Business Circle: Sehr geehrter Herr Thomasberger, Sie leiten die CEE-Steuerabteilung von Siemens. Eingangs eine allgemeine Frage: Welche Regeln haben Sie in Ihrem Team in Bezug auf Home-Office und Büro-Präsenz und wie lange hat die Umstellung gedauert? Gab es einen Unterscheid zwischen Sommer und dem zweiten (dritten) Lockdown?
Thomas Thomasberger: In unserem Haus gibt es die klare Empfehlung, Homeoffice verstärkt zu nutzen und mit den vorhandenen Tools stellt das für meine Mitarbeiter auch keine große Herausforderung dar. Trotzdem ist es immer wieder notwendig ins Büro zu kommen, um gewisse Themen gezielter und schneller bearbeiten zu können. Aber auch hier funktioniert unser Sicherheitskonzept hervorragend und finden im Hause nahezu keine Ansteckungen statt. Die Umstellung konnte schnell bewerkstelligt werden, da auch schon vor Pandemiezeiten partielles Homeoffice eine geförderte Arbeitsform war. Daher gab es aus meiner Sicht auch keine Unterschiede bei den verschiedenen Lock-Down-Varianten.
BC: In unserem letzten Interview haben Sie die Befürchtung geäußert, dass mit „Pillar One“ der interne Verwaltungsaufwand in keinem Einklang mit dem zu erwartenden Ergebnis steht, sehen Sie sich bisher bestätigt?
Thomasberger: Aufgrund der Pandemie hat sich im letzten Jahr zu Veränderungen im internationalen Steuerrecht nicht viel getan. Ich bin allerdings trotzdem noch immer der Meinung, dass mit Einführung von Pillar One (und Two) der interne Verwaltungsaufwand für Steuerfunktionen, die davon betroffen sind, massiv steigen wird!
BC: Denken Sie, dass ein globaler Konsens ohne die Verwerfungen durch COVID-19 hätte erreicht werden können oder war dieses Ziel der OECD von vorneherein zu ambitioniert?
Thomasberger: Ich weiß nicht, ob es ohne Pandemie gelungen wäre, das Thema international im Konsens umzusetzen. Insbesondere die USA stehen hier auf der Bremse. Ohne die USA macht die Umsetzung allerdings auch wenig Sinn, weswegen ich auch davor warnen möchte, das Thema allein auf EU-Ebene umzusetzen. Dies schadet der europäischen Wirtschaft mehr, als es einen Nutzen für eine „faire“ Besteuerung hätte!
BC: In der Corona-Krise suchen Staaten nach neuen Einnahmequellen. Denken Sie, dass sich dieser Umstand noch als Beschleuniger zur Einigung erweisen könnte?
Thomasberger: Ich bin im Gegenteil eher davon überzeugt, dass die Krise dazu führt, dass weniger Einigungspotential vorhanden ist. Bei der Neuregelung im internationalen Steuerrecht geht es mehr darum, wie der vorhandene „Kuchen“ verteilt werden kann. Angesichts der in allen Ländern angeschlagenen Budgets werden die jeweiligen Länder danach trachten, möglichst viel zur Sanierung des eigenen Budgets zu lukrieren, was dem Konsens naturgemäß nicht helfen wird.
BC: Erwarten Sie von den angedachten Streitbeilegungsregeln und einer erhofften höheren Steuersicherheit konkrete Erleichterungen für Ihre Abteilung?
Thomasberger: Funktionierende Streitbeilegungsmechanismen sind in heutiger Zeit ein „Muss“, um Steuersicherheit erlangen zu können. Insbesondere müssen auch verpflichtende Mechanismen eingeführt werden, die es erlauben, Verständigungsverfahren in einer überschaubaren Zeitachse abwickeln zu können. Ich habe es selbst erlebt, dass derartige Verfahren jahrelang geführt werden, ohne zu einer Lösung zu kommen, das kann eigentlich nicht sein.
BC: Wo liegen Ihrer Meinung nach in diesem Themenkomplex die größten Herausforderungen für österreichische Unternehmen?
Thomasberger: Die größte Herausforderung für die Steuerfunktion eines Unternehmens ist sicherlich, all die immer mehr dazukommenden Dokumentationspflichten zu erfüllen, um weiterhin compliant zu sein. Sollten Pillar One und Two in die Umsetzung gehen, werden diese Dokumentationspflichten weiter steigen. Das tägliche Geschäft einer Steuerfunktion ist dann nicht mehr die Gestaltung zur Steuervermeidung, sondern die verwirklichten Sachverhalte richtig zu behandeln und zu dokumentieren.
„Besteuerung kann niemals fair sein“
BC: Etwas philosophischer: Kann Besteuerung jemals „fair“ sein? Was wären in Ihren Augen Kriterien für Steuergerechtigkeit?
Thomasberger: Besteuerung kann niemals fair sein. Wie in vielen anderen Bereichen wird es Gruppierungen geben, die sich ungerecht behandelt oder benachteiligt fühlen. Meiner Meinung nach könnte man auf Unternehmensebene allerdings versuchen, unterschiedliche Behandlungen von Sachverhalten dadurch in den Griff zu bekommen, dass man auf EU-Ebene ein einheitliches Steuerrecht implementiert. Ich gebe allerdings zu, dass ich ein derartiges System während meiner aktiven Arbeitszeit nicht mehr erwarte.
BC: Abschließend eine Frage zur Bildungslandschaft – Gibt es genügend qualifizierte Einsteiger für die kommenden Herausforderungen im Steuermanagement großer in Österreich ansässiger Unternehmen?
Thomasberger: Diese Frage kann ich nur mit ja beantworten. Insbesondere durch die Ausbildung, die in den Steuerberatungskanzleien stattfindet, gibt es genügend qualifizierte Kandidatinnen und Kandidaten für in Österreich ansässige Unternehmen. Die Frage ist nur, wieviel man sich als Unternehmen leisten möchte, damit die Verwaltungskosten nicht überbordend werden.
Thomas Thomasberger leitet in seiner derzeitigen Funktion die Steuerabteilung der Region CEE bei der Siemens AG Österreich. Bevor er bei Siemens begann, war er als Betriebsprüfer bei der Großbetriebsprüfung Wien-Körperschaften tätig. Seit 2014 arbeitet er als Fachlicher Leiter an der jährlichen Konzeptionierung des TAX Circle mit. Der TAX Circle 2021 findet am 17. / 18. Juni 2021 in Waidhofen/Ybbs statt.
Zum ersten Interview: Tax Compliance und OECD PIllar One