Die 24h-Betreuung braucht die Unterstützung durch die Fachpflege
Das höre ich immer wieder. Denn schließlich würden, wie zuletzt der Rechnungshof festgestellt hat, österreichweit nur 7 Prozent der etwa 450.000 Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher das Modell der 24-Stunden-Betreuung in Anspruch nehmen.
Tendenz: stark steigend
Das stimmt. Allerdings stammen diese Zahlen aus dem Jahr 2015, und in den gut zehn Jahren, seit das Gewerbe der selbständigen Personenbetreuung in Österreich eingeführt wurde, geht die Entwicklung steil nach oben: Nahmen 2008 rund 3.200 Personen die staatliche Förderung für die 24-Stunden-Betreuung in Anspruch, so waren es 2015 bereits fast 22.000, und aktuell sind es schon mehr als 45.000 Personen.
Das hängt nicht nur mit den herausfordernden demografischen Veränderungen zusammen. Das Modell der selbständigen Personenbetreuung ist flexibel und leistbar. Und es entspricht einem wesentlichen Bedürfnis der meisten Menschen, die den Alltag nicht aus eigener Kraft bewältigen können: dennoch in der Vertrautheit der eigenen vier Wände bleiben zu können.
Kontinuierliche Qualitätssteigerung
Als Interessenvertreterin der selbständigen Personenbetreuerinnen und -betreuer sowie der Vermittlungsagenturen hat die Wirtschaftskammer in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen, um die Rahmenbedingungen so mitzugestalten, dass selbständige Betreuungsdienstleistungen in größtmöglicher Qualität angeboten werden können.
Schwarze Schafe vom Markt drängen
Es konnte die Trennung der beiden Gewerbe erreicht werden; für die Vermittlungsagenturen wurden rigide, gesetzlich geltende Standes- und Ausübungsregeln eingeführt. Um schwarze Schafe vollends vom Markt zu drängen, haben die Wiener und die Niederösterreichische Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung die Entwicklung eines gleichermaßen strengen wie praxisorientierten Gütesiegels für Vermittlungsagenturen angestoßen, das in den kommenden Monaten vom Sozialministerium ausgerollt wird.
Erfolgreiche PersonenbetreuerInnen-Akademie
Um auf der anderen Seite die selbständigen Betreuerinnen und Betreuer zu stärken, haben die beiden Fachgruppen vor drei Jahren eine PersonenbetreuerInnen-Akademie ins Leben gerufen, die derzeit rund 30 Aus- und Weiterbildungskurse zu Themenschwerpunkten wie Reduktion körperlicher Belastungen, Umgang mit Demenz, Kinästhetik, Ernährung im Alter, Bewältigung von Konfliktsituationen sowie zum Umgang mit dem Tod von Kundinnen und Kunden anbietet. Auch die Vermittlung von unternehmerischem Grundwissen und die Förderung der Deutschkompetenz stehen auf dem Programm. Die Kurse werden in Form zweitägiger Module in der Slowakei, Rumänien und Ungarn gegen einen nur geringen Kostenbeitrag und damit insgesamt sehr niederschwellig angeboten. Das Aus- und Weiterbildungsangebot stößt auf erfreulich hohes Interesse und äußerst gute Resonanz.
Next Step: Zertifizierung für Personenbetreuerinnen und -betreuer
In einem nächsten Schritt arbeiten wir bereits intensiv an einer Zertifizierung für Personenbetreuerinnen und -betreuer. Die zugrundeliegenden Kriterien sollen im Idealfall zur Richtschnur der Ausbildungsangebote aller Anbieterinnen und Anbieter – auch von Online- und eLearning-Tools – werden. Nicht zuletzt mit Blick auf die anstehende Pflegereform der Bundesregierung können wir uns grundsätzlich gut vorstellen, eine zusätzliche Förderung für die 24-Stunden-Betreuung mit der geplanten Zertifizierung zu verknüpfen.
Neues Betätigungsfeld für die Fachpflege
Ihre wachsende Bedeutung bringt die selbständige Personenbetreuung dabei keineswegs in Konkurrenz zur Fachpflege. Im Gegenteil: Es eröffnet sich für die Fachpflege ein neues Betätigungsfeld, vor allem in der Bedarfserhebung, in der Delegation pflegerischer Tätigkeiten und den damit verbundenen regelmäßigen Kontrollen. In der Notwendigkeit, vor Ort selbständige Entscheidungen zu treffen, im Zusammenspiel mit Betreuungskräften und pflegenden Angehörigen ergeben sich dabei allerdings auch zusätzliche Anforderungen, für die es entsprechende Kompetenzen braucht.
Dabei gibt es aber auch ein gemeinsames Ziel: Verschiedene mobile und stationäre Angebote müssen so ineinandergreifen, dass betreuungs- und pflegebedürftige Menschen genau die Unterstützung erhalten, die sie brauchen. Nur so können auch die rund 950.000 betroffenen Angehörigen weiter entlastet werden. Nur so kann die große Herausforderung, die auf Österreich zukommt, bewältigt werden.
Über den Autor:
Dr.iur. Mario Tasotti erlebt als Geschäftsführer der Vermittlungsagentur LebensWerte die Herausforderungen in der Pflege Tag für Tag, engagiert sich auch als stellvertretender Obmann der Fachgruppe Personenberatung und Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer Wien und ist Speaker beim Pflege-Management Forum 2019 am 7. / 8. März in Wien.