Gastgeber Gerhard Pichler begrüßte das Publikum und gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass so viele gekommen waren, was in diesen Zeiten alles andere als selbstverständlich ist. Ein erster Szenenapplaus dankte dem Initiator und dem Organisationsteam von Business Circle.
Bürgerbeweger Dr. Matthias Strolz nahm in seinem Vortrag den Faden auf und betonte, dass es immer besser sei, Dinge – eben auch unter Sicherheitsauflagen – durchzuführen, als sie abzusagen. Die gegenwärtige Krise verstärkt nur den Trend hin zu Situationen, welche mit linearer Planung nicht mehr abzubilden sind. Darin werden die CFOs von Excel-Lesern zu Experten der Unsicherheit. Irritation ist dabei die Mutter der Innovation, es werden große Chancen aufgehen, es werden sich neue Produkte, Kunden und Geschäftsfelder entwickeln. Matthias Strolz ermutigte die Finanzchefs, beim Schlüpfen neuer Ideen die Hebammen zu sein.
Beim offiziellen Veranstaltungsbeginn am Morgen des 17. September begrüßte der Moderator Dieter Bornemann knapp über 100 Gäste – so viele wie unter Einhaltung von Abstands- und Sicherheitsregeln gerade zulässig waren.
Stephan A. Jansen: Krisenmanagement 5.0
Stephan A. Jansen ist Hochschullehrer aus Berlin und gab zunächst einen Überblick über die Finanz- und Kapitalismuskrisen der letzten 200 Jahre. Vor COVID gab es die Lehmann-Pleite, das Platzen der dotcom – Blase oder den Ölschock der 1970er Jahre. Dann ging er der Frage nach, wie Unternehmen es überhaupt schaffen, über 100 Jahre alt zu werden. Als einen Erfolgsfaktor identifizierte er die Bereitschaft, nicht nur das Geschäft, sondern auch seine Tools radikal, also von der Wurzel, zu ändern. Das Krisenmanagement ist nun selbst in der Krise, weil die alten Methoden nicht mehr greifen. Nach dem Krisenmanagement 4.0 und der Digitalisierung ist jetzt Management 5.0 gefragt, in dem CFOs als „C-Level Korrektiv“ gegen Management-Moden wirken müssen. Er appellierte für eine „Cut and Grow“-Strategie und dafür, Gewinne nicht über die Höhe, sondern über die Länge zu maximieren sowie Bündnisse und Beziehungen aufzubauen, auch ohne schon konkret zu wissen, was diese einmal bringen könnten.
Die neue CFO Agenda
Das CFO Forum lebt von der Idee „Von CFOS für CFOs“ und mit Reinhard Florey (OMV), Günter Ofner (Wiener Flughafen) und Martin Graf (Energie Steiermark) gaben gleich drei CFOs einen Einblick darüber, wie sie ihre Unternehmen durch die Krise führen. Dabei waren Herr Florey und Herr Ofner per Video auf einem Großbildschirm zugeschaltet. Reinhard Florey stellte seinen Beitrag unter das Motto „How to set sail in a hurricane“ und zeigte, welche Maßnahmen er zur Stabilisierung der finanziellen Situation getroffen hatte. In Zukunft soll Öl nicht mehr nur im Motor verbrannt werden, sondern verstärkt für innovative Werkstoffe genutzt werden. Günter Ofner erläuterte, dass die Flugbranche durch das Erliegen des Reise- und Tourismusverkehrs sehr stark von der Krise getroffen wurde, andererseits aber auch lebensnotwendige Hilfsgüter nur per Flug transportiert werden, der Flugverkehr also überlebenswichtig ist. Seine Zukunftsziele sind es, Schwechat als ersten CO2-neutralen Großflughafen der Welt zu etablieren. Im Risikomanagement will er die Resilienz verstärken und den Mut haben, auch Undenkbares, wie zum Beispiel einen großen, längerfristigen Stromausfall, zu denken. Martin Graf als CFO eines Energieversorgers zeigte sich hingegen glücklich darüber, dass sie von der Krise lang nicht so stark betroffen waren. Umso mehr stellte er seine Strategien vor, wie er ein 120-jähriges Unternehmen in die Postmoderne führen will, was für ihn vor allem Investition in Aus- und Weiterbildung und grüne Energie bedeutet.
Zur Rolle der Banken in der Krise war Jean-Jacques Barbéris von Amundi aus Paris zugeschaltet, so dass die Teilnehmer mitten im Südburgenland auf einmal den Blick auf den Eiffelturm genießen konnten. Mit Angelika Sommer-Hemetsberger (OeKB) und Daniel Rath (RBI) war er sich einig, dass es sehr spät sei, erst in der Krise über Innovationen nachzudenken und dass Finanzinstitute jetzt vor der Herausforderung einer neuen Risiko- und Fortbestehensprognose für Ihre Kunden stehen.
Das CFO-Stimmungsbarometer wurde mit besonderer Spannung erwartet. Wie immer wurde es von Gerhard Marterbauer (Deloitte) präsentiert. Als allgemeiner Trend zeichnete sich ein verhaltener Optimismus für den eigenen Betrieb, aber Ambivalenz für den Markt ab. Ein klarer Wunsch an die Politik ist vor allem das Senken der Lohnnebenkosten.
Prof. Dr. Lars P. Feld ist Vorsitzender des „Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung“ in der Bundesrepublik, umgangssprachlich auch „Die fünf Weisen“ genannt. Einer Institution, für die es in Österreich kein vergleichbares Gegenstück gibt. Er führte aus, dass sich die Wirtschaft noch schnell wieder erholen kann, solange es keinen zweiten Lockdown gibt. Auch europaweit liegen die ersten Zahlen vor, die im Vergleich ein klares Bild ergeben: Je massiver der Lockdown, desto größer der Schaden. Zukünftige Krisen können weltwirtschaftlich durch den Konflikt China – USA heraufbeschworen werden sowie das immer noch vorhandene und sich sogar noch verstärkende Leistungs- und Produktivitätsgefälle innerhalb des Nordens und Südens der EU.
Nach dem Abendessen fiel diesmal die CFO-Party aus, aber man versammelte sich noch zu einem Digestif in der lauen Spätsommernacht auf der Terrasse des Balance Ressorts.
Der nächste Morgen begann mit strahlendem Wetter und einer Laufrunde, bevor man sich mit „Finanzierungsstrategien im Neustart“ und „Cyberkriminalität" wieder den ernsten Dingen zuwandte. Der Freitragvormittag war vor allem dem Umgang mit der Krise gewidmet und damit der Frage: „So machen wir es – wie machen es die Anderen?“
Das Abschlußplenum versprach zwar durch seine Besetzung - Iris Burgstaller (tpa), Wolfgang Katzian (ÖGB) und Robert Ottel (voestalpine) - eine kontroverse Diskussion, dennoch war das Gespräch von gegenseitiger Wertschätzung getragen, bei welcher der Wille, Österreich sicher durch die Krise zu bringen bei allen der Leitstern war. Auch der Humor kam dabei nicht zu kurz, wie man es seit vielen Jahren aus den Diskussionen von Robert Ottel mit Moderator Dieter Bornemann kennt.
Abschließend dankte Gerhard Pichler allen CFOs, welche in bewegten Zeiten mit von der Partie waren und Business Circle weiterhin ihr Vertrauen schenken.
Das CFO Forum 2021 findet am 30. September / 1. Oktober 2021 statt.
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