Das neue PwC-Ranking in Bezug auf ESG bescheinigt der heimischen Wirtschaft zwar durchaus Bemühen, ortet aber auch erhebliche Rückstände. Das Ranking analysiert die ESG-Performance von 123 heimischen Unternehmen, unterteilt in zehn Branchen. Das recht deutliche Gesamturteil unserer PwC-Expert:innen: „dringender Aufholbedarf“.
Es gibt also dringenden Handlungsbedarf. Wir haben uns bemüht, in unserem Ranking die neuen ESG-Rahmenbedingungen möglichst exakt abzubilden, um das deutlich zu zeigen. Wir müssen uns in Österreich dringend auf das Faktum vorbereiten, dass es die jüngst von der EU beschlossenen Berichtsstandards für Nachhaltigkeit umzusetzen gilt. Die "Corporate Sustainability Reporting Directive" (CSRD) sieht die Integration sämtlicher Nachhaltigkeitsaspekte in den Lagebericht vor. Damit wird die Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen in vielen berichtspflichtigen Betrieben direkt in die Vorstandsetage gebeamt. "Tue Gutes und sprich darüber" reicht bei Weitem nicht aus, wenn belegbare Zahlen in mehr als 100 Feldern - so die Vorgabe der “European Sustainability Reporting Standards” (ESRS) - transparent dargestellt werden müssen.
Bei den Finanzdienstleistern etwa erreichten die 23 im Ranking untersuchten Unternehmen im Schnitt lediglich 28 Prozent der theoretisch erreichbaren Punkte. Dabei liegt die Finanzbranche im Vergleich zu anderen Sparten noch gar nicht einmal schlecht, deutlich besser schneidet nur die Telekombranche mit einem Durchschnitt von 34 Prozent des erzielbaren Maximums ab. Abgeschlagen mit lediglich 15 Prozent: die Nahrungs- und Genussmittelindustrie.
Interessant auch: Gar nicht so wenige Unternehmen – verteilt über alle zehn untersuchten Brachen kamen sogar nur auf null Punkte. Auch weil einige von ihnen nicht einmal Daten zur Verfügung gestellt haben.
Viele heimische Unternehmen haben recht spät damit begonnen, sich mit dem Thema ESG als Managementansatz zu beschäftigen. Bei zahlreichen Unternehmen gab es den CSR-Fokus „Tue Gutes und sprich darüber“ statt „Steuere und reporte deine ESG-Performance“. In Österreich hat man eher zugewartet, statt proaktiv zu handeln. Jetzt gibt es viele Fragezeichen. Das, was die EU-Taxonomie sowie die kommenden nicht finanziellen Berichtspflichten nun tatsächlich bedeuten, kommt für einige schon ziemlich überraschend, es gibt Aha-Effekte. International wurde früher auf die Karte ESG gesetzt – im Gegensatz zum CSR-Zugang. Da hinken wir in Österreich nach.
Vier Empfehlungen für eine zukunftstaugliche ESG-Umsetzungsstrategie:
- Vom „Nice-to-have“ zum „Must-have“: CSDD-Richtlinie. Corporate Sustainability Due Diligence Directive – ein sperriger Name. Die EU regelt damit die Frage, wie weltweite Lieferketten sozial gerecht aufgestellt sind. Kinderarbeit, Menschenrechte – all das wird berücksichtigt. Unternehmen müssen sich vorbereiten. Roadmaps, Planungen, Gap- und Risikoanalysen sowie Umsetzungspläne sind nötig.
- ESG-Themen sind CEO-Agenda. „Tue Gutes und rede darüber“, das Grundprinzip bei unternehmerischen Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten, greift zu kurz. ESG-Themen werden zu einer Aufgabe im Verantwortungsbreich von CEOs oder von künftigen CSOs, also neu auf Vorstandsebene angesiedelten Corporate Sustainability Officers. Die gehören jedoch rechtzeitig gesucht und geschult.
- Vorsicht vor dem „Say-Do-Gap“. Klimaneutralität, Diversität, Menschenrechte, Gleichstellung, Korruptionsbekämpfung und mehr – die Liste ist lang. Bloße Listen reichen, wenn die ESG-Maßnahmen kontrolliert werden, aber nicht mehr. Was aufgelistet ist, muss dann auch mit Fakten belegt werden. CEOs, die sich nach der umfangreichen Präsentation ihrer ESG-Ziele zurücklehnen (man spricht vom „Say-Do-Gap“), könnten mit unruhigen Investoren konfrontiert sein.
- Entkoppelung von gesellschaftlicher Entwicklung und Naturzerstörung. Biodiversität wird eines der wichtigen Schlagworte der Zukunft sein, wenn es um das Thema ESG geht. Das in die Unternehmensstrategie und ins wirtschaftliche Handeln einzubetten, ist eine große Herausforderung für das Nachhaltigkeitsmanagement von Unternehmen in der Zukunft. Auch hier: Rechtzeitige Vorbereitung ist gefragt.
Mag. Agatha Kalandra, MBA ist Partnerin und Geschäftsführerin bei PwC Österreich und verantwortet das Management Consulting mit Schwerpunkt Finance Transformation.
Philipp Gaggl ist Director und Leiter für Environmental, Social, Governance (ESG) Beratung bei PwC Österreich.
PwC Österreich ist Lead-Partner des Austrian Sustainability Summit am 30. / 31. März 2023