Herr Posavac, welche (neuen) Rechte ergeben sich für Aktionäre durch die Beschlussfassung des BörseG 2018?
In der neuen Fassung des Börsegesetzes (BörseG) wurden in diesem Jahr die Änderungen der zweiten, europaweiten Aktionärsrechterichtlinie umgesetzt. Dies bringt zahlreiche Veränderungen und Bestimmungen für Emittenten, Intermediäre, Investoren und Stimmrechtsberater. Dabei gibt es neue Rechte und Pflichten, über welche die unterschiedlichen Marktteilnehmer Bescheid wissen sollen. Im Grunde sollte die Novelle die Mitwirkung der Aktionäre bei börsegelisteten Unternehmen fördern, aber auch anderen Stakeholdern neue Möglichkeiten einräumen.
Konkret wurden in Österreich, im Gegensatz zu Deutschland und anderen europäischen Ländern, die erweiterten Bestimmungen in dem neuen Teil „Aktionärsrechte“ des BörseG umgesetzt, welches sowohl Emittenten, Intermediäre und Investoren betrifft. Für Emittenten finden sich dort die Themen der neuen Aktionärsidentifikation und Transparenz bei Investoren und Stimmrechtsberatern geregelt. Auch wenn hier international eigentlich mehr Transparenz für Emittenten geschaffen werden sollte, ist durch die Offenlegungsschwelle von 0.5 Prozent der gehaltenen Stimmrechte hierbei leider kein großer Wurf passiert. Emittenten haben zwar am kommendem Jahr die Möglichkeit, mehr Informationen zu ihren Aktionären und über die Verwahrkette anzufordern, allerdings beschränkte der österreichische Gesetzgeber dieses Recht, anders als in anderen Ländern, mit 0.5 Prozent. Demnach werden die absolute Vielzahl von Investoren der Offenlegungsanfrage nicht folgen müssen, wodurch die erhöhte Transparenzmöglichkeit nicht ausgenützt wurde. Man hat hier eine tolle Möglichkeit zum Informationsgewinn für die Emittenten verspielt.
Intermediäre sind am meisten mit diesen Veränderungen beschäftigt, denn die Verwahrkette ist nun verpflichtet, Informationen zu Investoren unverzüglich weiterzuleiten, in der Abgrenzung zum Datenschutzrecht findet man hier aber ein noch nicht gelöstes Problem vor. Weiters sind Intermediäre verpflichtet, Investoren die Teilnahme an Hauptversammlungen erleichtern (auch grenzüberschreitend) entweder durch Vorkehrungen, die es dem Aktionär ermöglichen selbst sein Stimmrecht auszuüben, oder durch Ausübung des Stimmrechts durch den Intermediär für den Aktionär mit dessen ausdrücklicher Genehmigung.
Aber auch Investoren bzw. Aktionäre sind von der Umsetzung betroffen, teilweise mit erweiterten Rechten, aber auch mit neuen Pflichten. Die neue Bestimmung soll die Transparenz erhöhen und bessere Anlageentscheidungen ermöglichen. Institutionelle Anleger haben zudem eine Richtlinie und Dokumentation zur Mitwirkungspolitik zu veröffentlichen, worin Anlagestrategie, Kommunikation mit Emittenten, Abstimmungsverhalten und Umfang mit Interessenkonflikten dargestellt sein sollen. Weiters soll ein jährliches Update geliefert werden, wie die jeweilige Anlagestrategie zur Wertentwicklung der Vermögenswerte des institutionellen Anlegers oder des Fonds beitragen.
Ein weitere Fokus liegt bei der Umsetzung auf den Proxy Advisors, den Stimmrechtsberatern. Diese sind verpflichtet, eine öffentliche Richtlinie bzw. einen Kodex einzuhalten und darüber Bericht zu erstatten, wie bzw. warum sie etwaige Empfehlungen zu Tagesordnungspunkten der Emittenten abgegeben haben.
In Summe gibt es also eine Menge von Änderungen und neuen Möglichkeiten, die zum Teil noch nicht ganz klar geregelt sind. Auch wenn ein Großteil dieser Beschlüsse erst im September 2020 in Kraft tritt, müssen sich Gesellschaften und Intermediäre jetzt darauf vorbereiten.
Viele Emittenten beschäftigen sich seit den angekündigten Änderungen auch mit Themen wie Vorstandsvergütung oder Cybersecurity. Wie ist das geregelt, bzw. welche Veränderungen können österreichische Emittenten seitens der internationalen Investoren erwarten?
Tatsächlich sind dies Themen, die vor allem Unternehmen beschäftigen und wo wir zahlreiche Risikopunkte sehen und Probleme erwarten. Durch die Novelle der Aktionärsrechterichtlinie und deren Umsetzung ist nun in Österreich zum ersten Mal in der der Hauptversammlung eine Abstimmung zur Vergütungspolitik und den Vergütungsbericht vorzusehen. Dies soll der Incentivierung von Managementvergütung mit Unternehmensperformance (und demnach Unternehmenserfolg auch für alle Aktionäre) dienen. Ab der HV-Saison 2020 werden die Gesellschaften verpflichtet, mindestens alle vier Jahre die Vergütungspolitik für Vorstand und Aufsichtsrat abstimmen zu lassen, ein Novum für Österreich. In anderen Ländern ist dies bereits seit Jahren Praxis (zb. Frankreich, UK, Schweiz, Deutschland etc). Demnach müssen sich börsegelistete Gesellschaften nicht nur mit den österreichischen rechtlichen Anforderungen auseinandersetzen, sondern vielmehr auch die Vergütungsstruktur, Vergütungsbericht und Dokumentation auf die Anforderungen der internationalen Stakeholder abstimmen und „kapitalmarktfit“ gestalten. Es ist bereits jetzt abzusehen, dass österreischische Emittenten an den internationalen Standards gemessen werden.
