Von Victor Stoltenburg, Deka Immobilien Investment: Um Spitzenimmobilien zu akzeptablen Preisen zu erwerben, kommt es auf langjährige Erfahrung, gute Vernetzung oder ein kompetentes Renommee an.
Jeder Krise wohnt auch eine Chance inne. Das gilt auch für die Corona-Pandemie. Schließlich hat der Lockdown zu deutlichen Verschiebungen am globalen Markt für Gewerbeimmobilien geführt. Das Hotelsegment galt bis März 2020 als stabile und risikoarme Anlageklasse. Doch dieser Bereich kam gewaltig unter Druck. Es fanden zwar bisher nur wenige Transaktionen statt, so dass die Preisentwicklung schwer abzuschätzen ist, tendenziell werden aber erfahrungsgemäß Preise sinken und Renditen steigen. Doch sollte niemand den Hotelmarkt komplett abschreiben, da dieser sich spätestens in zwei oder drei Jahren stark erholen wird. Aber auch in den anderen Segmenten des Gewerbeimmobilienmarktes kam zu Veränderungen. Ausgangsbeschränkungen und das Schließen des Einzelhandels haben den Onlinehandel noch mehr boomen lassen. Während die Nachfrage nach Logistikgebäuden massiv gestiegen ist, leiden vor allem Shoppingcenter außerhalb der Stadtzentren. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich Retailkonzepte, die nicht auch schon vor der Coronakrise unter Druck standen, ebenfalls wieder erholen werden. Ebenso wie im Hotelbereich führten die Schwierigkeiten und die direkte Betroffenheit durch Lockdown-Maßnahmen zu sinkenden Preisen und steigenden Renditen.
Bei Core-Objekte bleiben die Preise stabil
Wenig getan hat sich dagegen am Markt für Büroimmobilien, und dabei sticht besonders der Core-Bereich als Fels in der Brandung heraus. Waren zu Beginn der Pandemie noch leichte Abschläge bei den Preisen möglich, die ein eigenkapitalstarker Investor nutzen konnte, um Spitzenimmobilien zu erwerben, kann davon schon lange keine Rede mehr sein. Die Preise in den europäischen Metropolen sind teilweise über das Vorkrisenniveau gestiegen. Doch sind auch Büroimmobilien indirekt von den Auswirkungen der Coronakrise betroffen. Viele Arbeitnehmer arbeiten im Homeoffice, und es stellt sich die Frage, welche Folgen dies für die Büromärkte haben wird. Die moderne Arbeitswelt wird aus einer Kombination von festen und mobilen Arbeitsplätzen bestehen. Für die erfolgreiche Verknüpfung muss der Arbeitsplatz im Büro gewisse Qualitätsmerkmale aufweisen: gute Infrastrukturanbindung, hochwertige Ausstattung und eine hohe Aufenthaltsqualität. Gebäude mit diesen Merkmalen werden daher weiterhin eine hohe Nachfrage haben. Für Immobilien in A-Lagen wird dieser Trend deshalb kaum langfristige Konsequenzen nach sich ziehen. Es stellt sich die Frage, welche Kriterien Core-Immobilien erfüllen müssen, um krisenfest zu sein. Zuallererst muss die Lage stimmen. Hier gibt es Core-Länder und solche, die weniger im Fokus stehen. Das Gleiche gilt für die jeweilige Städte. Auch hier gilt es, Core-Metropolen zu definieren. Dort wiederum stehen Gebäude in Innenstadtlagen im Fokus. Weitere Kriterien betreffen das Objekt selbst: Das heißt, ob es modernsten Anforderungen entspricht und insbesondere Kriterien der Nachhaltigkeit erfüllt oder nicht. Und schließlich spielt die Vermietung eine Rolle. Also wie ist der aktuelle Vermietungsstand, wie lang laufen die aktuellen Mietverträge, und wie ist es um die Bonität der Mieter bestellt?
