„Habt bitte keine Scheu vor der neuen technischen Oberfläche – nutzt die Möglichkeiten maximal aus.“
(Karin Bauer)
Karin Bauer betonte ihn Ihrer Begrüßung, dass jetzt tausende junge Menschen in einem „Warteraum der Zukunft“ stehen, daher sei sie Business Circle besonders dankbar, sich jetzt trotz aller Umstände der Frage nach der Zukunft der Lehre zu stellen und die virtuelle Konferenz durchzuführen.
Stephan A. Jansen (Professor an der Karlshochschule Karlsruhe, Unternehmen und Gründer) gab in seiner Eröffnungs-Keynote einen Überblick über das Lernen an sich. „ Der Mensch möchte nicht unterrichtet, er möchte unterhalten werden“. Lehrling ist man im übertragenen Sinne eigentlich immer, auch wenn man schon Magister oder promoviert ist. Insbesondere in Hinsicht auf digitale Kompetenz sind Lehrlinge oftmals weiter als ihre Ausbildner, weswegen Prof. Jansen die Zuhörer auch einlud, die Möglichkeiten der digitalen Konferenz voll zu nutzen. Anstatt seine Thesen vorzutragen, stellte er sie online und gab 10 Minuten Zeit, Zustimmung, Widerspruch und Nachfragen interaktiv auf ein padlet zu stellen. Nach 10 Minuten Vorbereitungszeit stiegen die TN in die Diskussion ein. Ein Lob der Dualen Bildung fände sich ja normalerweise in Sonntagsreden, deswegen freute er sich, dass sich so viele schon am Montagmorgen für die Zukunft der Lehre versammelt hatten.
Videobotschaft von Margarethe Schramböck:
Die Bundesministerin, die Business Circle schon seit ihrer Zeit bei A1 Telekom als Vortragende verbunden ist, stellte noch einmal heraus, wie wichtig Lehrlinge als Fachkräfte der Zukunft sind. Als Initiativen der Regierung stellte sie den Lehrlingsbonus vor stellte fest, dass Österreich jetzt die Personen ausbilden muss, die morgen etwas können sollen.
Mario Derntl (zukunft.lehre.österreich) untermauerte zu Beginn seines Vortrages noch einmal mit konkreten Zahlen das auch im Zuhörerkreis bekannte Problem, dass sich immer weniger junge Menschen für einen Lehrberuf entscheiden und stellte „zukunft.lehre.österreich“ als Gegeninitiative dazu vor. Der gemeinnützige, unabhängige Verein möchte unter anderem Menschen vor den Vorhang holen, deren Karriereweg mit der Lehre begonnen hat und sieht auch viel Potenzial darin, Lehrlinge verschiedenster Unternehmen auf Ebene der Bundesländer zu vernetzen.
Bernhard Hofer, talentify: Die richtigen Talente finden
„post and pray“ in sozialen Medien reicht nicht aus
Bernhard Hofer gab Praxistipps und Erfahrungen mit, um bei der Suche nach geeigneten Lehrlingen im „war for talents“ die Nase vorn zu haben. Man muss wissen, wo die Jugendlichen sind, und sie dort dann abholen. Dabei kann sich ein Inserat im örtlichen Feuerwehrblatt als effizienter erweisen als eine aufwendige Kampagne. Als Benchmark stellte er Talentscouts im Fußball vor, die auch permanent denn markt beobachten und nicht erst in Aktion treten, wenn ein konkreter Spieler gesucht wird. Außerdem sollten eigene Lehrlinge als Botschafter im Familien- und Freundeskreis eingesetzt werden – on- und offine.
Davorin Barudzija, Teach For Austria: What Recruitment can learn from E-Commerce
Teach For Austria ist eine Initiative, die begabte Hochschulabsolventen und -absolventinnen einstellt, damit diese für 2 Jahre an Schulen unterrichten, deren Schüler besonders oft aus einkommensschwachen, bildungsfernen Familien kommen. Damit leisten sie einen Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit. Aus der Art und Weise, wie diese „Fellows“ rekrutiert werden, lässt sich auch viel für das Lehrlingsrecruiting lernen. Davorin Barudzija stellte einige seiner Social Media-Kampagnen vor. Dabei betonte er, wie wichtig Authentizität ist, wenn die richtige Sprache nicht gesprochen wird, wird auch die Kampagne scheitern. Ein echtes Handyvideo mit echten Lehrlingen erzeugt mehr Aufmerksamkeit und Glaubhaftigkeit als eine Hochglanz-Broschüre mit Fotos aus einer Modellagentur.
