Business Circle: Sehr geehrter Herr Pöltl, in Ihrem letzten Blogbeitrag haben Sie unter anderem betont, dass in der Corona-Zeit die höhere Sicherheit die Aussicht auf bessere Renditen übertrumpfte, wie hat sich das Verhältnis Rendite zu Sicherheit seitdem entwickelt?
Franz Pöltl: Sicherheit ist – wieder – ein zentrales Thema! Diesmal ist die Verunsicherung nicht durch eine Pandemie verursacht, sondern durch Zinssteigerung, Teuerung und vor allem Rezession bzw. im Immobilienbereich die in letzter Zeit gehäuften Insolvenzmeldungen. Obwohl diese Situation sicherlich noch einige Monate andauern wird, sehen wir schon erste Anzeichen der Erholung: da ist einerseits das Zinsniveau am langen Ende zu erwähnen, das fast 1 % unter dem Höchststand von Ende letzten Sommer liegt. Wir spüren auch wieder mehr Interesse am Immobilienmarkt, aber bis wir zu den Transaktionsvolumina von 2021 zurückkommen, wird es noch lange dauern.
BC: Welche Strategie halten Sie in der derzeitigen Marktlage für am ehesten empfehlenswert: Verkaufen, halten, refinanzieren?
Pöltl: Wer in der jetzigen Situation nicht verkaufen muss, für den ist „Halten“ die zu empfehlende Strategie. Es gibt aber viele Marktteilnehmer, die aus verschiedensten Gründen verkaufen müssen – sei es, weil es zum Beispiel bei Entwicklern Teil des Geschäftsmodelles ist, sei es, weil Fonds das Ende der Laufzeit erreicht haben. Der eine oder andere trennt sich auch von Objekten, weil er anstehende Investitionen nicht mehr finanzieren möchte (ESG-Umstellung) oder um Liquidität für höher rentierliche Projekte zu schöpfen. Die Motivation als auch die Strategie der Umsetzung ist jedenfalls vielschichtig.
Immobilien, die ESG-Anforderungen nicht entsprechen, schwieriger und teurer zu finanzieren
BC: Inwiefern können ESG-Bewertungen und Ratings die bestehenden Finanzierungsmodelle älterer Immobilien beeinflussen?
Pöltl: ESG ist ein immer wichtiger werdendes Thema, das im Moment durch die Zinserhöhung und die drohende Rezession überlagert bzw. verdrängt wird. Faktum ist jedoch, dass sich sowohl Banken als auch institutionelle Investoren dahingehend umstellen, als zukünftig Immobilien, die den ESG-Anforderungen der EU nicht entsprechen, schwieriger und teurer zu finanzieren sein und auch im Exit abgestraft werden.
BC: Crowdfunding ist ein schönes Buzzword, aber lassen sich damit tragbare Finanzierungsmodelle bauen?
Pöltl: Im aktuellen Kapitalmarktumfeld gibt es auch für alternative Finanzierungen wie Crowdfunding große Herausforderungen. Die Probleme der Developer und drohende Insolvenzen verursachen auch im Crowdfinanzierungsbereich Verunsicherung, die sich aber mit dem Aufschwung wieder lösen wird. Bis dahin ist es aber – wie oben schon erwähnt – noch ein weiter Weg. Darüber hinaus hat es für Crowdfunding einige regulatorische Änderungen gegeben, die für die Attraktivität und Weiterentwicklung des Produkts sicherlich positiv zu sehen sind.
BC: Inwiefern lässt sich die DACH-Region noch als einheitlichen Raum betrachten oder inwieweit ist die Schweiz wegen der eigenen Währung und ohne EU-Mitgliedschaft als komplett eigner Raum zu begreifen?
Pöltl: Deutschland und Österreich als EU- und Euro-Länder unterscheiden sich sicherlich sehr wesentlich von der Schweiz und das gilt natürlich auch für die jeweiligen Immobilienmärkte. Die aktuelle geopolitische Situation macht aber dem gesamten DACH-Raum zu schaffen.
BC: Die Bundesrepublik Deutschland hat sich vom Wirtschaftsmotor zum Wachstumsschlusslicht gewandelt, erwarten Sie davon eher negative oder eher positive Auswirkungen auf den österreichischen Immobilienmarkt?
Pöltl: Ich glaube, es macht keinen Sinn, hier Deutschland-Bashing zu betreiben. Fakt ist, dass die deutschen Investoren, hier an vorderster Front die offenen Fonds, Versicherungen und Versorgungswerke, aber auch deutsche Privatinvestoren, neben den heimischen Käufern die mit Abstand wichtigste Investorengruppe sind und dies auch noch auf Jahrzehnte hinweg sein werden. Insofern ist Deutschland für den österreichischen Immobilienmarkt sehr wichtig und daher können wir eigentlich nicht feststellen, dass das Interesse an heimischen Objekten bei deutschen Investoren zurückgegangen wäre. Die durch den Zinsanstieg ausgelösten Preisrückgänge spiegeln sich aber natürlich auch in den Geboten deutscher Interessenten wider.
BC: Zum Abschluss etwas Persönliches: Sie begleiten den Real Estate Circle schon sehr lange – Danke für die gute Zusammenarbeit! Möchten Sie Ihren persönlichen Eindruck von dieser Konferenz mit uns teilen?
Pöltl: Ich finde das Format wirklich außergewöhnlich gut, da es nicht nur die Möglichkeit bietet, sich über neueste Trends und Entwicklungen zu informieren, sondern auch ein Ambiente schafft, das über das „normale“ Netzwerken hinausgeht und die Gelegenheit bietet, mit vielen Marktteilnehmern Gespräche zu führen, die einen gewissen Tiefgang haben.
BC: Sehr geehrter Herr Pöltl, wir danken Ihnen für dieses Gespräch und freuen uns, Sie bald wieder zum Real Estate Circle zu begrüßen!
Mag. Franz Pöltl, FRICS ist geschäftsführender Gesellschafter der EHL Investment Consulting GmbH. Davor war wer in leitender Funktion für Immobilienfonds österreichischer Großbanken sowie als Geschäftsführer von Immobilienkapitalanlagegesellschaften tätig . Er ist ausgewiesener Experte für An- und Verkauf von großvolumigen Immobilien und –portfolios. Beim Real Estate Circle am 16./17. Mai ist er Teil des Podiums bei einer Diskussion zum Thema „Developer im Stresstest“.