Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Jerabek, eingangs etwas Persönliches: Sie sind Steuerberater und Partner bei PwC Österreich, können Sie uns kurz Ihren Werdegang skizzieren, wie sind Sie zu dem gekommen, was Sie jetzt tun? Insbesondere, weil die Steuerberatung ja ein wenig an der Schnittstelle zwischen kaufmännischer und juristischer Bildung steht.
Richard Jerabek: Mein Werdegang verlief nicht ganz gerade: Nach einer technischen Ausbildung (HTL, Tiefbau) mit diversen Baustellenjobs bin ich dann über ein Wirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Finanzrecht in die Steuern "abgebogen". Bereits vor Abschluss des Studiums habe ich in Teilzeit bei PwC begonnen und bin seither vom Team und den interessanten sowie vielseitigen Klienten & Projekten nicht mehr losgelassen worden, quasi "nebenbei" habe ich noch die Steuerberaterausbildung absolviert und den Doktortitel erworben. Gerade die Eigenschaft als Querschnittsmaterie (Accounting, Steuerrecht, Gesellschaftsrecht) macht den Job so vielseitig bzw. herausfordernd und hat mich als Wirtschaftler mit Hang ins Juristische immer sehr gereizt.
BC: Was hat Sie beim Übergang von der Universität ins Berufsleben am meisten überrascht?
Jerabek: Der Übergang ins Berufsleben war bei mir ein schleichender Prozess. Zuerst einmal war es ein tolles Gefühl sich fast ausschließlich mit Themen beschäftigen zu dürfen die einen selbst begeistern, was auf der Uni ja nicht unbedingt immer der Fall war, und gleichzeitig dafür auch noch bezahlt zu werden. Andererseits wurde mir aber auch recht schnell bewusst, dass ich erst ganz am Anfang einer längeren "PwC-Journey" stand die viel Eigeninitiative und fachliche sowie persönliche Entwicklung abverlangt.
BC: Ähnlich wie vom Legal Counsel erwartet der Vorstand vom Steuerberater ein „Keep me out of trouble: Gibt es so etwas wie Faustregeln, ab wann man den legalen Bereich verlässt? Was ändert sich durch DAC 6?
Jerabek: Der legale Bereich ist ein oftmals ein Moving Target (va. wenn man steuerliche Problemstellungen und ihre Zugänge in der Praxis - so wie es zB. die Betriebsprüfung tut - rückwärtsgerichtet betrachtet). Sich hier auf "Faustregeln" zu verlassen kann gefährlich sein. Ein Approach der bei mir selbst aber oft hilft ist - neben einer fachlich fundierten Analyse - eine Person seines Vertrauens zu haben mit der man Problemstellungen brainstormen kann und dabei auch auf das eigene Bauchgefühl zu achten. Gerade wenn man das Gefühl hat sich potenziell in steuerlichen Grauzonen zu bewegen ist so ein "Bauchtest" manchmal recht hilfreich.
Was ändert sich durch DAC6?
Gerade weil das Thema "DAC6" sehr viele Grauzonen aufweist und eine fehlerhaft unterlassene Nicht- bzw. Falschmeldung das Management eines Unternehmens schnell den Vorwurf eines missbräuchlichen Fehlverhaltens bzw. aggressiver Steuerplanung einbringt darf das Thema nicht stiefmütterlich behandelt werden. Hier ist es die Verantwortung des Steuerberaters seinen Klienten durch pro-aktive und rechtzeitige Beratung "out of trouble" zu halten.
BC: Wie beurteilen Sie die aktuelle Legistik zu DAC6: Ist da ein großer Wurf gelungen oder entsteht nur zusätzlicher Aufwand für alle Steuerpflichtigen, ohne unerlaubte Modelle wirklich zu bekämpfen?