Anika Zöpfl, Salzburg AG, stellte die neue Employer Branding Strategie ihres Unternehmens vor. Auch wenn die Salzburg AG derzeit noch sehr gut dasteht, ist abzusehen, dass durch die demographische Entwicklung der Teich, in dem man angelt, immer kleiner wird. Daher gilt es, jetzt rechtzeitig anzufangen und im Lehrlingsrecruiting die Digital Natives abholen. Ziel der Kampagne ist es dabei nicht nur, neue Lehrlinge zu finden, sondern auch dafür zu sorgen, dass Lehrlinge im Betrieb bleiben und ihre Lehre erfolgreich abschließen. Neben den Jugendlichen selbst wurden auch die Eltern als wichtige Zielgruppe erkannt. Projekte innerhalb dieser Strategie sind beispielsweise Willkommensabende für die Eltern oder ein eigener youtube-Kanal, auf dem Lehrlinge selbstgedrehte Videos posten können.
Diskussion: Neue Wege gehen ... Diversity & Chancengerechtigkeit
Andreas Lechner, MEGA Bildungsstiftung | Benjamin Rödig, Wiener Linien | Klemens Riegler-Picker, Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung und Anna Steiger, TU Wien diskutierten unter der Moderation von Karin Bauer darüber was zu tun ist, damit aus einer „Generation Corona“ nicht eine „Generation AMS“ wird. Die Lage war vor Corona schon dramatisch, hat sich bisher aber noch nicht wesentlich weiter verschärft. Neben einem besseren Schnittstellenmanagement zwischen Schulen und Lehrbetrieben kommt es darauf an, schon bei den Jüngsten ansetzen, um Basiskompetenzen wie Rechnen, Schreiben und Sprachbeherrschung und darüber hinaus auch eine gewisse Eigenverantwortung früh zu erlernen. Außerdem sollte früh kommuniziert werden, was eine Lehre ausmacht und welche Vorteile sie bringt.
Lehrlinge on Tour – 4 Filialen, 6 Tage, 100% Verantwortung
Barbara Hargassner von Lidl Österreich nahm uns auf eine Reise in ihr Untermnehmen mit und erläuterte, dass die duale Ausbildung ein besonders erfolgreiches Konzept im europaweiten Verbund des Lidl-Konzerns ist, das auch schon viele Auszeichnungen bekommen hat. Was macht Lidl nun anders (besser) als viele andere?
Frau Hargassner stellte das Projekt „Lehrlinge on tour“ vor: Ein Team von Lehrlingen übernimmt für eine Woche die komplette Regie in einer Filiale. Das funktioniert nicht nur reibungslos und erfolgreich, sondern kommt auch bei den Lehrlingen sehr gut an, die stolz und motiviert sind, ein solches Projekt gemeistert zu haben.
Die Extra-Meile gehen – für wen, wenn nicht für die nächste Generation?! Sabina Schatzl, Brau Union Österreich
Die Brau Union bildet derzeit 72 Lehrlinge in 10 verschieden Lehrberufen aus, damit hat sich die Lehrlingsquote seit 2014 verdoppelt. Wo liegt nun die Extra-Meile der Brau Union? Gerade bei jungen Leuten, die noch keine Arbeitserfahrung haben, ist das „onboarding“ sehr wichtig, der erste Lehrtag wird als Willkommenstag zelebriert, außerdem gibt es für die Lehrlinge neben den klassischen Ausbildnern auch Mentoren, die ihnen beispielsweise erklären, wie man sich für ein Mitarbeitergespräch vorbereitet.
Podiumsdiskussion: Rückenwind für die Lehrlingsausbildung – Was brauchen Lehrlinge und Betriebe nach Corona?
- Victoria Engelhardt, SPAR
- Alfred Freundlinger, WKO
- René Pfister, Austrian Airlines – wobei Herr Pfister mit seinem Handy eine Tour über das Betriebsgelände der AUA zeigte und immer vor neuen Hintergründen zu sehen war.
- Christian Schendlinger, Stadt Wien
Moderation: Robert Frasch, lehrlingspower.at
Man war sich einig, dass der Stellenwert der Lehre ist von der Coronakrise nicht betroffen ist, gerade in der Krise zeigt sich, wie wichtig es ist, Handwerk und Technik zu beherrschen. Um den Erhalt der Lehre in Österreich zu sichern, ist es vor allem wichtig, dass die möglichst viele Betriebe die Krise überleben. Um die Lehre weiter zu stärken, ist es aber auch wichtig, die Lehrlingsausbildung für Betriebe attraktiver zu machen.
Abschluss-Keynote des ersten Tages
Eine Lehre in der Industrie: große Chancen und Möglichkeiten – heute und in Zukunft.
Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung
Wie Herr Knill eingangs feststellte, ist die Duale Ausbildung ist ein Erfolgsmodell, an der die Industrie sicher festhalten wird. Wachstum und Qualifikation sind zwei wesentliche Faktoren, um gut durch jede Krise zu kommen und bei beiden ist die Qualität der Lehre von elementarer Wichtigkeit. Besonderes Lob fand er für die privaten Initiativen wie zukunft.lehre.österreich, talentify oder teach for austria, welche die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Wirtschaft sowie zwischen Schulen und Lehrbetrieben verstärken und fördern.