Hierbei wird es wahrscheinlich einige Überraschungen geben, da die Richtlinien der institutionellen Investoren und Stimmrechtsberater zum Thema Vergütung mehr als inhomogen sind und sehr hohe Transparenzanforderungen und Anforderungen an die Emittenten einschließen. Um diesen Anforderungen zu genügen sollte die Vergütungspolitik zum Beispiel:
- die Methodik zur Berechnung klar darstellen und mit der Erreichung der strategischen Zielen der Gesellschaft verknüpft sein,
- die Leistungskriterien der variablen Vergütung offen legen und die Mechanismen und Triggerpunkte genau erläutern,
- eine Gewichtung zwischen fixer und variabler Vergütung festlegen,
- die Komponenten der variablen Vergütung genau beschreiben und offenlegen (zb.Aktien, Optionen, Dienstwagen, Barmittel etc.)
- die Ausgewogenheit und „soziale Akzeptanz“ berücksichtigen (zb. Verhältnis von Vorstandsgehalt / durchschnittliches Mitarbeitergehalt) und schließlich
- sollte ein Peergroup-Vergleich und Verhältnismäßigkeitscheck zu Mitbewerbsunternehmen getätigt werden.
In Summe bedarf es hier viel Engagement und Investorenkommunikation seitens der Emittenten, um die erwartete Investorenkritik abzufangen. Wahrscheinlich werden viele Emittenten mit der erhöhten Transparenz und neuen Investorenerwartungen sowie einem Fokus auf eine langfristige variable Vorstandsvergütung anfangs noch nicht umgehen können.
Inwiefern kann Cyber Security überhaupt ein Thema für die Hauptversammlung sein?
Cybersecurity, genauso wie Human Capital Management (Nachfolgeplanung), Board Composition (Aufsichtsratszusammensetzung und -qualifizierung) sowie Vergütung und Nachhaltigkeit (ESG-Themen) sind wohl in diesem Jahr der erweiterte Fokus der institutionellen Investorenlandschaft, mit welchen sich Gesellschaften auseinandersetzen müssen. Das bedeutet, dass sich sowohl Management als auch Aufsichtsrat mit diesen Corporate Governance-verwandten Themen auseinanderzusetzen haben und die Unternehmensstrategie samt Risiken und Chancen darauf abzustimmen ist. Eine Vielzahl der größten internationalen institutionellen Anleger hat auch mittlerweile einen verstärkten Fokus auf Cybersecurity und Information-Security, welcher einen Hauptthemenblock des Risikomanagements auf der Investitionsseite darstellt, aber auch als wichtiges Governance Thema angesehen wird. Beispiele dazu sind z.B. Blackrock, Vanguard oder andere große Vermögensverwalter wie Norges Bank oder Allianz Global, die sich aktiv diesen Themen widmen. Emittenten sind deshalb angehalten, diese Thematik nicht nur als Teil der Unternehmensstrategie umzusetzen und zu behandeln, sondern auch nachweislich im Aufsichtsrat um Risikomanagement bemüht zu sein. Es kann gut sein, dass ein Investor auf der nächsten Hauptversammlung Fragen zu Zuständigkeiten beim Thema Cybersecurity stellt, z.B. wer im Aufsichtsrat für dieses Thema verantwortlich ist, welche Maßnahmen getroffen wurden und wie oft dieses Thema in welchen Sitzungen aufgegriffen wurde. Nachdem sowohl international als auch in Österreich bereits zahlreiche Fälle von Cybersecurity Skandalen aufgetreten sind, ist die Erwartungshaltung in dieser Thematik deutlich gestiegen.
In welche Richtung gehen weitere Reformbestrebungen? Wohin geht die Reise, worauf können wir uns 2021 gefasst machen?
Wie schon oben angesprochen ist vor allem der Themenbereich rund um Corporate Governance und ESG voller Dynamik. Welche rechtlichen Reformbestrebungen und Umsetzungspläne es gibt, müssen Juristen beantworten. Auf der Kapitalmarktseite ist es klar, dass vor allem institutionelle Investoren aktiv Druck ausüben werden, um Themen wie Vergütung, Aktionärsrechte, Kapitalbeschlüsse, Cybersecurity, Nachhaltigkeit und Klimawandel voranzutreiben. Sowohl Vorstände und Aufsichtsräte werden diese Themen ernst zu nehmen und darüber zu berichten haben.
Wir werden Themen wie Klimawandel, „Climate/Energy“ - Transition verstärkt sehen und erleben, wie diese bei Hauptversammlungen gegen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat gerichtet werden, wenn es mangelnde Transparenz und Ernsthaftigkeit geben sollte. In den kommenden zwei Jahren sehe ich aber vor allem weiter Vergütung, Vergütungspolitik, Related Party Transactions sowie auch Wirtschaftsprüfer und Board als Hauptthemen.
Andreas Posavac, MBA, BA ist Executive Director bei IHSMarkit und für den weltweiten ESG Service, Corporate Governance und die M&A Beratung verantwortlich.
Am 26. Jänner 2021 spricht er auf der Jahrestagung „AG-Hauptversammlung“