Nachhaltigkeit als neues Kernkriterium
Tatsächlich unterliegen diese Kriterien im zeitlichen Ablauf immer wieder mehr oder weniger starken Veränderungen. Core-Lagen können sich verschieben und Nachhaltigkeit in der Vergangenheit kein entscheidendes Kriterium. Das ändert sich derzeit aber rasant. Aspekte wie die Energieeffizienz, Abfallvermeidung oder die Schonung von natürlichen Ressourcen gewinnen für die Definition einer Core-Immobilie immer mehr an Bedeutung. Diese Kriterien darf ein Core-Investor mit Fokus auf risikoaverse Investments nicht vernachlässigen. Wenn ein Objekt nicht komplett in dieses Schema passt, kann ein Ankauf trotzdem Sinn ergeben, wenn es preislich attraktiv ist. Dazu braucht es natürlich die Überzeugung, dass solche Objekte und deren Mieter auch eine Durststrecke von ein oder zwei Jahren überstehen können und gut aus einer Krise herauskommen. Diese Überlegung basiert darauf, dass sich Core-Investoren als Langfristanleger verstehen, das heißt, erworbene Objekte über 15 Jahre oder darüber hinaus zu halten. Deshalb gilt es das langfristige Erholungspotenzial besonders betroffener Bereiche, bei antizyklischen Ankaufstrategien zu berücksichtigen. Langfristig betrachtet kann so beispielsweise der Hotelbereich attraktiv sein. Vor allem Standorte, die nicht so stark von Messen und Konferenzen, die wahrscheinlich noch einige Zeit gar nicht oder nur eingeschränkt stattfinden werden, abhängig sind, sollten in diesem Segment im Vordergrund stehen. Auch gilt es zu bedenken, ob das Rebranding eines Hotels relativ einfach durchführbar ist. Tatsächlich kamen Hotelbetreiber und -investoren in dieser Krise besonders stark unter Druck. Sie hatten zum Teil enormen Finanzierungsbedarf. Um dem nachkommen zu können, haben diese damit begonnen, ihre besten Objekte in ihrem Bestand auf den Markt zu bringen. Und das, da es derzeit kaum Nachfrage gibt, zu oftmals vergleichsweise niedrigen Preisen.
Seltene Gelegenheiten nutzen
Ähnliches gilt im Einzelhandelsbereich. Dort sind es große Betreiber und Investoren, die sich wegen eines kurzfristigen Finanzierungsbedarfs insbesondere von Shoppingcentern in besseren Lagen trennen. Aber auch im Bürobereich tun sich immer wieder Opportunitäten auf. Ein Beispiel ist London. Dort sind Immobilien in den Toplagen in normalen Marktphasen kaum erwerb- und bezahlbar. Durch die corona- und brexitbedingte Unsicherheit gab es dort jedoch gute Investmentmöglichkeiten. Entsprechend ist aber in boomenden Marktsegmenten eher Zurückhaltung angesagt. Auch hier darf ein Core-Investor nicht jedem Trend hinterherlaufen, mit dem auf lange Sicht Risiken verbunden sein können. Auch bei sich bietenden guten Gelegenheiten gilt es, die geltenden Kriterien für gute Objekte nicht zu vernachlässigen und nicht um jeden Preis mitzumachen. Ein guter Immobilieninvestor zeichnet sich durch langjährige Erfahrung, gute Vernetzung und ein gutes Renommee am Markt aus.
Das sind in der aktuellen Phase nicht zu unterschätzende Erfolgsfaktoren. So finden gerade im Ausland viele Verkaufsprozesse nicht mehr mit mehreren Bieterrunden und einer Vielzahl von Investoren statt, sondern werden kleiner und konzentrierter durchgeführt.
Der Namensbeitrag erschien zuerst in der „Börsen-Zeitung“ (Frankfurt am Main)
Der Autor: Victor Stoltenburg ist Geschäftsführer der Deka Immobilien Investment GmbH, der Immobilienfonds Anbieter der Deutschen Sparkassen Finanzgruppe. Er ist als Global Head of Investments weltweit für die An- und Verläufe der Deka Gruppe zuständig. Deka Immobilien ist mit Assets under Management von rund € 45 Mrd. einer der größten Immobilien Assetmanager Europas. Der gelernte Jurist ist seit über 20 Jahren in der deutschen Fondsbranche tätig und arbeitete u.a. auch für die Union Investment und die SEB ImmoInvest. Beim Real Estate Circle 2021 spricht er darüber, was sich durch COVID und Lockdown für die Immobilienbranche dauerhaft ändern wird.
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