Die Immobilienwelt nach der Pandemie. Was sich für die Branche dauerhaft ändern wird“, lautete der Titel des CEO-Talks im Rahmen des „Real Estate Circles“ am 23. und 24. September 2021 im Hilton Vienna Danube Waterfront. Am Podium diskutierten Bruno Ettenauer (S Immo AG, Wien), Victor Stoltenburg (Deka Immobilien Investment, Frankfurt) und Thomas G. Winkler (UBM AG, Wien).
Die Location – ein internationales 4-Sterne-Superior Hotel direkt am Wiener Donauufer mit 13 flexiblen Meeting-Räumen – war natürlich prädestiniert, um über Hotels nachzudenken. In einem eigenen Tagesordnungspunkt sprach so auch UBM-Vorstand Martina Maly-Gärtner mit Gerhard Aigner (Verkehrsbüro) über das Thema „Verpächter/Pächter während der Corona-Krise“.
Und auch im CEO-Talk war das frühere Lieblings-Asset der Immobilienentwickler ein emotionales Thema: „Wenn man als börsennotiertes Unternehmen ein Risiko nicht selbst in der Hand hat“, erklärte Thomas G. Winkler, „dann muss man es entschärfen.“ Denn auch wenn sich Hotels weltweit schön langsam wieder füllen, standen die Häuser in Zeiten der Corona-Lockdowns größtenteils leer.
Spektakuläre Alternativen
Der Immobiliensektor, und hier speziell die Immobilienentwickler, haben rasch auf die geänderten Verhältnisse reagiert, sagte Winkler: „Bei vier Projekten, die bereits in Bau befindlich waren, hätte sich ein Stopp auf keinen Fall gerechnet. Aber elf weitere Hotel-Projekte haben wir relativ rasch einer anderen Lösung zugeführt.“
Beispielhaft aus UBM-Sicht ist eine Entscheidung in Frankfurt am Main. Direkt neben dem neuen F.A.Z-Tower, den UBM mittlerweile mit stolzem Gewinn an Hanse Merkur verkaufen konnte, hätte ein Leonardo-Hotel mit 350 Betten gebaut werden sollen: „Dort entsteht nun stattdessen der Timber Pioneer, das erste Holz-Hybrid-Hochhaus Frankfurts.“
Ausgeklügeltes Storytelling
Der Timber Pioneer ist für Winkler ein perfektes Beispiel dafür, dass das Firmenmotto green. smart. and more. nicht nur auf dem Papier existiert, sondern auch in die Realität übersetzt wird. Ausgeklügeltes Storytelling hilft zusätzlich, den Gedanken an die Natur in die Stadt zu holen: „Der Eingangsbereich wird nach Wald riechen und im Aufzug werden Sie im Hintergrund einen Specht hören.“
Ein großes Thema der Immobilienbranche ist die veränderte Arbeitswelt in Folge Corona-bedingter Lockdowns. „Es gibt keine zwei Meinungen“, legte sich Victor Stoltenburg, CEO von Deka Immobilien Investment fest: „Büros werden nach der Pandemie anders aussehen als zuvor.“ Wobei das klassische Büro schon in der Vergangenheit immer wieder Veränderungen unterlegen wäre: „Eine Zeit lang galt der Großraum als Allheilmittel der Produktivität. Später hat man festgestellt, dass es sich im Großraum doch nicht so gut arbeiten lässt, weil es teilweise recht laut ist.“
Als Kommunikationszentrum unersetzlich
Sicher war sich der in Frankfurt am Main ansässige Geschäftsführer und Global Head of Acquisition jedenfalls, dass das Büro Zukunft hat und nicht gänzlich vom Home-Office abgelöst werden kann – und wird: „Natürlich können Sie Excel-Tabellen auch zu Hause bearbeiten. Aber nicht fünf Tage pro Woche. Das Büro bleibt weiterhin der Mittelpunkt und das Kommunikationszentrum des Unternehmens.“
Bruno Ettenauer hingegen wollte nicht verhehlen, dass „das Büro Druck verspüren wird.“ Der CEO der S Immo AG mit Sitz in Wien sieht zwar, dass die Pandemie den Trend zum Home-Office verstärkt hat. „Aber die größere Bedrohung sehe ich durch die Digitalisierung und dem damit verbundenen Schrumpfen der Gesamtzahl von Büro-Mitarbeitern.“
Neue Nutzungsformen sichern Werte
Rund 20 Prozent der aktuell existierenden Büroflächen werden nach Schätzung von Bruno Ettenauer in den kommenden Jahren aus dem Markt ausscheiden. „Aber sie werden nicht gänzlich verschwinden, sondern in eine andere Nutzungsform konvertiert werden. Was die Werte betrifft, bleibe ich zuversichtlich.“
Neben den Folgen der Pandemie und der Digitalisierung liegt einer der Gründe für das Ausscheiden von Büroflächen in einem Kürzel, das nicht nur die Immobilienwelt vor große Herausforderung stellt: ESG! Environment, Social & Governance (zu Deutsch Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sorgt für neue politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen.
