Im Hinblick auf die Konferenz 11. Pflege-Management Forum am 7. / 8. März 2019 hat Business Circle mit Ursula Frohner, der Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV), gesprochen.
Auf die Frage nach der aktuell größten Herausforderung überlegt die Präsidentin, die 51.000 professionelle Pflegekräfte vertritt, nicht lange:
Es gibt viele unterschiedliche Informationen für Menschen in jeglicher Versorgungsstufe, aber wenig Konkretes, wie es in der nächsten Zeit weitergehen soll.
Das betreffe nicht nur Klienten, sondern auch die Menschen in den Berufen. Ein Beispiel ist die Lehrlingsausbildung, die wenig konkretisiert sei. Junge Menschen, die solche Berufe ergreifen wollen, brauchen aber Orientierungshilfen. Ein Infodefizit gibt es auch bei den Gesundheitsberufen – Ärzte eingeschlossen: Diese wüssten zu wenig Bescheid, auf welchen Schatz an Kompetenzen sie bei den Pflegeberufen zurückgreifen können. Diesen gilt es zu heben. Die ÖGKV-Präsidentin spitzt das Dilemma zu: „Wir können und tun vieles – dürfen aber zu wenig.“
Verordnungsscheine werden nicht anerkannt
Professionelle Pflegekräfte machen fast zwei Drittel der im Gesundheitsbereich Beschäftigten aus. – Wie ist gewährleistet, dass es auch in Zukunft eine ausreichende Zahl an Pflegekräften gibt?
Man muss die Erwartungshaltung an den Gesundheits- und Pflegeberuf gesellschaftspolitisch an die Realität heranführen!
sagt Frohner. Das heißt, den Versorgungsauftrag sowie dessen Leistungsanteile zu konkretisieren. Ein Beispiel: International sei es üblich, dass professionelle Pflegekräfte eigene Ordinationen eröffnen. In Österreich ist das rechtlich möglich, praktisch aber nicht durchführbar – Warum? „Weil es keinen Gesamtvertrag mit den Sozialversicherungsträgern gibt“, sagt Frohner. Ein anderes Beispiel sind bestimmte Heilbehelfe, die professionelle Pflegekräfte seit 2016 zwar verordnen dürfen – aber nicht können, weil der Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Verordnungsscheine nicht anerkennt. – Was noch dringend getan werden müsste: Leistungen zu enthierarchisieren, und zwar bedarfsorientiert. Das bedeutet, dass jener Beruf, der zu einem bestimmten Zeitpunkt in einer gesundheitlichen Intervention wichtig ist, auch zum Zug kommt.
Junge Menschen schnuppern lassen!
Wie bleibt gewährleistet, dass die „richtigen“ Personen Gesundheits- und Pflegeberufe ergreifen? „Indem man von vornherein klarmacht, was der Beruf bedeutet – und zwar realitätsbezogen, und nicht auf Soft Skills reduziert.“ Jugendliche könnten außerdem durch Schnupperpraktika an den Alltag in der Pflege und Versorgung herangeführt werden. „Weiters sollten die ‚Ausbildungssilos‘ der Gesundheitsberufe insgesamt in Grundkompetenzen zusammengeführt werden“, sagt Ursula Frohner. Das bedeutet, dass angehende Pflegekräfte ebenso wie angehende Ärzte gemeinsam Gesprächskompetenz, hygienische Grundbegriffe, Konfliktmanagement oder auch den Umgang mit persönlichen Ressourcen vermittelt bekommen. Auch ein „Mitnehmen“ von an der Basis erlernten Fähigkeiten sollten im Rahmen eines durchgängigen Ausbildungsweges möglich sein. Das bedeutet, dass im Rahmen einer Umschulung Grundkenntnisse zum Beispiel in Anatomie nicht neuerlich absolviert werden müssen.
Jedem Standort sein eigener Bedarf
Für ein bedarfsorientiertes, modernes Gesundheitswesen bräuchte es außerdem eine standortbezogene Bedarfsanalyse: „Man muss hier ein Versorgungsprofil erstellen: Wenn die Gesundheitsberufe wissen, ob in einem Viertel eher ältere Menschen oder vermehrt solche mit Suchtproblemen leben, können sie in der Primärversorgung ihre Fachkompetenz kombinieren“, sagt Ursula Frohner. Dazu bräuchte es aber den erwähnten Gesamtvertrag für die Leistungen: „Ein 75-jähriger Diabetiker soll zur chronischen Wundversorgung nicht alle vier Wochen zum Hausarzt humpeln müssen“, so Frohner. Mit medizinischen Routinetätigkeiten wie Blutdruckmessen, Infusionen oder EKG-Messungen durch die Gesundheits- und Pflegeberufe könnte man die Patienten dort abholen, wo sie sind. „Leider ist das noch nicht der Status quo“, bedauert die ÖGKV-Präsidentin. Genau das aber wäre eine gut aufgestellte Primärversorgung: der Schlüssel zu einem modernen Gesundheitswesen.
Technik kann den Menschen nicht ersetzen
Und wie sieht es mit der Digitalisierung aus? Moderne Technologien wie mechanische Hilfen zum Patientenheben oder Kommunikationsmöglichkeiten per Videostream haben sich in der Gesundheits- und Krankenpflege bewährt. Auch Monitoring-Apps bei chronischen Erkrankungen oder Spracherkennung zur Dokumentation sind im Einsatz. Es gibt aber eine Grenze: „Beziehungsarbeit ist die Grundkompetenz in der Gesundheits- und Krankenpflege“, sagt Ursula Frohner, „und das bedeutet, dass wir auf die Leistung von Mensch zu Mensch im Gesundheitswesen nie verzichten können.“
Über Ursula Frohner
Ursula Frohner ist Vortragende am 11. Pflege-Management Forum am 7. / 8. März 2019 und Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes (ÖGKV) sowie Vorsitzende der Österreichischen Pflegekonferenz.