Business Circle ist inzwischen selbst ein ausbildender Betrieb. Und in den 10 Jahren Lehrlingsforum wurden gut 140 Unternehmen auf die Bühne gebeten, um Ihre Best Practises zu zeigen. Besonders erfreulich war, dass mit Bundesminister Martin Kocher auch das offizielle Österreich vertreten war und er zum Jubiläum seine Gedanken und seine Pläne teilte.
Die Lehre als Karrierebasis: Keynote von BM Martin Kocher
Martin Kocher eröffnete seine Keynote mit der Feststellung dass Österreich mit der dualen Ausbildung ein hervorragendes System hat, auf welches er bei internationalen Treffen auch häufig angesprochen wird. Gerade in den Bereichen, in denen derzeit Fachkräfte fehlen, ist die Lehre die Methode der Wahl und es freut ihn, dass die Lehrlingszahlen in den entsprechenden Berufen wieder steigen. Wenn man sich die Demographie ansieht, sind die Chancen für junge Menschen am Arbeitsmarkt so gut wie schon lange nicht mehr. Das kann aber nur gelingen, wenn sie gut ausgebildet sind. Alles, was es gerade an technologischem Fortschritt gibt, wird die Art der Lehre ändern und neue Bedarfe erzeugen, aber sicher nicht die Notwendigkeit einer guten Ausbildung abschaffen, er sieht die Politik dafür in der Verantwortung, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Umsetzen müssen die Lehrlingsausbildung aber letztendlich die Verantwortlichen in den Betrieben und er dankte allen, die heute schon mit so viel Herzblut dabei sind. In der abschließenden Q&A-Session wurde unter anderem der Wunsch an ihn herangetragen, in den Schulen geometrisches Zeichnen und Mathematik wieder stärker zu fördern, um die ausbildenden Betriebe, insbesondere im ersten Lehrjahr, zu entlasten.
Helmut Mahringer: Lehrlinge in Österreich - Rückblick, Status quo und aktuelle Herausforderungen
Helmut Mahringer ist Ökonom beim WIFO und nahm das Publikum auf eine Reise durch volkswirtschaftliche Statistiken mit. Seit den 1980er Jahren sind die Lehrlingszahlen markant gesunken, einmal weil zugunsten von Matura und Studium ein geringerer Anteil pro Jahrgang eine Lehre macht, andererseits auch, weil wir schon lange bei geburtenschwächeren Jahrgängen angekommen sind. Die schwächere demografische Gestaltung der Alterskohorten kann man jetzt so schnell nicht beeinflussen, gestalten kann man allerdings die Attraktivität der Lehre. Die starken Alterskohorten scheiden jetzt langsam aus dem Arbeitsleben aus, so dass genug Bedarf für Arbeitskräfte gegeben ist. Eine gute Ausbildung der nachwachsenden Jugend ist daher notwendig, wenn auch nicht hinreichend, zumal durch technologischen Wandel der Bedarf mehr in Richtung Hochqualifikation und persönliche Dienstleistung gehen wird. Betriebe werden gefordert, ihre Personalpolitik und Rekrutierungsstrategien anzupassen, und das entlang der Richtschnur: Up-skilling, Re-qualifizierung, lebenslanges Lernen, Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie altersgerechte Arbeitsplätze.
Lehrlinge im Live-Talk: Wie wünscht Ihr euch eure Arbeitsstelle?
Das Diskussionspanel war besetzt mit drei Lehrlingen und zwei jungen Frauen, die ihre beachtenswerte Karriere in der Lehre begonnen haben. In ihren Einschätzungen waren sich die Vortragenden oft einig, sowohl was positive, als auch was die negativen Aspekte der Lehre anging. Auch junge Lehrlinge wollen ernst genommen und als vollwertiges Teammitglied anerkannt werden, insbesondere dann, wenn man – auch in einem großen Unternehmen – sich als einziger mit neuen Technologien auskennt, und es dann heißt, dass man „eh nur Lehrling“ sei. Wertschätzung zeigt sich dabei weniger durch ein Geschenkkörbchen einmal im Jahr als einfach dadurch, nicht als Lehrling belächelt zu werden. Positiv wurde herausgestellt, dass durch die Praxis die Inhalte viele besser in den Kopf kommen als durch sitzen in der Schule. Die Basics, und das, was die Persönlichkeit reifen lässt, lernt man eben in der Lehre. Die Wünsche der jungen Lehrlinge für die Zukunft der Lehre sind: Eine bessere Vorbereitung durch die Schule, außerdem Anerkennung, ein gutes Team, gut aufgehoben sein und wissen, dass man etwas Sinnvolles macht, etwas beiträgt und die positiven Auswirkungen seiner Arbeit spürt.