Was brachte der zweite Konferenztag?
Future Workplace – Future Learning – Future Lehre
Designing Interactive and Playful Experiences - Konstantin Mitgutsch, Playful Solutions
Jugendliche wachsen in einer interaktiven Welt auf – Schule hat fast schon musealen Charakter. Das ist jetzt so – gleichgültig, wie man das bewertet. Nun gilt es, in der Arbeit mit Lehrlingen die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Tutorials im Internet, insbesondere youtube-Videos gelten nach einer Umfrage noch weit vor Wikipedia als Informations- und Lernquelle. Konstantin Mitgutsch plädierte dafür, Jugendliche nicht nur als Konsumenten, sondern als interaktiv Handelnde zu begreifen. Einbindung, Eigenverantwortlichkeit und Sinnstiftung sollen bei Lehrlingen das Gefühl wecken, mit ihrem Handeln etwas bewirken zu können, dabei kann Technologie eine große Chance bieten.
Die nächste Session war einer weiteren Best Practice-Vorstellung gewidmet, Marc Marthaler war aus der Schweiz zugeschaltet und präsentierte unter dem Titel „Swisscom Next Generation – Hier kommt Deine Zukunft!“ das Ausbildungskonzept des größten schweizer Telekommunikationsunternehmens. Die Frage: 'Wie finden wir die richtigen Lehrlinge?' wurde an die derzeitigen Lehrlinge gestellt und Ergebnis war, dass man mehr auf youtube machen sollte. Dafür wurden drei Formate gewählt: Vorstellung einzelner Jobs, Interviews mit aktiven und ehemaligen „Lernenden“ (wie sie in unserem Nachbarland heißen) und ein witziges Format mit einem schweizweit bekannten Influencer.
Wohl einzigartig ist die projektorientierte Ausbildung: Die Lernenden müssen sich ihre Projekte selber suchen und sich selbst über einen internen Projektmarktplatz bewerben, um damit ihren „Kompetenzrucksack“ zu füllen. Dabei erhalten sie zwar insbesondere am Anfang Anleitung und Hilfe aber die Auswirkungen auf Selbstwirksamkeit und Motivation sind enorm. Gerade bei der Vorstellung dieses projektbasierten Ausbildungskonzeptes gab es begeisterte Reaktionen im Teilnehmer-Chat.
Die folgenden moderierten Parallelsession beschäftigten sich mit
- Fly High mit BlueBird – Die Juniorfirma als Erfolgsfaktor
- Coaching – damit autoritäre Ausbrüche nicht den Ausbildungserfolg hemmen
- Schulautonomie & Berufsorientierung – Lehrlinge heranbilden statt suchen
- Lehrlinge als Gewinn für die Unternehmenskultur
- Corona: was muss ich dazu arbeitsrechtlich für unsere Lehrlinge wissen?
- Kämpfen zu können bedeutet, nicht mehr kämpfen zu müssen (Mindset-Training mit Kampfsport-Weltmeister Ronny Kokert)
- Mehr Als Nur Lehre oder gähnende Leere? (Recruitingkonzept von MAN Truck & Bus)
Wobei die Teilnehmer je nach Interesse und Neigung frei wählen konnten und es auch genügend Raum gab, die im Chat gestellten Fragen zu beantworten.
Abschlusskeynote: Flügel heben und Selbstvertrauen stärken durch die Lehre
Für die Abschlusskeynote konnte der Bürgerbeweger, Freigeist & Publizist Matthias Strolz gewonnen werden, der die Lehrlingsbeauftragten zu Ihrem Beruf beglückwünschte. Sie sind es, die Entfaltung in der Welt ermöglichten. Es muss gerade den jungen Menschen vermittelt werden, dass sie Pilot und nicht Passagier ihres Lebens sind. Ihm ist bewusst, dass er damit ein Idealbild aufstellt, aber als Key Note-Speaker sieht er seine Aufgabe darin, den Lehrlingsberuf mit der Energie des Idealbildes aufladen. Dazu gehört es auch, dass die Ausbildner vom Lehrherren zum Coach werden und ein „Buffet an Vorbildern“ zur Verfügung stellen.
Und auch wenn der Abschlussapplaus nur über die Chatfunktion kam, war er deutlich zu spüren.
Ramona Wolfgang und Karin Bauer dankten abschließend allen Teilnehmern und Vortragenden und wünschten allen viel Energie und Erfolg beim Umsetzen der gewonnenen Impulse und freuen sich auf einen face2face-Austausch beim Lehrlingsforum 2021.