Wertschätzung, Haltung, Attraktivität, Emotionen und Mitgefühl. Das sind Schlagworte, die all jenen prompt einfallen, die im Pflegebereich tätig sind. Doch leider fehlt es oft an diesen wichtigen sozialen und empathischen Faktoren. Warum diese so bedeutend sind, wollten wir im Vorfeld des Pflege-Management Forums von einer Pflegefachkraft und gerontologischen Beraterin wissen. Elisabeth Hahn im Gespräch mit Sonja Schiff.
Hahn: Frau Schiff, was waren Ihre Beweggründe im Pflegebereich zu arbeiten? Welche Expertise bringen Sie mit und was sind Ihre größten Anliegen?
Schiff: Neben meinem Studium der Alterswissenschaft und meiner langen, sehr bunten beruflichen Erfahrung, ist meine wichtigste Expertise das Diplom zur psychiatrischen Gesundheits- und Krankenpflege. Diese Pflegeausbildung ist mein Fundament, sie hat mich persönlich und beruflich nachhaltig geprägt. In dieser Ausbildung habe ich gelernt, nicht nur den pflegebedürftigen Menschen zu sehen, sondern auch das System, in dem er lebt. Ich habe gelernt zu verstehen, dass Erkrankungen oder Pflegebedürftigkeit tiefgreifende Auswirkungen auf den Menschen und sein Umfeld haben können und Pflegepersonen wichtige Funktionen übernehmen. Für mich ist Beziehung die Basis pflegerischen Handelns. Denn neben der körperlichen Pflege geht es vor allem um Orientierung und Sicherheit, aber auch um Emotionen entgegenzunehmen, Mitgefühl zu vermitteln und Trost zu spenden. Zu Letzterem - so mein Eindruck - fehlt vielen Pflegepersonen der Mut, aber auch das Bewusstsein. Das zu ändern, ist mein Anliegen.
Hahn: Warum ist gerade im Pflegebereich das Thema „Haltung“ so wichtig geworden?
Schiff: Die Pflege ist derzeit in der Krise, ich orte diese als Identitätskrise der Pflege.
Der klassische Pflegeberuf hat sich verändert. Er hat sich von einem Assistenzberuf, der auf Weisung und Anordnung tätig wurde, zu einer Profession mit eigenständigem Aufgabengebiet entwickelt. Auf dem Papier, etwa in Berufsgesetzen, ist dies auch klar formuliert, in der Praxis hat Pflege diese Eigenständigkeit allerdings noch nicht erreicht. Eigenständigkeit im Beruf bedeutet mehr als zu wissen was man tun darf.
Pflege ist erst dann eine eigenständige Profession, wenn Pflegende nicht nur ihre Aufgaben kennen, sondern auch ihre Rolle im Gesamtsystem, wie auch ihre Wirkung auf Patienten oder Klienten und deren Umfeld. Pflege als eigenständige Profession ist sich der Vielschichtigkeit des Pflegeberufes bewusst und übernimmt darin Verantwortung.
Beim Thema „Haltung“ geht es um Fragen der Identität als Pflegende. Was ist der Kern von Pflege? Wo stehen meine Patienten/ Klienten und wie begegne ich ihnen? Was kann ich als Pflegende beitragen, damit der Mensch wieder ein Stück „heiler“ werden kann. „Haltung“ entsteht durch die Frage nach dem wie in der Pflege. Ich bin davon überzeugt, sobald Pflege als Berufsgruppe diese Frage beantworten kann und danach handelt, wird die Identitätskrise der Pflege überwunden sein.
Hahn: Warum ist eine Veranstaltung wie das Pflege-Management Forum wichtig? Welche Themen sollten dort unbedingt behandelt werden?
Schiff: Das Pflegemanagement steht heutzutage vor enormen Herausforderungen. Die alten Wege passen nicht mehr, neue Wege müssen beschritten werden, Unbekanntes muss gewagt und Erfahrungen müssen gesammelt werden. Sich auszutauschen und zu lernen ist dabei wesentlich, um gute Lösungen für die Pflege und unser Gesundheitssystem zu finden. Das Pflege-Management Forum bietet dazu einen wichtigen und auch inspirierenden Rahmen. Inhaltlich wünsche ich mir vor allem Diskussionen darüber, wie wir die momentane Krise der Pflege als Chance nützen können, um den Pflegeberuf kraftvoll weiter zu entwickeln.
„Die alten Wege passen nicht mehr, neue Wege müssen beschritten werden“
Hahn: Frau Schiff, Sie sind Autorin. Ihr Buch "Magische Momente in der Pflege" steht seit kurzem zur Verfügung. Wo sehen Sie die Verknüpfung von magischen Momenten und Haltung?
Schiff: Magische Momente in der Pflegearbeit sind das Ergebnis einer Pflege mit Haltung. Wer Patienten in seiner Arbeit wahrnimmt, wer seine Rolle als Pflegende bewusst einnimmt und wer Beziehungsarbeit leistet, erlebt offene Begegnungen mit den Menschen und erntet magische Momente.
Pflegende, die magische Momente erleben, haben übrigens eine hohe Berufszufriedenheit. Sie sind deshalb, besonders in der momentanen Krise, wichtige Botschafter des Berufes, nach innen wie nach außen.
Veranstaltungshinweis: Pflege-Management Forum
Sonja Schiff ist diplomierte psychiatrische Pflegefachkraft, Gerontologische Beraterin, Altenpflegerin, Trainerin und Buchautorin.
Das Interview führte Elisabeth Hahn.