Abend-Keynote mit Franca Cerutti: Was lässt Menschen aufblühen, was beschneidet sie?
Bekannt geworden ist die Psychotherapeutin und Gruppenpsychaterin vor allem als Psychologie-Podcasterin, die sich in der Abend-Keynote der Lernmotivation widmete und der Frage, wie man ein guter Mentor wird. Eigentlich ist das Nachdenken über Lernmotivation ganz banal: Wenn ein Verhalten positive Konsequenzen hat, wird es verstärkt. Obwohl das aber so banal ist, wird es oft genug nicht richtig umgesetzt. Negative Stimuli sind unter anderem zuviel Stress, mangelnde Autarkie, mangelnde Anerkennung, und Vorgesetzte als Negativvorbilder. Kreatives Denken, Lernbereitschaft und Lösungskompetenz sind nur unterhalb der Stressgrenze möglich. Ein guter Mentor zeichnet sich aus durch ernsthaftes Interesse am Gegenüber, ernsthaftes Interesse, die Auszubildenden persönlich und fachlich weiterzubringen und einen souveränen Umgang mit negativen Affekten, auch wenn ein junger Mensch einmal bockig ist oder schlechte Laune hat. Wichtig ist es dabei, authentisch zu bleiben: „don’t be cheap or fake“.
Robert Frasch und Hans Pum: Ausbildung mit Challenge - Spitzenleistung und Breitenwirkung.
In Hans Pums Zeit als Alpindirektor fallen die größten österreichischen Erfolge im Skisport und er unterhielt sich mit Robert Frasch von Lehrlingspower.at darüber, welche Erfolgsrezepte aus dem Spitzensport in das Wirtschaftsleben und insbesondere in die Talentförderung übertragen werden können. Gerade um Spitzenleistung zu motivieren brauchst man ein ganzes Team, das an einem Strang zieht. Wichtig ist es, Stärken zu stärken aber auch da zu bremsen und zu schützen, wo sich jemand überschätzt. Im Skisport steht zwar der Star im Mittelpunkt, aber man braucht Trainer, Co-Trainer, Zeugwarte, Physiotherapeuten,… alle die, die nicht im Rampenlicht stehen sind mindestens genauso wichtig für die Spitzenleistung. Im österreichischen Mittelstand gibt es viele Hidden Champions, die ihr Licht noch zu sehr unter den Scheffel stellen. Man muss die Ausbilder wie die Trainer mit auf die Bühne holen, die stolz ihre Leistungen präsentieren und ihre Betriebe als Ausbildungsstätten für künftige Weltmeister vorstellen.
Karin Bauer mit dem Wrap-Up zum Abschluss:
Die Ressortleiterin Karriere beim „STANDARD“, die zwei Tage lang die Konferenz moderiert hatte, bat das Publikum noch einmal, wie in einer Welle rund durch die Manege des Social Hub, ihr bestes Learning oder ihr Lieblingszitat zu teilen:
- Eine Konferenz ist nur so gut wie das Publikum, ein Unternehmen nur so gut wie das Team.
- Ausbilden ist Zukunftsarbeit und muss entsprechend belohnt werden.
- Eine Bewerbung als Lehrling abzuschicken darf nicht komplizierter sein als Pizza zu bestellen.
- Gute Testimonials sind wichtig, aber sie müssen authentisch sein.
Ein guter Gradmesser sind da die eigenen Lehrlinge: Wenn die schon etwas „cringe“ finden, sollte man eher auf die hören als auf eine PR-Agentur. - Ein guter Online-Auftritt ist unverzichtbar, aber kein Allheilmittel. Der Königsweg ist und bleibt der persönliche Kontakt. Und da kann es sinnvoll sein, einfach ein Standl am Kirtag zu machen oder den lokalen Fußballverein zu unterstützen.
- Wenn die Lehre den Lehrlingen keinen Spaß macht, ist es Aufgabe der Ausbildung, sie da hin zu führen. Das geht vor allem über Anerkennung und Sinnstiftung
- Als Lehrlingsausbildner sind wir keine Schrotthändler, sondern Diamantenschleifer
Mit dieser schönen Schlußrunde endete das 10 Lehrlingsforum.
Das 11. Lehrlingsforum wird am 28./29. November 2024 in Wien stattfinden.
Weiterlesen in unserem HR-Blog, mit zahlreichen Beiträgen der Vortragenden