Business Circle: Sehr geehrter Herr Mag. Sikora, vor kurzem haben Sie die neuen DACH-Studie „Digitalisierung im Bereich des Rechnungswesens“ vorgestellt, welches sind die wichtigsten Erkenntnisse daraus?
Mag. Christian Sikora: Die Schwerpunkte lagen heuer in der Digitalisierung der Lieferanten- und Kundenschnittstellen, der Digitalisierung der nicht finanziellen Berichterstattung und Auswirkungen der Corona Pandemie. Es haben sich dabei viele Hypothesen bestätigt, die wir in der Praxis sehen. Die Digitalisierung der nicht finanziellen Berichterstattung steckt noch in den Kinderschuhen, was nicht weiter verwundert, wenn man bedenkt mit welchem Tempo neue Vorschriften kommen. Umgekehrt ist es spannend, dass, obwohl die automatische Eingangsrechnungsverarbeitung seit Jahrzehnten vorangetrieben wird, es noch immer viele Unternehmen gibt, die die Potentiale gar nicht, oder nur zum Teil nutzen.
BC: Sie werden ja auf der RECON ein Praxisbeispiel vorstellen, möchten Sie jetzt schon eine kleine Erfolgsgeschichte daraus mit uns teilen?
Sikora: Gerne, wir konnten einige Unternehmen bei der Digitalisierung ihres internen Kontrollsystems in den letzten Jahren begleiten und persönlich freut es mich bei diesen Projekten am meisten, wenn die Systeme und Kontrollen als sinnvoll aufgenommen werden und nicht als überbordende administrative Belastung.
BC: Was sind für Sie die wesentlichen KPIs bei Digitalisierungsprojekten?
Sikora: Langfristig natürlich der Return on Investment. Es kann jedoch eine gewisse Zeit brauchen, bis der sich materialisiert. Es gilt in fast allen Bereichen die Mitarbeiter digital fit zu bekommen. Das ist jedoch eine Transformation die seine Zeit benötigt.
BC: Wie kann das Rechnungswesen als Treiber der Digitalisierung wirken und was muss die Rechnungswesen-Abteilung tun, um nicht zum Getriebenen zu werden?
Sikora: Ich denke das entscheidende Kriterium ist die Entwicklung der digitalen Skills der Mitarbeiter. Grundsätzlich laufen im Rechnungswesen vielen Treiber der Digitalisierung zusammen, wie Datenanalysen oder auch Automatisierungsinitiativen. Der Bereich ist damit prädestiniert gemeinsam mit der IT eine Vorreiterrolle einzunehmen.
Den Faktor Mensch nicht unterschätzen
BC: Was sind die wesentlichen Widerstände, die es typischerweise bei der Implementierung von Digitalisierungsprojekten zu überwinden gilt?
Sikora: Neben den fachlichen und technischen Themen wird häufig der Faktor Mensch unterschätzt. Ohne entsprechendes Change Management kann es schnell zu fehlender Akzeptanz und Gegenbewegungen kommen. Es ist wichtig, alle mitzunehmen und für das Projekt zu begeistern. Apple hat es richtig vorgemacht, die User Experience steht im Vordergrund. Das wird manchmal bei Business Applikationen vergessen.
BC: Daran anschließend eine Frage zum menschlichen Faktor: Erwachsen Widerstände eher aus „Wir brauchen das eh nicht“ oder eher aus der Sorge, sich überflüssig zu machen?
Sikora: Das hängt ein wenig von der Art des Projekts ab. Natürlich kann es zu Sorgen von Mitarbeitern kommen, dass sie ihren Job verlieren, insbesondere bei Automatisierungsprojekten. Im Extremfall führt das zu fehlerhaften Anforderungen und einer Lösung, die dann nichts bringt. Diese Sorgen gilt es daher zeitgerecht zu adressieren. Umgekehrt bringt ein neues System immer Veränderungen mit sich und viele sträuben sich gegen Veränderungen, wenn der Status quo gut eingerichtet ist. Dieser Zugang ist zutiefst menschlich und es macht ja oft Sinn den Status quo beizubehalten zu wollen. Deshalb ist das Thema Change Management so eine wesentliche Komponente.
BC: Wie wird das Kontrollsystem kontrolliert, wo wird menschliches Urteilsvermögen unverzichtbar bleiben?
Sikora: Mittlerweile gibt es Automatisierungstechniken für die Kontrolle von Kontrollen. Die müssen allerdings auch wieder kontrolliert werden und es gibt auch weiterhin viele manuelle Kontrollen, die Urteilsvermögen verlangen. Am schwierigsten ist aber mit Sicherheit, das Design der Kontrollsystem durch IT zu ersetzen, das ja im Rahmen des Organisationswandels selber auch einem stetigen Wandel unterliegt. Insgesamt sieht man, dass dem Menschen die Arbeit nicht ausgeht. Es ändert sich ja auch insbesondere die jeweilige Risikosituation stetig, wie am Beispiel von zunehmenden Fake Invoices gut ersichtlich ist.
BC: Wo ist der Unterschied zwischen einem Unternehmen, dessen Mitarbeiter sich mit digitalen Prozessen gut auskennen und einem digitalen Unternehmen?
Sikora: Digitale Unternehmen haben die Digitalisierung in ihre DNA integriert. Es geht nicht nur um Prozesse sondern darum, Digitalisierung in die Unternehmensstrategie und das Geschäftsmodell vollumfänglich einzubinden. Der Weg dorthin führt sicherlich über digitale Prozesse, aber einen schlechten Prozess zu digitalisieren macht noch keinen guten Prozess. Ähnlich sehe ich es bei Geschäftsmodellen.
BC: Zum Abschluss etwas Persönliches: Sie kennen die RECON ja schon als Teilnehmer und werden heuer zum ersten Male Vortragender sein, welche Eindrücke haben Sie damals von der RECON mitgenommen und worauf freuen Sie sich heuer am meisten?
Sikora: Die RECON war für mich immer schon eine tolle Veranstaltung mit spannenden Vorträgen und der Möglichkeit sich mit anderen informell auszutauschen. Am meisten würde es mich heuer freuen, wenn die COVID-19 Zahlen niedrig sind, ohne neue Varianten und wir in entspannter Atmosphäre ohne große Auflagen durchkommen.
BC: Sehr geehrter Herr Sikora, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns auch schon sehr auf die RECON.
WP/StB Mag. Christian Sikora ist Partner und Geschäftsführer bei KPMG. Die Schwerpunkte seiner Tätigkeiten liegen im Bereich Digital Audit and Assurance sowie der Digitalisierung des Rechnungswesens. Er ist Vortragender unter anderem an der Universität Wien und an der FH Wien. Auf der RECON 2022 spricht er am 13. Mai über das Thema „Interne Kontrollsysteme & Abschlussprüfung in Zeiten der Digitalisierung“.
Hier können Sie die gesamte Studie "Digitalisierung im Rechnungswesen 2021" auf der Seite von KPMG kostenlos herunterladen.