Der im Rahmen des europäischen Green Deals veröffentlichte Vorschlag ergänzt bereits bestehendes EU-Recht und ist im Einklang mit anderen Verordnungen wie zB der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und der EU-Taxonomieverordnung. Ziel der Richtlinie ist die Verankerung von Umweltaspekten in den Geschäftstätigkeiten sowie die Förderung von verantwortungsvollem Handeln entlang von Wertschöpfungsketten. Themen im Fokus des Vorschlags sind Vorschriften in Bezug auf negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt, verpflichtende Übereinstimmung des Geschäftsmodells bzw. der Strategie mit dem 1,5 Grad Ziel sowie die Thematik der Haftung für verursachte Schäden. Außerdem werden allgemeine Bestimmungen wie in etwa Geltungsbereich und Kontrolle der Einhaltung der Sorgfaltspflicht behandelt.
Entwicklungen CSDDD
Im November 2022 hat der Rechtsausschuss des EU-Parlaments einen Änderungsvorschlag zum Richtlinienentwurf der EU-Kommission veröffentlicht. Dieser sieht insbesondere eine weitgehende Ausweitung des Anwenderkreises vor. Obwohl auch der Entwurf des Rates für eine beachtliche Verschärfung der bisherigen Richtlinie plädiert, sind sich die beiden Instanzen vor allem im Bereich der Definition des Begriffs Wertschöpfungskette, der zivilrechtlichen Haftung sowie im Umgang mit potenziellen negativen Auswirkungen uneinig. Auch das EU-Parlament vertritt eine weitaus strengere Position und schlägt eine enorme Ausweitung der verpflichteten Unternehmen vor. Auch hat der EU-Rat Anfang Dezember 2022 seine Verhandlungsposition („allgemeine Ausrichtung) zum Richtlinienentwurf der EU-Kommission festgelegt. Diese Entwicklungen verdeutlichen nochmals den langen Verhandlungsweg zur finalen Annahme der Richtlinie.
Überlappungen CSDDD, EU-Taxonomieverordnung, CSRD / ESRS
Der Ansatz zur Achtung der Sorgfaltspflichten bzw. zum (sozialen) Mindestschutz taucht in verschiedenen neueren EU-Vorschriften auf und befasst sich mit den negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten. Der sogenannte Mindestschutz gemäß Artikel 18 der EU-Taxonomie-verordnung (EU) 2020/852 soll sicherstellen, dass eine Wirtschaftstätigkeit nur dann als nachhaltig (taxonomiekonform) gelten kann, wenn sie auch internationalen Menschenrechtsstandards und Vorschriften zu Themen wie Bestechung und Korruption, Besteuerung und fairer Wettbewerb gerecht wird. Als Grundlage für diesen Artikel dienen die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die Leitprinzipien der Vereinten Nationen (UN Guiding Principles), die Grundprinzipien und Rechte aus den acht Kernübereinkommen der internationalen Arbeitsorganisation sowie die internationale Charta der Menschenrechte.
Die von EFRAG im November 2022 veröffentlichten Entwürfe der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattungsstandards (ESRS) legen auch sehr viel Wert auf robuste Due Diligence-Prozesse und Governance-Strukturen. So werden in den Kapiteln 4 und 5 des ESRS 1 die Nachhaltigkeits-Due Diligence-Aktivitäten behandelt und die Wertschöpfungskette definiert. Auch im Governance-Teil der ESRS-Standards wird der Bereich der Lieferketten thematisiert. Und zwar befasst sich der Standard G1-2 mit dem Management von Lieferantenbeziehungen, insbesondere mit der Frage, inwiefern ökologische und soziale Kriterien bei der Lieferantenauswahl berücksichtigt werden. Im Bereich Soziales setzt sich der ESRS S2 weiters mit den Richtlinien, Auswirkungen, Risiken und Chancen in Bezug auf die Mitarbeiter:innen entlang der Wertschöpfungskette auseinander und regelt die Offenlegung der gesetzten Maßnahmen und Ziele, um diese potenziell negativen Auswirkungen abzuschwächen oder zu vermeiden. Der ESRS S3 ist den lokalen Gemeinschaften gewidmet, die durch die Aktivitäten entlang der Wertschöpfungskette des Unternehmens betroffen sind, während der ESRS S4 die Auswirkungen auf die Konsument:innen und Endnutzer:innen behandelt. Die Verpflichtung zu einer nachhaltigen Wirtschaft, dem 1,5 °C-Ziel bzw. dem Ziel der Klimaneutralität bis 2050 spiegelt sich im ESRS E1-1 wider, in welchem der Transition plan for climate change mitigation vorgestellt wird. Abhängig davon, wie der Umfang der Wertschöpfungskette letztendlich festgelegt wird, könnte auch der Standard S1-17 von Relevanz sein. Dieser befasst sich mit Vorfällen und Beschwerden in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen innerhalb der eigenen Belegschaft des Unternehmens.
Ausblick
Nun bleibt abzuwarten, wie schnell die Verhandlung zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament abgeschlossen wird, wann es zu einer tatsächlichen Anwendung der Richtlinie kommt und in welchem Ausmaß sie gelten wird. Als Nächstes wird das EU-Parlament eine Stellungnahme abgegeben, auf Basis derer die Trilogverhandlungen stattfinden werden. Sollte alles nach Plan gehen, wird der Text der CSDDD im Jahr 2023 finalisiert, damit Mitgliedstaaten die Richtlinie bis zum Jahr 2025 in innerstaatliches Recht umsetzen können. Der frühestmögliche Anwendungszeitpunkt der Richtlinie für Großunternehmen wäre somit ab dem Geschäftsjahr 2026. Unternehmen sollten sich jedoch möglichst frühzeitig mit den Auswirkungen des Richtlinienvorschlags auseinandersetzen, da dieser sehr umfangreiche Prüf- und Dokumentationspflichten mit sich bringt.
Die Autorin: Shruti Athavale, MSc ist Managerin und ESG-Expertin bei KPMG in Wien. Ihre Themenschwerpunkte sind Themenschwerpunkte: CSDDD, Menschenrechte, Corporate Social Responsibility, Nachhaltigkeitsberichterstattung.KPMG ist Lead-Partner des 3. Austrian Sustainability Summit am 30. / 31. März 2023.