Im Vorfeld des Dialogforums Primärversorgung NEU, haben wir mit PD Dr. Stefan Korsatko, einen unserer Vortragenden, über Primärversorgung im Allgemeinen, Gründung von Primärversorgungszentren, etwaige Stolpersteine und wie die Zukunft der PVZs aussehen kann, gesprochen. Stefan Korsatko ist Bundessprecher des Österreichischen Forums Primärversorgung (OEFOP) und Gründer des Primärversorgungszentrums MEDIUS in Graz.
Business Circle: 2017 wurde das Primärversorgungsgesetz beschlossen. Was hat sich seither getan? Wo sehen Sie persönlich (noch) Stolpersteine?
Korsatko: Leider tut sich aufgrund der politischen Lage und dem auf Länderebene völlig uneinheitlichen Vorgehen sehr wenig. Es scheint allen Beteiligten bewusst zu sein, dass es große Probleme in der allgemeinmedizinischen Versorgung gibt und einige sehen auch den Ausbau der Primärversorgung als Lösungsansatz, nur wird dies eben nicht einheitlich umgesetzt. Es gibt auch keinen wirklichen langfristigen Plan wohin sich die Allgemeinmedizin in Österreich bewegen soll.
Das Thema Primärversorgung ist außerdem in der Ärzteschaft kaum bis überhaupt nicht angekommen. Man berichtet gerne über diverse Probleme in den Zentren/Netzwerken, aber niemand versucht ernsthaft die Vorteile der neuen Primärversorgungseinheiten (PVE) zu evaluieren und einen sinnvollen Diskurs darüber zu führen, wie dies auch den Allgemeinmedizinern von Nutzen sein könnte. Man ist entweder Pro oder Kontra. Das ist sehr schade und wird unser schon sehr zerfahrenes uneinheitliches extramurales Versorgungssystem vermutlich noch undurchschaubarer für die Patienten machen.
Business Circle: Der große Gedanke hinter der Primärversorgung ist: Die Gesundheitsversorgung soll verbessert werden. So die Theorie. Wie sieht es in der Praxis aus – auf Landesebene und bundesweit?
Korsatko: Es gibt dazu keine Evaluierung, so wie es generell kaum Daten über die Qualität der Primärversorgung in Österreich gibt. Jeder Hausarzt, jede PVE macht im Grund was man dort für zweckmäßig hält oder was eben auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Um die Frage zu beantworten reicht es nicht aus, die ärztliche Kunst als unantastbar darzustellen. Wir müssen beginnen uns viel mehr der Qualitätsfrage zu stellen und das wäre sehr einfach mit ein paar Praxisdaten unter den Ärzten zu evaluieren.
Business Circle: Das heißt, es könnte besser laufen?
Korsatko: Erst wenn wir wissen was wir machen, können wir auch wissen, ob die Versorgung in den PVEs verbessert werden kann. Leider schaut man in Österreich recht wenig in die Zukunft, die Themen e-Health, Veränderung der Zusammenarbeit des primären, sekundären und tertiären Bereichs kommen somit einfach auf uns zu und wir lösen halt Probleme, wenn sie auftreten.
Business Circle: Herr Korsatko, Sie haben Ende 2018 das Primärversorgungszentrum MEDIUS in Graz gegründet. Wie ist Ihr Fazit fast ein Jahr nach der Gründung?
Korsatko: Das ist das Beste was ich beruflich in meinem Leben gemacht habe. Die Arbeit im 16- köpfigen Team ist äußerst befriedigend, lehrreich und bringt eine hohe Work-Life Balance mit sich.
Die Patienten genießen die sehr breite Versorgungsmöglichkeit und ich sage was ich immer sage: Es ist mir völlig schleierhaft warum nicht viel mehr Kollegen diese Form der Zusammenarbeit wählen.
Während ich hier sitze und diese Zeilen schreibe, läuft die Patientenbetreuung im Zentrum durch mein Team und meine beiden Kolleginnen weiter. Ich kann sicher sein, dass meine Patienten betreut werden, wenn ich nicht da bin und ich verdiene auch Geld, wenn ich nicht da bin. Fazit: Jederzeit wieder, wenngleich Weiterentwicklung möglich ist.
Business Circle: Welche Tipps können Sie für die Gründung einer PVE mitgeben?
Korsatko: Man braucht Partner die nicht jeden Cent umdrehen. Es braucht Feuer und Freude an einer Zusammenarbeit. Man braucht auch klare vertragliche Regelungen, um eine gute Basis zu schaffen. Zu Beginn braucht es viel Zeit für Teamsitzungen. Und, man muss sehr flexibel bleiben.
Business Circle: Das heißt, es braucht ein starkes Team, das gut zusammenarbeiten kann, nicht nur auf medizinischer, sondern auch auf wirtschaftlicher Basis?
Korsatko: Ich denke der beste Ansatz ist, alles durch die Anzahl der Gesellschafter zu teilen. Jeder sollte ein wenig großzügig zu den Kollegen sein. Es braucht Mut und Vertrauen und man muss die Arbeit im Team mögen.
PD Dr. Stefan Korsatko nimmt am Dialogforum Primärversorgung NEU am 21. November in Wien teil. Er wird über den Status Quo der Primärversorgungseinheiten sprechen. Seien Sie dabei.