Business Circle: Sehr geehrter Herr Dr. Freundlinger, Sie sind bei der WKO zuständig unter anderem für - Duale Berufsausbildung (Lehre) und Lehrbetriebsförderung, wenn Sie kurz skizzieren können, wie (und warum) Sie dahin gekommen sind, was Sie jetzt tun.
Nach meinem Studium der Erziehungswissenschaften habe ich am ibw – Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft gearbeitet. Dort habe ich begonnen, mich vor allem auf das Thema der Lehrlingsausbildung zu spezialisieren. 2001 wurde mir dann der Wechsel in die WKÖ angeboten, um mich weiterhin mit diesem Thema zu beschäftigen.
BC: Was macht Ihnen am meisten Spaß an Ihrem Beruf (oder Ihrer Berufung)?
Es sind immer neue Herausforderungen zu bewältigen, Langeweile kann also nicht aufkommen. Vor allem aber bin ich ehrlich überzeugt, dass das Learning by Doing an echten Aufgabenstellungen die mächtigste und wirksamste Form des Lernens ist. Ich bin also ein echter Fan der Lehrlingsausbildung und betrachte mich selbst als lebenslangen Lehrling.
BC: Wie ist der derzeitige Stand der WKO Bildungsoffensive, was sind die größten Erfolge, was wird als Nächstes in Angriff genommen?
Mittlerweile sind sehr viele Projekte aus der WKO-Bildungsoffensive abgeschlossen oder sehr weit gediehen. Mit wîse up wurde eine digitale Lernplattform für berufliche Bildung in Österreich aufgebaut. Hier wird gerade intensiv an einem besonderen Schwerpunkt für die Lehrlingsausbildung gearbeitet. Ein besonderer Erfolg ist auch die bevorstehende Einführung einer Höheren beruflichen Bildung nach dem Vorbild der Schweiz und Deutschlands. Die Begutachtung für den Gesetzesentwurf ist gerade gelaufen, im Mai 2024 soll das Gesetz in Kraft treten. Wir arbeiten jetzt mit unseren Fachorganisationen daran, dass das Gesetz mit Leben gefüllt wird und auch entsprechende Qualifikationen angeboten werden, die im Beruf erworben werden können und im Niveau mit Hochschulabschlüssen vergleichbar sind.
BC: Welche 3 Ratschläge oder Tipps hätten Sie für Ihr 15-jähriges Ich?
Lange zu studieren ist nicht ideal für die Lebensplanung. Besser ist es, so schnell wie möglich mit dem wirklichen Leben und dem Arbeiten anzufangen, und sich dann gezielt weiterzubilden. Ich bezweifle aber, dass mein 15-jähriges Ich für gut gemeinte Ratschläge eines älteren Herrn zugänglich gewesen wäre.
Die öffentliche Wahrnehmung der Lehrlingsausbildung verbessert sich.
BC: Sie begleiten uns ja schon seit 2013 mit dem Lehrlingsforum: Was waren die größten Veränderungen in dieser Zeit und was könnte sich innerhalb der nächsten 5 Jahre tun?
Lehrlingsausbildung hat zwar immer noch ein etwas ambivalentes Image, die positiven Berichte nehmen aber zu und die öffentliche Wahrnehmung verbessert sich laufend. Eine sehr starke Veränderung der Rahmenbedingungen ergibt sich durch den veränderten Lehrstellenmarkt. 2013 hat es noch zu wenige Lehrstellen für die große Zahl der Bewerber:innen gegeben, das hat sich jetzt gedreht. Das wird sich in den nächsten Jahren nicht bessern. Inhaltlich kommen noch mehr Entwicklungen in den Bereichen Digitalisierung und Green Skills auf uns zu.
BC: Nachdem wir mit dem Lehrlingsforum schon einen solange Weg gemeinsam gegangen sind – was ist für Sie das Besondere an diesem Format und was bewegt Sie, immer wieder teilzunehmen?
Nachdem ich in der Bildungspolitik tätig bin und nicht im Service, habe ich im beruflichen Alltag kaum Kontakt mit Ausbildungsbetrieben. Dieser ist aber sehr wichtig, deshalb nehme ich solche Gelegenheiten immer gerne wahr.
BC: Sehr geehrter Herr Dr. Freundlinger, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns auf Ihren Impuls zum Lehrlingsforum.
Dr. Alfred Freundlinger hat in Wien Publizistik und Pädagogik studiert. Seit 2001 arbeitet er in der Abteilung für Bildungspolitik der Wirtschaftskammer Österreich, Schwerpunkt ist der Themenbereich Lehrlingsausbildung. Beim Lehrlingsforum ist er am 30. November 2023 Impulsgeber eines Espresso-Talks zum Überblick über die aktuellen Initiativen der Bildungsoffensive.