Die COVID-19 Pandemie hat die Weltwirtschaft völlig unvorbereitet getroffen. Das Virus hat den Großteil des Marktes von einem Tag auf den Anderen fast lahmgelegt. Für einige Sektoren wie Hotel- und Freizeitimmobilien dauert die herausfordernde Situation nach wie vor an, in anderen, wie zum Beispiel dem Zinshausmarkt entsteht der Eindruck, der „lock-down“ habe keine Auswirkungen auf die Nachfrage gehabt, zumindest keine negativen.
Nach fast einem halben Jahr Erfahrung mit der Pandemie und den von der Politik verhängten Einschränkungen zeigen die ersten Analysen der damit verbundenen Konsequenzen, dass die Menschen, die Wirtschaft und vor allem die Anleger auch im Rahmen ihrer Veranlagungen nach Sicherheit streben und Risiken, die sie vor Corona nicht einmal gekannt hatten, nun ins Zentrum ihres Handelns rücken. Gleichzeitig bleibt der Markt von der hohen Liquidität der Fonds, Pensionskassen und Versicherungen, aber auch der privaten Anleger geprägt, die nach Veranlagungsalternativen vor allem im Immobilienbereich sucht.
Vor diesem Hintergrund zeichnen sich unterschiedliche Trends für die einzelnen Immobiliensegmente ab
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Bereich der Wiener Zinshäuser, der die Pandemie quasi zu ignorieren scheint. Insbesondere private Anleger und Stiftungen haben ihr Interesse an den historischen Zinshäusern während des „lock-down“ noch intensiviert und diese Immobiliengattung als quasi Antwort auf die wirtschaftlichen Herausforderungen und der mit dem „lock-down“ einhergehenden Risiken auserkoren. Die Transaktionstätigkeit am Zinshausmarkt ist deshalb auch während der Zeit des „lock-down“ nicht zum Erliegen gekommen, ganz im Gegenteil. So wurden bereits Anfang April wieder Ankäufe von Zinshäusern durchgeführt, auch wenn gemeinsame Besichtigungen oder persönliche Termine nur unter erschwerten Bedingungen möglich waren, sodass das im 1. Halbjahr abgewickelte Volumen zumindest so hoch wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres war. Dies ist vor allem dem hohen Substanzwert dieser Immobiliengattung geschuldet, die schon viele Krisen überdauert hat.
Aber auch der Neubauwohnungsbereich hat sich unbeeindruckt von der Pandemie im 1. Halbjahr außerordentlich gut entwickelt. Der „lock-down“ hat zwar die Vermietung von Wohnungen und den Verkauf von Häusern erschwert, aber die demographischen Voraussetzungen und das Wohnbedürfnis wurden durch Corona nicht geschmälert. Es ist daher im Moment ein Nachholeffekt insbesondere bei Transaktionen im Neubauwohnungsbereich zu verzeichnen, wobei die starke Nachfrage nach geeigneten Investmentobjekten derzeit nicht zur Gänze befriedigt werden kann.
Insbesondere seit dem Aufheben der Reisebeschränkungen innerhalb der Europäischen Union Ende Mai ist hier eine Intensivierung der Transaktionstätigkeit zu verzeichnen, da vor allem die deutschen Investoren wieder verstärkt in den Markt zurückgekommen sind und das für den österreichischen Wohnungsmarkt gewidmete Kapital weiter angestiegen ist.
Die Mieter von Gewerbeimmobilien und in weiterer Folge auch die Eigentümer und Kaufinteressenten derartiger Objekte sind dagegen stärker von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. So wird derzeit vor allem versucht, das Risiko, welches aus Anmietungs- oder Investmententscheidungen resultieren könnte, so weit wie möglich zu reduzieren. Als Konsequenz daraus werden Expansionsbestrebungen hintangestellt und nur wenig Büroflächen, Geschäftslokale oder Hotelimmobilien neu angemietet. Die Investoren haben ihren Fokus daher auf Gewerbeobjekte in guten Lagen, die möglichst langfristig und an Mieter bester Bonität vermietet sind, ausgerichtet. Objekte, die das nicht bieten können, werden – sofern überhaupt Kaufinteresse gegeben ist - mit Preisabschlägen „bestraft“. Wo die Investoren erhöhte Risiken im Geschäftsmodell der Mieter/Pächter sehen, wie zum Beispiel bei Hotel- oder Shopbetreibern, leidet die „Investitionslust“ generell. Andererseits erreichen die Top-Büroobjekte, sofern diese langfristig gesicherte Cash-Flows bieten, Preise, die auf dem „Vor-Corona-Niveau“ liegen bzw. dieses in Ausnahmefällen bereits übertreffen.
Sehr nachgefragt sind auch Logistikimmobilien, da diese indirekt durch den enormen Anstieg des on-line Geschäfts während des „lock-down“ weiter in den Fokus der Fonds gerückt sind. Leider ist das Produktangebot in diesem Segment in Österreich absolut unzureichend.
Außerordentlich stark nachgefragt sind auch Grundstücke, vor allem für Wohnbau. Die starke Nachfrage der Entwickler nach geeigneten Liegenschaften treibt die Preise weiter in die Höhe.
Sehr stark unter den Auswirkungen der Pandemie leiden Freizeitimmobilien und Hotels. Insbesondere die Stadthotelerie ist von der eingeschränkten Reisetätigkeit betroffen, da sowohl Geschäftsreisen als auch Städtetrips kaum stattfinden. Viele Ketten haben auf Grund der geringen Auslastungsquoten, die zu erwarten sind, nach wie vor nicht geöffnet. Die Transaktionstätigkeit in diesem Bereich ist daher zum Erliegen gekommen.
Eine Trendumkehr ist hier wohl erst zu erwarten, wenn großflächige Impfungen gegen das Virus möglich sind und neben kulturellen Veranstaltungen auch Kongresse und Tagungen wieder stattfinden können.
Der Autor:
Mag. Franz Pöltl, FRICS, Geschäftsführer der EHL Investment Consulting GmbH. Davor in leitender Funktion für Immobilienfonds österr. Großbanken sowie Geschäftsführer von Immobilienkapitalanlagegesellschaften. Experte für An- und Verkauf von großvolumigen Immobilien und –portfolios. Er wird den Real Estate Circle 2020 moderieren.
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