„Wir werden mit COVID-19 die nächsten Jahre leben müssen. Jene Unternehmen, die ihre Prozesse nicht im Griff haben, werden sich in Zukunft schwertun“, betont Karl Heinz Land (neuland) in seiner Eröffnungs-Keynote. IT sollte deshalb zu einem Betriebssystem für Unternehmen werden, denn es braucht definitiv eine neue Denkweise. „Nicht das Auto ist entscheidend, sondern das Service rundherum. Wir werden auch nicht mit Produktion, sondern mit Service unser Geld verdienen“, so Land.
Process Mining als Hygieneprozess
Wil van der Aalst spricht in seinem Vortrag darüber, dass Unternehmen ihre Prozesse kennen müssen, um sie verbessern zu können. „If you like to improve processes, you need to know what is going on.” Er vergleicht Process Mining mit persönlicher Hygiene, der sogenannten Prozesshygiene, ähnlich dem Händewaschen. „Process Mining is a little bit like personal hygiene.“ Er ist der Meinung, dass sich die mitunter noch hohen Anschaffungskosten dann rentieren, wenn man Process Mining als großes Ganzes sieht. In einem einzelnen Projekt sei es aber unmöglich die hohen Kosten zu verantworten.
„If you like to improve processes, you need to know what is going on.“
Gerade wenn man mit neuen Tools zur Verbesserung der Prozesse arbeitet, ist das interne Mindset besonders wichtig. Nora Möbus (Nestle) betont, dass das Mindset immer an erster Stelle kommen muss, der Prozess dann an zweiter Stelle stünde. Am Ende eines Prozesses sollte man sich immer wieder die gleiche Frage stellen: „Laufen wir immer noch in die gleiche richtige Richtung?“
Pandemie als Digitalisierungsbeschleuniger
Es steht außer Frage, dass die herrschende Pandemie die digitale Transformation in Unternehmen beschleunigt hat. „In der Krise waren viele Themen, die wir in der Schublade hatten, plötzlich da, wurden verwendet und sind rasch viral gegangen. In der Zeit des Lockdowns haben sie einen neuen Boost bekommen“, meint Markus Hofer (Miba AG). Vor der Pandemie wurden viele Digitalisierungsprojekte inhaltlich eher stiefmütterlich behandelt, „es hat eine Zeit gegeben, da wurde alles digitalisiert und innoviert, das nicht bei drei auf den Bäumen war“, ergänzt Mark Winkler (Kapsch BusinessCom). Wobei oftmals digitalisieren als Synonym für modernisieren verwendet wurde und die Projekte inhaltlich nicht zu Ende gedacht wurden. Diese Zeiten haben sich nun geändert, sie sind ernster geworden, aber auch viel fokussierter. Anton Leitner (NÖM) betont, dass es in einem produzierenden Betrieb natürlich nicht möglich ist, 95 % der Belegschaft in Home-Office zu schicken, aber auch bei NÖM wurde die Zeit des Lockdowns genutzt und die geplante HANA-Migration durchgeführt. „Es waren weniger Leute im Office und deshalb war genug Kapazität zum Testen da“, betont er.
„In solchen Krisen gehen so manche Dinge unglaublich schnell, weil man irgendwie alternativlos ist. Man muss sich anpassen, auch erzkonservative Unternehmen. Schön wäre es, wenn Innovation auch in Nicht-Krisenzeiten stattfinden würde“, bringt es der Moderator der virtuellen Konferenz Sven Schnägelberger auf den Punkt. Auch Bernd Hientzsch (PRISMA) ist davon überzeugt, dass die gegenwärtige Pandemie viele Projekte angetrieben hat, so auch bei PRISAM: „Die Digitalisierung von Audits wäre ohne Corona nicht so schnell machbar gewesen“, berichtet er.
„In solchen Krisen gehen so manche Dinge unglaublich schnell, weil man irgendwie alternativlos ist“.
Holistischer Ansatz gefragt
„Kunden verhalten sich nicht immer so, wie es der Prozess definiert,“ meint Markus Murtinger (AIT). Es ist also wichtig, den gesamten Prozessablauf als holistischen Ansatz zu betrachten und nicht zerstückelt in seine Einzelteile. „Prozessmanagement ist ein Analyse- und Kommunikationsmittel, das unsere Vorstellungen, wie Abläufe verbessert werden können, näher zusammenbringen sollen und wir Lösungen finden, die dann auch in der echten Welt umgesetzt werden können“, meint Valentin Jäger (Taifun Tofu). Umso wichtiger ist es, Prozesse als dynamische Abläufe zu sehen und die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden und Stakeholder einzubeziehen. „Kundenprozesse definieren ganz neue Prozesslandschaften im Unternehmen“, ist Murtinger überzeugt.
Künstliche Intelligenz und PZM
Künstliche Intelligenz kann Prozessabläufe unterstützen und ergibt überall dort Sinn, wo z.B. monotone Tätigkeiten bisher von Menschenhand durchgeführt wurden. „Der Roboter ersetzt uns Schnittstellen, wir automatisieren damit monotone Arbeitsschritte“, erklärt Thomas Reithofer (WKÖ). Diese Anwendung könnte in Zukunft z.B. bei der Bearbeitung der digitalen Eingangspost Anwendung finden, oder etwa bei der Inhaltsanalyse oder Klassifizierungsvorschläge, um die Qualität noch weiter zu verbessern.
Gekommen um zu bleiben?
Die abschließende Paneldiskussion am zweiten Tag behandelte vor allem das Thema Remote Work und wie das in einzelnen Unternehmen seit Ausbruch der Pandemie gelebt wird. „Es hat erstaunlich gut geklappt“, resümiert Michael Baldauf (Raiffeisenverband Salzburg). Doch wie viel von dem was jetzt passiert, wird wirklich bleiben? „Remote Work hat Arbeitsprozesse verändert und ich erhoffe mir, dass diese auch verändert bleiben“, meint Bernd Hientzsch. In vielen Unternehmen zeichnet sich ab, dass New Work aktiv gelebt wird und künftig auch beibehalten werden soll.
Ob Process Mining, Artificial Intelligence, Automation oder Remote Work weiterhin eine gewichtige Rolle spielen werden, ob das Innovationstempo auch in Zukunft so bleiben wird, oder ob sich bereits völlig neue Schlüsselthemen am Horizont abzeichnen, bleibt abzuwarten. Wir sind gespannt.
Beim 16. Prozessmanagement-Forum am 10. und 11. Juni 2021 diskutieren wir wieder mit zahlreichen Experten und Expertinnen.