Seien Sie doch ganz spontan!
Nicht so verkrampft, nicht so verklemmt! Lassen Sie doch alles raus und zeigen Sie Gefühle! Spüren Sie, wie Sie beim Lesen dieser Zeilen verkrampfen oder sich fragen, was man überhaupt tun muss, um „spontan“ zu sein? Je mehr man sich bemüht, desto unnatürlicher und weniger authentisch kommt man rüber.
Mit dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement ist das genauso. Das ist jetzt gesetzlich vorgeschrieben, das muss sein! Tun Sie doch was dafür, kümmern Sie sich um Ihre MitarbeiterInnen, damit diese auch morgen noch kraftvoll zubeißen können! Was dabei rauskommt, ist oft auch nur Krampf.
„Unsere Mitarbeiter müssen das wollen“, erklärte mir kürzlich ein Manager und bezog sich auf das Re-Design-Programm der Unternehmenskultur. Zehn Punkte wurden von einem externen Berater aufgelistet, die es zu erfüllen gilt, dann sei die Kultur wieder positiv. In der Praxis funktioniert das natürlich überhaupt nicht.
Schauen wir uns doch die Gesundheit an: Wenn Sie für Ihr physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden sorgen, dann gelten Sie lt. WKO als gesund. „Wohlbefinden“ ist genauso ein Wort wie „Spontanität“. Beides kann nicht angeschafft werden, beides muss man leben. Sie kennen alle die Listen mit Tipps, die uns angeblich gesund erhalten: nicht rauchen, Bewegung, ausreichend Schlaf, wenig Stress usw. Indem wir das nur lesen, werden wir nicht gesünder.
Ich finde es spannend, wie viele PsychologInnen, ArbeitsmedizinerInnen, Coaches und auch gar nicht qualifizierte ExpertInnnen am Markt mit BGM-Programmen auftreten. Fast schon amüsant finde ich die standardisierten Ablaufprozesse für BGM-Prozesse. Checklisten werden abgehakt, Maßnahmen werden geplant, umgesetzt und evaluiert, und aus irgendeiner Perspektive kommt schon ein positives Ergebnis raus, das dann „Erfolg“ genannt wird.
„Erfolg“ ist nichts, das man umsetzen kann, Erfolg ist immer die Folge von etwas, das wir zum Teil beeinflussen (Training, Ernährung, Vorbereitung, Einstellung …), zum Großteil aber nicht kalkulieren können (Tagesform, Wettbewerber, Rahmenbedingungen, Unvorhergesehenes …). Erfolg fällt uns zu – oder auch nicht.
Ja, es ist wichtig, aktiv etwas für den Erfolg, aktiv etwas für die Gesundheit zu tun, gar keine Frage, doch liegt es nicht in unserer Hand, perfekt zu sein. So gut wie möglich können wir uns bemühen und dabei unser Bestmögliches geben.
Wirtschaften bedeutet das Haushalten mit knappen Ressourcen und Engpässen. BGM ist ähnlich.
Nur der Versuch zählt am Schluss.
Ich habe 80 große Persönlichkeiten gefragt, worauf es im Leben ankommt: Verantwortungsbewusstsein, Kommunikation, Mut/Courage, Gemeinschaftssinn, Einsatzbereitschaft und Authentizität. Nicht zu vergessen die Begeisterung. Das wären wertvolle Ingredienzien. Sind die in Ihrem BGM-Konzept enthalten? Aber wie macht man das? Wie wird man authentisch? Das verhält sich genauso wie mit der Spontanität.
Thomas J. Nagy / NATURAmente, MSc ist Gesundheitswissenschaftler und Systemischer Coach.
Darüberhinaus ist er Moderator des 5. Jahresforums Betriebliches Gesundheitsmanagement am 16./17. Juni 2016 in Wien.