Nachhaltigkeit überlagert alles
„Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind die alles überlagernden Themen“, sagte Victor Stoltenburg. „Wir in der Immobilienbranche können sehr viel dazu beitragen, den CO2-Verbrauch zu senken. Die Vorgaben der EU zwingen Investoren fast schon dazu, grün zu denken. Wir werden uns jedenfalls etwas einfallen lasse müssen.“ Ein konkretes Beispiel, das sich auf neue soziale Vorgaben bezieht, kann der Deka-Geschäftsführer bereits vorweisen: „Es wird keine riesengroßen Büros mit 2,40 Meter Deckenhöhe und ohne Tageslicht mehr geben.“
Die oben angesprochenen 20 Prozent an Büroflächen, die aus dem Markt ausscheiden werden, sind nicht zuletzt neuen ESG-Regeln geschuldet, erklärte Bruno Ettenauer. „Wenn technische Adaptierungen wirtschaftlich nicht sinnvoll sind, wird ein Abriss und Neubau oft das vernünftigere Vorgehen sein.“ Kritischer Nachsatz: „Ob sich das auf die Gesamtenergiebilanz einer Immobilie positiv auswirkt, sei dahingestellt ...“
Urbanisierung – ja oder nein?
Bei den prinzipiell positiven Aussichten für die Wohnbau-Branche waren sich Bruno Ettenauer und Thomas G. Winkler einig (Victor Stoltenburgs Deka Immobilien Investment ist am Wohnsektor nicht aktiv). Für einen der wichtigsten Zukunftstrends gab es aber unterschiedliche Einschätzungen.
Eine Folge der Pandemie für die Immobilienwelt ist der bereits angesprochene Trend zum Home-Office: „Wenn ich zu Hause arbeite und nur zwei-, dreimal pro Woche ins Büro fahre, kann ich gleich 40, 50, ja sogar 60 Kilometer entfernt wohnen“, sagte Bruno Ettenauer, der als CEO der S Immo AG bereits auf den Trend zur Stadtflucht reagiert hat: „Wir haben sechs Millionen Quadratmeter Land im Umland von Berlin gekauft – in einem Radius von 25 bis 30 Kilometer und zu einem Preis von durchschnittlich 14 Euro pro Quadratmeter.“
Wo Gelegenheiten warten
UBM-CEO Thomas G. Winkler glaubt hingegen an eine immer größere Verdichtung der Städte: „Irgendwann werden auf diesem Planeten zehn Milliarden Menschen leben. Wenn das mit ESG ernst gemeint ist – und dieser Meinung bin ich zu hundert Prozent – dann kann die Veränderung nur durch eine verstärkte Urbanisierung gelingen.“
Ein Vorzeigeprojekt dieser urbanen Verdichtung plant UBM bereits in München: Auf dem 12.000 Quadratmeter großen Gelände des ehemaligen Willy Bogner Sport Headquarters im aufstrebenden Osten der bayerischen Hauptstadt wird ein neuer Holzwohnbau entstehen: „Das war eine Gegend, in der man das früher nicht vermutet hätte. Aber es ergeben sich immer wieder Gelegenheiten. Sie können gleich hinter der nächsten Biegung auf dich warten.“
Der Artikel erschien zuerst auf der Homepage von UBM-Development