Wir sprechen im Vorfeld des Real Estate Circle mit Anett Gregorius und Roman Kopacek über die Rückkehr der Hotels nach der Krise sowie neue Konzepte für Business-Tagungen und Nachhaltigkeit.
Business Circle: Sehr geehrte Frau Gregorius, sehr geehrter Herr Kopacek, Sie werden am Real Estate Circle einen Überblick mit Zahlen, Daten und Fakten für das Hotellerie-Geschäft präsentieren, verraten Sie uns jetzt schon einige Highlights und sich abzeichnende Trends?
Roman Kopacek: Mit Sicherheit sehen wir eine Rückkehr in Post-Corona Zeiten, auch wenn wir glauben es ist erst 2023 mit vergleichbaren Zahlen zu rechnen. Da wir alle nicht in die Glaskugel schauen können, sehen wir 2022 nach wie vor mit Vorsicht. Klar ist, dass Nahmärkte und erdgebundene Ziele dieses Jahr vor allem im Sommer wieder boomen werden. Zusätzlich sehen wir erste positive Anzeichen im MICE Bereich, u.a. die Ankündigung den Weltkongress der Chirurgie mit rund 1.500 Teilnehmern in Wien zu haben. Die Lockerung unserer Einreisebeschränkungen wird sicherlich vermehrt Freizeitgästen positiv auffallen.
Am Real Estate Circle 2022 werden wir wie immer eine spannende Vorstellung haben. So werden wir die moderne Freizeithotellerie im Blickpunkt von Entwickler und Betreiber darstellen, wie auch neuen und ‚best in class‘ Konzepten Raum geben. Am zweiten Tag wird uns meine geschätzte Kollegin/Kooperationspartnerin Anett Gregorius aus Deutschland besuchen, welche mit ‚Apartmentservice‘ eine der größten Service- und Beratungsplattformen Deutschlands im Bereich Serviced Apartments aufgebaut hat. Mit ihr gemeinsam betrachten wir seit über 5 Jahren den Markt in Deutschland, Österreich, Budapest und Prag.
Business Circle: In unserem letzten Interview haben wir die Coronakrise mit der Finanzkrise von 2008/09 verglichen, wie beurteilen Sie die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf den heimischen Immobilienmarkt?
Roman Kopacek: Das sind zwei unterschiedliche Szenarien, welche leider nicht miteinander vergleichbar sind. Wie bereits im vergangenen Interview mitgeteilt, lehrte uns die Finanzkrise 2008/09 wie essentiell ‚Fundamentals‘ sowie schlanke Kostenstrukturen sind. Mit einem Krieg in Europa und respektive Auswirkungen wie z.B. Inflation, Energiekosten, Lieferengpässen waren wir noch nie so stark beeinflusst. Speziell auf Bankenseite sowie auch bei den Baukosten sehe ich dies mit Besorgnis bleibe aber wie immer optimistisch, dass sich auch dies legen wird. Nichtsdestotrotz hat unter anderem Colliers vor kurzem mitgeteilt, die Transaktionspipeline sei nach wie vor gut gefüllt und geht von einer kontinuierlichen Steigerung innerhalb des Jahresverlaufs aus. Gefolgt von sinkenden Renditen in anderen Asset-Klassen zeigt Cushman & Wakefield eine erhöhte Bereitschaft institutioneller Anleger auf.
Business Circle: Remote Work und vor allem virtuelle Besprechungen sind im Lockdown gekommen, aber gekommen um zu bleiben, man fliegt nicht mehr für ein Meeting durch halb Europa. Hat sich das auf den Markt für Hotels, die sich speziell an Geschäftsreisende wenden, schon durchgeschlagen?
Anett Gregorius und Roman Kopacek: Die Geschäftsreisenden reisen zwar weniger, dafür bleiben sie aber länger. Denn sie verbinden nun mehrere Termine miteinander oder nutzen Bleisure- und Workation-Angebote, um die Geschäftsreise effektiver zu machen. Für Hotels mit großen Konferenzbereichen sind die fehlenden Tagungen und Kongresse, vor allem ohne die internationalen Teilnehmer, eine echte Katastrophe. Doch die Hotels haben viele neue Ideen umgesetzt, um Veranstaltungen hybrid zu gestalten, Hygiene-Maßnahmen beim Aufbau der Veranstaltungsräume zu berücksichtigen und auch in den F&B-Konzepten auf das ‚New Normal‘ einzugehen.
Business Circle: Ein typischer Effekt einer Teuerungswelle ist, dass preisgünstigere Alternativen für bestehende Produkten stärker nachgefragt werden. Schlägt jetzt erst recht die Stunde der Serviced Apartments?
Anett Gregorius: Auf jeden Fall. Das Konzept der Serviced Apartments basiert ja auf der Einsparung von Kosten durch den Verzicht auf kostenintensive Serviceleistungen, wie sie in der Hotellerie üblich sind. Die Gäste können also selbst wählen, welche Services sie nutzen wollen und zahlen selektiert für diese. Insofern profitieren Gäste nicht nur mit attraktiven Long-stay Raten, sondern auch von der Selbstversorgungsmöglichkeit in einem komfortablen Apartment mit individuellen Service-Angebot.
Gäste wollen das Thema Nachhaltigkeit selber beeinflussen
Business Circle: Daran anschließend: Wie können große Innenstadthotels jetzt am besten Geld verdienen?
