerliche Abzugsfähigkeit versagt werden, Quellensteuern auf solche Zahlungen erhoben bzw die Steuerfreistellung von Beteiligungserträgen verweigert werden, wenn diese aus Gesellschaften stammen, die in einem dieser Staaten ansässig sind. Im Verwaltungsbereich sollen Geschäftsbeziehungen zu diesen Steueroasen durch verstärkte Berichtspflichten und Betriebsprüfungen einer besonderen Risikokontrolle unterliegen.
Auf der „schwarzen Liste“ der EU finden sich derzeit 12 Staaten, die vom Hauch der Exotik umgeben sind und die Sehnsucht nach Urlaub an Palmenstränden wecken. Wie zB Domenica, Fidschi, Panama, Samoa oder die Seychellen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die damit beschäftigte Arbeitsgruppe der EU die für mangelnde Kooperationsbereitschaft eines Staates im Steuerbereich maßgeblichen Kriterien anpasst und die Liste künftig erweitert.
Auswirkungen der „schwarzen Liste“ der EU im österreichischen Steuerrecht
Österreich hat im Rahmen des COVID-19-Steuermaßnahmengesetzes (BGBl I 2021/3) auf die Schlussfolgerungen des Rates der EU reagiert. Der politischen Vorgabe der EU, mindestens eine der empfohlenen Abwehrmaßnahmen gegenüber den auf der „schwarzen Liste“ genannten Staaten zu setzen wurde nachgekommen, indem im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung und des Methodenwechsels (§ 10a KStG) festgeschrieben wurde, dass eine ausländische Körperschaft das Kriterium der Niedrigbesteuerung allein deshalb erfüllt, weil sie in einem der gelisteten Staaten ansässig ist. Auch nach dem EU-Meldepflichtgesetzes (BGBl I 2019/91 idF 2020/96), mit dem DAC 6 in österreichisches Steuerrecht übernommen wurde, ist vorgesehen, dass in Österreich steuerlich abzugsfähige grenzüberschreitende Zahlungen zwischen zwei oder mehreren verbundenen Unternehmen dem BMF zu melden sind, wenn der Empfänger in einem Staat ansässig ist, der in der „schwarzen Liste“ der EU genannt ist. Und das Wohlverhaltensgesetz (BGBl I 2021/11) sieht vor, dass sich Unternehmen, die COVID-19-Förderungen in Anspruch nehmen wollen, steuerlich wohlverhalten müssen. Das setzt unter anderem voraus, dass das Unternehmen keinen Sitz und keine Niederlassung in einem der von der EU gelisteten Staaten hat und dort überwiegend „Passiveinkünfte“ erzielt.
Ein Blick über die Grenze zeigt, dass Deutschland beabsichtigt, die vom Rat der EU in seiner Schlussfolgerung vorgegebenen Maßnahmen wesentliche umfassender umzusetzen. So werden in einem Referentenentwurf eines „Steueroasen-Abwehrgesetzes“ aus Februar 2021 schwere Geschütze gegen die gelisteten Steueroasen aufgefahren, indem Deutschland den Gesamtkatalog der von der EU empfohlenen Maßnahmen zur Abwehr von Geschäftsbeziehungen zu Steueroasen anwenden will.
Globale Mindestbesteuerung
Auch das von der OECD entwickelte „Zwei Säulen-Konzept“ einer neuen Weltsteuerordnung dürfte in der Zielgeraden sein. Wenngleich nach diesem Konzept ursprünglich nur große Anbieter digitaler Dienstleistungen (zB Google, Apple, Facebook) im Fokus standen, sollen die neuen Besteuerungskonzepte nun eine breite Anwendung finden. Nach Säule I soll es zu einer Neuverteilung von Besteuerungsrechten kommen, indem Konzerne – unabhängig von einer physischen Präsenz – auch dort Steuern zahlen sollen, wo Umsätze erzielte werden. Durch Säule II soll eine globale Mindestbesteuerung sichergestellt werden, die – so die ersten Ansätze – 10 bis 15 % betragen soll, aus der Sicht der US-Regierung allerdings 21 %. Es wird erwartet, dass sich das Inclusive Framework der OECD, das sich derzeit aus 139 Staaten zusammensetzt, noch 2021 auf die beiden Konzepte einigt, die in den EU-Mitgliedstaaten wohl aufgrund einer zu erwartenden Richtlinienvorgabe umgesetzt werden müssen. Ein weiterer Schritt, um die Flucht in Steueroasen zu verhindern.
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Der Autor: StB Prof. Dr. Stefan Bendlinger ist Partner der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH in Linz. Er ist Fachautor, Vortragender, Lektor an Universitäten und Fachhochschulen uns stv. Leiter der Arbeitsgruppe „Internationales Steuerrecht" des Fachsenats für Steuerrecht der KSW. Er ist im Fachbeirat des TAX Circle sowie regelmäßiger Vortragender auf der Jahrestagung für Recht & Steuern – RuSt.
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