Business Circle: Sehr geehrter Herr Mendel, wenn man die Märkte für Wohn-, Büro-, und Logistikimmobilien betrachtet, wo ist derzeit die meiste Bewegung und warum?
Markus Mendel: Mit dieser Auswahl haben Sie bzgl. der aktivsten Marktsegmente sozusagen einen Volltreffer gelandet. Der Wohnimmobilien- und Logistikbereich erlebt seit Monaten ein absolutes Allzeithoch und die Nachfrage in diesen Segmenten übersteigt das aktuelle Angebot bei weitem. Bezüglich Büroimmobilien muss man einen diversifizierten Blick auf die aktuelle Situation werfen. Während hier Spitzenobjekte in guten Lagen mit langfristigen Verträgen und bonitätsstarken Mietern stark nachgefragt sind, gibt es in den nachgelagerten Segmenten die mit Leerstand und ESG-Thematiken zu kämpfen haben eine tendenziell eher verhaltene Nachfrage.
BC: Was sind Ihres Erachtens die größten Herausforderungen in der Zukunft?
Mendel: Es gibt aktuell sicherlich einige Herausforderungen die von den unterschiedlichen Marktteilnehmern zu managen sind. Neben den permanent steigenden Grundstückspreisen im Einkauf sind für die Projektentwickler insbesondere die Bau- und Rohstoffkosten sowie die Eigenkapitalanforderungen in der Projektfinanzierung ein großes Thema. Der hohe Kostendruck führt in weiterer Folge zu steigenden Preisen bzw. sinkenden Rendite für die Investoren, da die Mieten nicht im gleichen Ausmaß wie die Kosten steigen.
Ergänzend dazu sind die ESG Richtlinien bzw. die EU Taxonomie marktbestimmende Elemente, die sich maßgeblich auf die Attraktivität der jeweiligen Immobilie auswirken, da sich zwischenzeitlich die Finanzierungskonditionen zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Immobilien deutlich unterscheiden. Vor diesem Hintergrund und natürlich auch unter Berücksichtigung der jeweils unternehmensinternen Nachhaltigkeitsrichtlinien der Nutzer und Investoren werden wir in den kommenden Monaten sicherlich einige institutionelle Investoren beobachten können, die ihr Portfolio neu ausrichten und nicht adäquate Immobilien auf den Markt bringen werden.
BC: Immobilien sind sehr langfristig angelegte Projekte: Was denken Sie, dass man heute schon beachten sollte, um in 10 Jahren immer noch als grün zu gelten?
Mendel: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, da sich die Technologie und auch die Regulatorik im Bereich der Nachhaltigkeit deutlich kurzfristiger als im 10-Jahres-Rhythmus ändert.
Wesentliche Aspekte sind in dieser Hinsicht sicherlich die Verwendung nachhaltiger Baustoffe, eine energieeffiziente Bauweise, die zu möglichst geringen Energieverbräuchen in der Bewirtschaftungsphase führt und selbstverständlich auch innovative Heiz- und Kühlmöglichkeiten unter weitestgehendem Verzicht auf fossile Brennstoffe. Entsprechende Nachhaltigkeitszertifikate helfen den Eigentümern und Investoren in diesem Zusammenhang bei Ihrer Ersteinschätzung, jedoch ist der Blick durch die nachhaltige Brille im gesamten Lebenszyklus einer Immobilie beizubehalten, um so nicht nur ressourcenschonend zu bauen, sondern die Immobilie auch entsprechend nachhaltig zu bewirtschaften oder gegebenenfalls am Ende des Lebenszyklus umzunutzen.
Wir glauben, dass Immobilien, die nicht nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie sind, in 10 Jahren nur mit Abschlägen vermietet und verkauft werden können und somit beschränkt marktgängig sein werden.
BC: Welches war der hauptsächliche Einfluss der Corona-Krise und was erwarten Sie, wie sich der Ukraine-Krieg im Immobilienmarkt niederschlagen wird?
Mendel: Der österreichische Immobilienmarkt wurde von der Covid-Pandemie deutlich weniger stark in Mitleidenschaft gezogen, als dies zu Beginn der Situation befürchtet wurde. Auch wenn die Verunsicherung durch die Pandemie anfangs groß war, hat die hohe Liquidität auf dem Markt in Kombination mit dem historischen Niedrigzinsumfeld und den fehlenden Anlagealternativen die Nachfrage nach den stabilen, „corona-resistenten“ Assetklassen, insbesondere bei Wohnobjekten, Logistikimmobilien, Top-Büroobjekten und im Bereich der Nahversorgung ansteigen lassen. Dieser Nachfrage-Anstieg ging aber natürlich zu lasten der stark betroffenen Segmente Hotel, Gastronomie und dem Einzelhandel abseits der Nahversorgung, da die Mieter dieser Objekte mit enormen Umsatzverlusten zu kämpfen hatten.
Wie stark sich die aktuell sehr prekäre Situation in der Ukraine genau auf den Immobilienmarkt auswirken wird, ist derzeit noch sehr schwer abzuschätzen. Kostensteigerungen in nahezu allen Bereichen, eine weitgehende Ressourcenknappheit im Bereich der für die Bauindustrie relevanten Rohstoffe (Stahl, Holz, etc.) sind nur die ersten Konsequenzen, die täglich spürbar sind.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass Betongold auch in Ermangelung von Alternativen für Investoren als sicherer Hafen interessant bleiben wird. Unbekannte Größe bzw. möglicher Game-Changer könnte in diesem Zusammenhang die Entwicklung der Leitzinsen sein.
