Die Baubranche hat gegenüber BIM viele Erwartungen aber auch Bedenken. Rechnet sich der finanzielle Aufwand? Wie kann man BIM konkret umsetzen? Und was ist letztendlich der Nutzen? Anna Huditz ist Leiterin der Technischen Koordination der ASFINAG sowie Vortragende am BIM Forum 2018 und gibt Antworten.
Anna Huditz
Der Bau der zweiten Röhre des Karawanken-Tunnels an der Grenze zu Slowenien, ist nicht nur eines der größten aktuellen Bauvorhaben in Österreich, sondern auch ein BIM-Pilotprojekt der ASFINAG. Anna Huditz ist Leiterin der Technischen Koordination der ASFINAG und an der Umsetzung von BIM involviert. Vor ihrem Beitrag am BIM-Forum 2018 von Business Circle plädiert sie im Gespräch, BIM nicht bloß als Software oder Planungstool zu begreifen. Denn das Building Information Modelling ist ein Prozess, der auch alle anderen Abläufe im Unternehmen betrifft und idealerweise optimiert. Gerade bei einem großen Unternehmen wie der ASFINAG ist es eine Herausforderung, BIM in bestehende Prozessstrukturen zu integrieren. Neben der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern und Planern, müssen auch interne Schnittstellen reibungslos funktionieren und dazu eine längerfristige Umsetzungsstrategie entwickelt werden.
Der ungewisse Lohn für den Aufwand
Dabei kann die Implementierung von BIM nicht nur vom ersten finanziellen Aufwand abhängig gemacht werden, ob und wie sich die Anwendung lohnt, muss am gesamten Life Cycle von Projekten gemessen werden.
Die gesamte Projektstruktur wird optimiert:
- betriebliche Überlegungen werden weit vorgezogen
- teure baubegleitende Planung minimiert
- alternative Bauabläufe und -ausführungen per Simulation vergleichbar gemacht
- spätere Wartung der Anlagen vereinfacht
- die Zusammenarbeit aller am Projekt Beteiligten vereinfacht
Gleichzeitig entstehen aber zahlreiche neue Schnittstellen, deren Abhandlung insbesondere auch technisch noch nicht gänzlich ausgereift ist.
Wenn wir von BIM reden, meint jeder etwas anderes.
Als öffentlicher Auftraggeber sieht sich die ASFINAG den Vorgaben aus dem Bundesvergabegesetz – Wettbewerb, Gleichbehandlung, Transparenz – verpflichtet. Das bedeutet, dass im Sinne von big open BIM viele Unternehmen mit unterschiedlicher Software und Know-How gemeinsam ein Projekt abwickeln müssen. Das erhöht den Aufwand und die Menge der Schnittstellen enorm. Huditz ist aber überzeugt, dass zukünftig nicht wesentlich mehr Personal nötig sein wird, um Projekte mit BIM umzusetzen, allerdings werden sich die Anforderungen an die Mitarbeiter ändern. Die Suche nach qualifiziertem Personal wird eine der Herausforderungen für die Branche und gleichzeitig für die Bildungsreinrichtungen.
BIM als vernetzte Datenbank
Die Arbeit mit BIM bedeutet auch die Verwaltung von riesigen Datenmengen. Denn maximal 5% aller Daten, die im Bau anfallen, werden später im Betrieb noch benötigt. Welche Daten das sind und von welcher Qualität diese sein müssen, ist bereits lange vor Planungsbeginn festzulegen. Dazu müsste man Schnittstellen zu anderen Anwendungen implementieren, etwa zu SAP, Wartungsdatenbanken oder GIS. Die sinnvolle Kommunikation der tatsächlich relevanten Daten ist einer der großen Vorteile von BIM und gleichzeitig die größte Herausforderung. Momentan sei das Konzept von BIM noch ungenau – gerade das bietet aber große Möglichkeiten zur Innovation und Gestaltung.
Die Branche ist am Zug
Um das Potenzial von BIM voll auszuschöpfen, sind für Anna Huditz einheitliche Rahmenbedingungen erforderlich. Die gesamte Österreichische Bauindustrie ist gefordert, gemeinsame Standards zu erarbeiten. Zusammen kann die Branche den Ablauf, die technischen Rahmenbedingungen und die Kompetenzen festlegen. Das spart allen Beteiligten mittelfristig Ressourcen und erhöht ganz wesentlich die Ausführungsqualität. Allein die offenen Fragen und notwendigen Rahmenbedingungen sollte die Branche selbst beantworten und festlegen und nicht auf den Gesetzgeber warten. Die Ausarbeitung eines einheitlichen Standards muss an oberster Stelle stehen. Entwicklungen in unterschiedliche Richtungen erschweren die Erreichung eines gemeinsamen Ziels oder machen sie gar unmöglich. Wie sich die neuen Prozesse gestalten, hängt allein von der Branche ab. Jetzt ist die Zeit, um gemeinsam ein für alle nützliches BIM zu gestalten.
Am 24. Mai diskutiert Anna Huditz am BIM-Forum 2018 von Business Circle über die Chancen des „digitalen Zwillings“. Weitere Informationen zu unseren Veranstaltungen finden Sie auf Facebook, LinkedIn oder in unserem Newsletter.