Jerabek: DAC6 soll nicht bloß unerlaubten Modelle bekämpfen sondern generell steuerpolitisch unerwünschte Transaktionen (von denen sind viele legal). Ob die hierfür geschaffene Legistik diesen Zweck erfüllt oder nicht kann man zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht final beurteilen (ua. deshalb, weil die meisten EU-Länder bis dato ihre Meldestatistiken nicht offen legen). Mein Eindruck der ersten paar Monate in denen die Meldeverpflichtung in Kraft ist deckt sich leider mit den bereits im Vorfeld geäußerten Befürchtungen. Die DAC6-Richtlinie und ihre nationale Umsetzung in den EU-Staaten (auch in Österreich) hat sehr viele Grauzonen und in der Interpretation der Regelungen durch die verschiedenen Finanzbehörden liegen leider "Welten". Daraus resultiert ein massiver administrativer Aufwand für Steuerzahler und ihre Berater. Der Benefit für die Finanzverwaltung besteht natürlich darin, dass sie interessante Transaktionen auf dem Serviertablett präsentiert bekommt und diese im Rahmen von Betriebsprüfungen nicht mehr so leicht übersieht. Ob dies den Meldeaufwand für sich rechtfertigt sei dahingestellt.
BC: Daran anschließend: was würden Sie hier verbessern?
Jerabek: In einem ersten Schritt sollten jedenfalls die vielen noch offenen inhaltlichen Fragen zur Auslegung des DAC6-Regelwerks seitens der Behörde transparent beantwortet werden (dzt. ein laufender Prozess). Dies trägt massiv zu einer erhöhten Rechtssicherheit bei. Weiters sollte ein laufender Dialog zwischen Beratung und Behörde zu dem Thema gewährleistet sein um die in der Praxis laufend "geborenen" Sachverhalte möglichst schnell für DAC6-Zwecke einordnen zu können.
BC: Was denken Sie zum Spannungsfeld von DAC6 und Brexit?
Jerabek: Der Rückzug von UK aus der EU und der damit verbundene Austritt von UK aus dem DAC6-Meldeverbund hat der Zielsetzung des Projektes natürlich geschadet. Es wird spannend sein zu sehen, ob der Brexit dazu führt, dass an sich meldepflichtige Transaktionen - statt über die EU - verstärkt über UK strukturiert werden.
BC: Etwas weitergreifend gefragt: Kann das Steuersystem dadurch gerechter werden?
Jerabek: DAC6 bettet sich in eine Vielzahl internationaler Projekte ein (Public CBCR, Pillar I und II, ATAD, BEPS) die das internationale Steuersystem gerechter machen wollen. Was in diesem Kontext als "gerecht" verstanden wird ist eine philosophische Frage die man in der gebotenen Kürze nicht sinnvoll beantworten kann. Wozu DAC6 sicher beitragen wird ist es internationale Steuerplanung transparenter zu machen und dabei auch zu zeigen welche Länder im internationalen Steuerwettbewerb besonders aktiv sind. Im Idealfall kann es auch dazu beitragen, ein aus der Zeit gefallenes und lückenhaftes internationales Steuersystem auf neue Beine zu stellen und fit für die Zukunft zu machen.
BC: Zum Abschluss etwas Persönliches: Sie haben ja 2020 auf der RuSt vorgetragen – möchten Sie den Eindruck Ihrer ersten Business Circle Konferenz mit uns teilen?
Jerabek: Die Veranstaltung in RuSt war für mich eine sehr interessante und spannende Erfahrung. Ich denke es gibt in Österreich nicht viele vergleichbare Formate die es einem ermöglichen sich in einem derart pesönlichen Rahmen mit Experten aus Beratung, Wissenschaft und Verwaltung abzustimmen.
StB Mag. Dr. Richard Jerabek ist Tax Partner bei PwC Wien. Er ist Mitglied der European Direct Tax Group von PwC, Mitglied des Fachsenats der Kammer der Wirtschaftstreuhänder sowie des D-A-CH-Steuerausschusses. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen im Bereich des internationalen Konzernsteuerrechts. Beim TAX Circle spricht er am 3. September 2021 in einem Workshop über die ersten Erfahrungen mit DAC 6.