Nicht-energieeffiziente Immobilien werden zukünftig einen wesentlichen Wettbewerbsnachteil haben
BC: Tritt mit der Gas – und Treibstoffknappheit ganz neues Problem auf oder sind schwankende Energiepreise in die entsprechenden Kalkulationen mit einberechnet?
Mendel: Steigende Rohstoffpreise bzw. eine Angebotsknappheit wirken sich natürlich immer auf die Kalkulationen der Marktteilnehmer aus. In einer bestimmten Bandbreite sind in der Regel Vorsorgen für steigende Kosten in den Produktkalkulationen vorhanden. Der Anstieg den wir aber im Moment bei vielen Komponenten sehen sprengt aber jedes Rechenmodell.
Bei vielen Gewerken ist es im Moment nicht möglich, Fixpreisangebote zu bekommen, sodass die Entwickler vielfach bis zur Fertigstellung im Kostenrisiko bleiben und die Herstellkosten bis zur Fertigstellung unsicher bleiben.
Da wir zumindest derzeit mit enormen Preissteigerungsraten konfrontiert sind, ist eine Auswirkung im Immobiliensegment bis hin zum Endnutzer sehr wahrscheinlich. Das führt letztendlich nicht nur zu deutlich höheren Herstellungskosten im Zuge der Immobilienentwicklung, sondern folglich auch zu steigenden Preisen für die Endnutzer bzw. Investoren. Natürlich steigt dadurch der Druck, die Kostensteigerungen in Form höherer Mieten weiterzugeben. Die gleiche Entwicklung ist bei den Betriebs- und Energiekosten zu beobachten.
Insofern werden zukünftig nicht-energieeffiziente Immobilien mit einem wesentlichen Nachteil im Wettbewerb um Mieter konfrontiert sein. Eine logische Konsequenz daraus ist, dass die bereits hohe Nachfrage nach energieeffizienten und zertifizierten Immobilien steigen wird und ein Ansturm auf Sanierungen bevorsteht.
BC: Inflation begünstigt immer die Flucht in Realwerte: was erwarten Sie in dieser Hinsicht?
Mendel: Das ist vollkommen richtig und wird auch in der aktuellen Phase so sein. Nicht vergessen darf man hierbei allerdings die Entwicklung der Zinslandschaft, die nicht nur eine Auswirkung auf die Finanzierbarkeit von Immobilien hat, sondern auch die Attraktivität von langfristigen Alternativveranlagungen wie Anleihen deutlich steigern und somit Kapitalflüsse institutioneller Anleger umlenken kann.
BC: Ihr Kollege Franz Pöltl hat in seinem Beitrag im Vorfeld des letzten Real Estate Circle 2021 dargelegt, dass der Trend dazu geht, höhere Renditeaussichten gegen höhere Sicherheit zu tauschen, und davon vor allem das städtische Wohnen profitiert hat. Ist dieser Trend immer noch aktuell?
Mendel: Da hat Franz Pöltl, wie so oft, genau den richtigen Riecher gehabt in welche Richtung sich der Investmentmarkt bewegt. Der Trend der sich damals bereits leicht abgezeichnet hat, ist noch deutlich stärker geworden und zeigt sich auch bei einem Blick auf die Aufteilung des Transaktionsvolumens in die unterschiedlichen Assetklassen. Dabei ist das als sehr sichere Anlageform geltende Wohnsegment mit über einem Drittel die mit Abstand bedeutendste Assetklasse.
BC: Zum Abschluss etwas Persönliches: Sie sind seit 2016 am Real Estate Circle, möchten Sie Ihren persönlichen Eindruck von dieser Konferenz mit uns teilen?
Mendel: Der Real Estate Circle ist eine hervorragende Veranstaltung und sicherlich ein fixer Termin im Kalender der Führungsriege der österreichischen Immobilienwirtschaft. Durch die Behandlung von aktuellen Themen durch spannende Vorträge und Expertenrunden sowie auch den persönlichen Austausch der beim Real Estate Circle nicht zu kurz kommt habt ihr eine tolle Plattform geschaffen die von mir sehr geschätzt wird.
BC: Herr Mendel, wir danken Ihnen sehr für dieses aufschlussreiche Gespräch und freuen uns schon auf Ihren Beitrag beim Real Estate Circle 2022!
Dipl. BW (BA) Markus Mendel, MRICS ist Geschäftsführer der EHL Investment Consulting GmbH und leitet An- und Verkäufe für lokale und internationale institutionelle Investoren und Eigentümer. Zuvor leitete er als Senior Manager das Real Estate Advisory Team bei PwC Österreich mit Fokus auf Transaktionen, Beratung und Bewertung von Einzelimmobilien und Immobilienportfolios. Am 10. Juni 2022 ist er am Real Estate Circle Host des Workshops „Status quo und Trends auf dem Investmentmarkt für Wohn-, Büro-, und Logistikimmobilien“