Business Circle: Wie gehen Unternehmen derzeit mit dem Thema Rechnungsverarbeitung um?
Richard Luckow: Wir beobachten bei unseren Kunden, dass sich die Arbeitsabläufe rund um die Verarbeitung eingehender Rechnungen verändern. Die dahinterliegenden Prozesse, wie Prüfung, Freigabe und Verbuchung einer Rechnung bleiben natürlich gleich, aber das Wie wandelt sich gerade dramatisch. Aus Papier werden digitale Formate, aus Umlaufmappen werden digitale Workflows, aus manuellen Abläufen werden KI-gestützte, automatisierte Prozesse. Das passiert nicht von heute auf morgen, der digitale Transformationsprozess läuft meist schrittweise ab. Daher ist für viele Unternehmen heute die Herausforderung mit unterschiedlichen Szenarien parallel umgehen zu können, z.B. Papierrechnungen auf der einen Seite und maschinenlesbare XML-Formate auf der anderen Seite oder nur teil-digitalisierte und teil-automatisierte Prozesse gegenüber von vollautomatisierten, nahtlos ins ERP-System integrierten Prozessen.
BC: In welchem Stadium des Fortschritts befinden wir uns und wo gibt es Handlungsbedarf / ungenutzte Potentiale?
Richard Luckow: Bei vielen Unternehmen sehen wir Bewegung, wenn es um die Rechnungsverarbeitung geht. Häufig sind Digitalisierungs- und Automatisierungsprojekte bereits im Gang oder der Wechsel auf SAP S/4HANA, für die deutliche Mehrheit unserer Kunden gerade ein großes Thema, ist der Anlass, um auch die verbundenen Prozesse zu überdenken und zu optimieren. Ich schätze, dass sich die Unternehmen hinsichtlich des Automatisierungsfortschritts bei P2P-Prozessen etwa im Verhältnis 40 / 40 / 20 in drei Gruppen aufteilen lassen: Die erste Gruppe sind die Automatisierungsanfänger, die bisher nur erste Teilbereiche, wie beispielsweise die Archivierung von Rechnungen, digitalisiert und automatisiert haben. Bei diesen macht es vor allem Sinn, auf die Erfassung von Rechnungen zu schauen sowie auf die Prüf- und Freigabeprozesse. Beide Bereiche bieten viel Potenzial zur Beschleunigung der Prozesse sowie zur Arbeitsentlastung für die Beschäftigten. Die nächste Gruppe sind die aktiven Nutzer von Automatisierung. Diese haben in der Regel schon eine Erfassungslösung für Rechnungen im Einsatz sowie einen digitalen Workflow. Hier bietet sich zum einen ein Health Check der Prozesse an; ist noch alles aktuell und state-of-the-art? Zum anderen macht es Sinn, auch die vorgelagerten Prozesse der Bedarfserfassung zu betrachten. Hier schlummert häufig noch Potenzial für eine weitere Automatisierung der Rechnungsprozesse, Stichwort: Höher Anteil der Rechnungen mit Bestellbezug. Und auch bei der dritten Gruppe, den Automatisierungsexperten, gibt es noch Potenziale für die Verbesserung der Prozesse. Hier sind insbesondere die Möglichkeiten von künstlicher Intelligenz zu nennen, um den Automatisierungsgrad noch weiter zu steigern sowie das Thema E-Rechnung.
BC: Sie werden auf dem Digital Finance Forum über das Thema „Eingangsrechnungsverarbeitung 2.0 – Intelligente AP-Prozesse“ sprechen anhand des Beispiels der Wiener Netze. Können Sie uns einen kleinen Teaser geben, was uns erwarten wird?
Richard Luckow: Gerne! Die Wiener Netze sind einer unserer Kunden im Bereich SAP-integrierte Eingangsrechnungsverarbeitung. In dem Vortrag möchte ich den Teilnehmern anhand dieses Beispiels näherbringen, wie die Automatisierung der Eingangsrechnungsverarbeitung heute aussehen kann. Dazu werde ich auf die Timeline eingehen, den Projektverlauf darstellen und Ihnen auch ein paar Praxistipps von den Wiener Netzen mitgeben. Ich denke anhand eines konkreten Beispiels werden die Möglichkeiten durch die Digitalisierung und Automatisierung der Eingangsrechnungsverarbeitung am besten deutlich. Daran anschließend werde ich auf die zwei zentralen Innovationstreiber eingehen, die im Moment im Kontext der Rechnungsverarbeitung relevant sind. Das sind zum einen Einsatzszenarien für künstliche Intelligenz und zum anderen die E-Rechnung, deren Einführung EU-weit unter dem Stichwort „ViDA“ (VAT in the Digital Age) aktuell diskutiert wird.
BC: Welche Rolle spielen Technologien wie Beispiel KI bei diesem Thema?
Richard Luckow: Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, die Art und Weise wie wir arbeiten grundlegend zu verändern. Das gilt auch für Dokumentenprozesse wie die Verarbeitung von eingehenden Rechnungen. Der Automatisierungsgrad lässt sich in diesem Bereich durch Ansätze wie maschinelles Lernen bzw. Deep Learning auf ein ganz neues Niveau heben, in meinem Vortrag werde ich einige konkrete Beispiele dafür aus der Eingangsrechnungsverarbeitung nennen. Was wir heute an KI-Technologien sehen, sind aber erst die ersten zarten Pflänzchen von dem, was noch möglich sein wird. Künstliche Intelligenz ist eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft und Unternehmen sollten sich jetzt schon mit den Möglichkeiten auseinandersetzen, um nicht den Anschluss zu verpassen.
Im Interview: Richard Luckow, Key Account Management / Branch Manager bei xSuite
Veranstaltungstipp:
Digital Finance Forum | 19. / 20. Oktober 2023