Anett Gregorius: Sie sollten ihr Konzept auf den Prüfstand stellen und anpassen, wenn es nötig ist. Das heißt, wenn die Tagungsräume leer stehen, können sie temporär oder gar dauerhaft als Co-Working-Flächen genutzt werden? Bietet ein Business Hotel auch Leistungen an, die Touristen in Anspruch nehmen würden? Und anders herum, kann ein touristisch geprägtes Hotel auch attraktiv werden für Geschäftsreisende? Letztendlich geht es um eine gute Auslastung zu profitablen Preisen. Also stellt sich die Frage, ob und wie bestehende und neue Zielgruppen verträglich zusammengebracht werden können.
Roman Kopacek: Wir sehen die Wünsche der Gäste, das Thema Nachhaltigkeit selber beeinflussen zu wollen. Kontaktlose Check-in- und Check-out-Optionen. Transparenz des ökologischen Fußabdrucks, Qualität anstatt Quantität. Der zukünftige Gast wird sich entscheiden müssen, ob er ein serviciertes Hotel mit intensiven Mitarbeiterkontakt oder lieber ein fokussiertes Hotel mit reduzierter Interaktion haben möchte.
Business Circle: Eine Frage zum Markt für Privat- und Urlaubsübernachtungen: Hier etablieren sich auch private Alternativen zu klassischen Hotels. Macht sich das in der Branche schon bemerkbar und wie wird darauf reagiert?
Anett Gregorius und Roman Kopacek: Der Markt für Privat- und Urlaubsübernachtungen durch die privaten Anbieter von Ferienwohnungen hat schon lange Tradition, sowohl in Deutschland als auch Österreich. Hier stellt sich immer die Frage, ob nicht wertvoller Wohnraum für touristische Zwecke genutzt wird. Interessanter erscheinen junge Tech-Start-ups, die mit ihrer komplett digitalen Gästereise der Hotellerie bei den Kurzzeit-Reisen Konkurrenz machen. Hier wächst gerade ein Übernachtungsangebot für die Gäste, die eine großzügige Unterkunft buchen und dabei vollkommen auf Services verzichten und völlig kontaktlos übernachten wollen.
Business Circle: Abschließend: Nachhaltigkeit ist das Gebot der Stunde. Wie kann die Hotellerie einen Beitrag zu schonendem Reisen leisten? Sowohl im Geschäfts- als auch im Tourismusbereich? Kennen Sie da vielleicht eine schöne Best-Practice-Geschichte?
Anett Gregorius: In Hinblick auf die bauseitige Entwicklung ist das B29 in Esslingen bei Stuttgart der Büroma Apart Suites ein sehr gutes Beispiel. Das Gebäude hat 53 Einheiten mit Apartments zwischen 24 und 80 m². Es ist ein Umbau, was durch die Erhaltung der Bausubstanzerhalt zu einem reduzierten CO2-Ausstoß führte. Das Haus wird mit dem derzeit innovativsten Erdspeichersystem geheizt und gekühlt. Das Projekt erhielt eine Auszeichnung mit dem Energieeffizienzpreis Baden-Württemberg und einen Architekturpreis. Darüber hinaus gewann es den ersten Preis in der Kategorie „Nachhaltigkeit“ auf der Fachkonferenz SO!APART von Apartmentservice 2021.
Schon seit Jahren verfolgen viele Hotel- und Serviced-Apartment-Betreiber bereits nachhaltige Ansätze im operativen Ablauf: der Verzicht auf Regenduschen, weil sie zu viel Wasser verbrauchen; Toiletten mit unterschiedlichen Spülwassermengen (in Deutschland zB als Standard); eine nachhaltige Art, die Raumtemperatur zu regeln (z. B. Klimadecken aus Lehm wie im The Circus Hotel Berlin); eine Beheizungs- und Lichtsteuerung für anreisende Zimmer (erst kurz vor der Anreise zu aktivieren); reduzierte Reinigungszyklen (konzepttypisch für Serviced Apartments) sind auch nachhaltig ebenso wie der Einsatz regionaler Produkte, möglichst in Bio-Qualität und mit kurzen Transportwegen.
Business Circle: Sehr geehrte Frau Gregorius, sehr geehrter Herr Kopacek, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns schon sehr, Sie live am Real Estate Circle zu begrüßen!
Anett Gregorius hat das Apartmentservice als Beratungsunternehmen für das Segment der Serviced Apartments gegründet und etliche Standards und Projekte im Segment mit auf den Weg gebracht. Zugleich betreibt sie die gleichnamige Buchungsplattform. Seit 2013 veranstaltet sie die SO!APART, publiziert seit 2011 den jährlichen Marktreport Serviced Apartments und launchte 2021 das digitale Fachmagazin SO!APART insight.
Roman Kopacek ist Geschäftsführer bei Michaeler & Partner Wien, einer auf Hotel und Tourismus spezialisierten Beratungsfirma. Zuvor leitete er den Bereich Hotel Performance Management für den Raum CEE und sammelte langjährige Erfahrungen bei Hilton World Wide. Seit nunmehr 5 Jahren führt M&P auch in allen österreichischen Landeshauptstädten sowie in Prag und Budapest die Serviced Apartment Marktumfrage in Kooperation mit Apartmentservice durch – das Fachwerk für diese Städte.
Am 10. Juni 2022 sind Anett Gregorius und Roman Kopacek im Rahmen des Real Estate Circle Gastgeber eines Workshops zum Thema „Zwei Märkte, zwei Wege - Serviced Apartments im DACH-Raum auf der Überholspur“.