Business Circle: Was sind die momentan größten Trends im bargeldlosen Zahlungsverkehr?
Jean-Yves Jacquelin: Im Wesentlichen haben wir es mit vier großen Themen zu tun:
- Instant Payment: Hier handelt es sich um Echtzeitüberweisungen innerhalb der EU von einem Konto zum anderen mit einer finalen Gutschrift für den Begünstigten – in drei Sekunden, mit dem Ziel es in zwei zu schaffen. Das ist das erste Mal, dass ein solches Produkt am Markt zur Verfügung steht. Instant Payment ist entwickelt worden, um künftige Herausforderungen im Zahlungsverkehr zu unterstützen. Nicht nur für normale Zahlungen, wie wir sie heute kennen, sondern um alle Zahlungsanforderungen zwischen zwei privaten Personen abzudecken. Dabei soll es keine Rolle spielen, ob sie mit Mobiltelefonen interagieren, am POS zahlen wollen, online oder Situationen auftreten, von denen wir heute noch keine Ahnung haben. Fest steht, ohne diese Instant Basis ist keine weitere Entwicklung möglich.
- Request to Pay (R2P): Es ist das fehlende Puzzlestück zum Instant Payment. R2P ermöglicht den Übertrag von Zahlungsdaten in einem einem Kaufprozess. Dies erfolgt entweder online oder physisch im Shop. Der Auftraggeber kann sofort einen Instant Payment Vorgang initiieren, ohne Eingabe von Zahlungsdaten, nur durch eine dem Gesetz entsprechende sichere Autorisierung.
- Mobile Payments at POI (Point of Interaction): Mit Instant Payments und Request to Pay können Smartphones mit einem POS so kommunizieren, sodass ein Instant Payment sofort initiiert werden kann. Das ist eine ähnliche Infrastruktur wie Konsumenten es mit Karten gewöhnt sind, nur auf Instant Payment Basis, die mehr als Karten bietet.
- Alias / Proxy: Bei online Überweisungen ist die IBAN oft nicht griffbereit oder muss mühsam getippt werden. Mit einem Alias oder Proxy kann man an eine beliebige Telefonnummer, beispielsweise aus der eigenen Kontaktliste, oder an jeden anderen Proxy wie Versicherungsnummern, etc. bezahlen. Die Telefonnummer wird dann mithilfe eines Proxy-Lookup Service durch den entsprechenden IBAN ersetzt und die Zahlung durchgeführt.
Business Circle: Welche Erwartungen haben Konsumenten an den Zahlungsverkehr?
Jean-Yves Jacquelin: Der Zahlungsverkehr muss einfach, sicher, immer verfügbar, in Echtzeit und von allen Geräten in allen Lebenslagen funktionieren. Er ist kurz und einfach definiert. Sicherheit und Einfachheit des Zahlungsverkehrs wurde mittlerweile gut umgesetzt und hat oberste Priorität während Real Time Payment noch zwei bis drei Jahre braucht bis es sich breitflächig durchgesetzt hat. Die Frage ist, ob es dann nicht bereits zu spät für die europäischen Banken sein wird.
Business Circle: Welche Auswirkungen hat Cyber Security auf Future Payments?
Jean-Yves Jacquelin: Cyber Security ist Fluch und Segen zugleich. Fluch, weil es die Entwicklungen und den ganzen Umfang einer Zahlungsverkehr-Dienstleistung bremst. Zusätzlich vervielfacht es die Kosten. Segen, weil es Vertrauen zwischen Benutzer und Anbieter ermöglicht. Ohne dieses Vertrauen gibt es keine Nutzung.
Business Circle: Alipay, WeChat & Co – welchen Vorsprung haben die globalen Tech-Giganten und wie kann und muss Europa darauf reagieren?
Jean-Yves Jacquelin: Alipay, WeChat & Co bieten schon jetzt das, was Konsumenten erwarten: Einen einfachen, sicheren, immer verfügbaren und schnellen Zahlungsverkehr. Die Banken sind hier sehr spät dran und werden Instant Payment als Antwort auf diese Entwicklungen von nicht EU-Anbietern einsetzen. Der Vorteil von Instant Payment ist, dass es eine Transaktion von Konto zu Konto ist. Es funktioniert nicht wie bei anderen Anbietern über Kreditkarte oder eine elektronische Geldbörse um die Ecke, diese Systeme sind wesentlich langsamer. Allerdings fehlt den Banken in der EU noch eine entsprechende Infrastruktur. Mit den derzeitigen Entwicklungen kann jedoch eine komplett neue Payment Infrastruktur für Konsumenten, Merchant oder Webshops entwickelt werden.
Business Circle: Die Europäische Payment Initiative (EPI): Wie ist der Status – was ist zu erwarten?
Jean-Yves Jacquelin: Die 20 größten EU Banken analysieren derzeit, ob eine EU-weite Infrastruktur die auf Instant Payments basiert sinnvoll ist und welche Produkte angeboten werden können.
Aktuell werden Point of Sale, E-Commerce und Mobile-Commerce, Bargeld-Behebungen und Peer-2-Peer Payments analysiert. Diese neue Payment-Infrastruktur könnte dann von EU-Banken und EU Payments Anbietern implementiert und weiter betreut werden, im Gegensatz zu den derzeitigen Anbietern aus USA und China. Die detaillierte Machbarkeitsstudie soll Ende März fertig sein, anschließend wird dann eine „Go“ oder „No Go“ Entscheidung getroffen. Läuft alles nach Plan, liegt im Mai bereits eine Entscheidung vor. Über die Details kann dann beim Banking Summit Vienna berichtet werden.
Business Circle: Payment-as-a-Service, welche Rolle spielen künftig PaaS-Anbieter?
Jean-Yves Jacquelin: Im Moment sind Cloud Services im Zahlungsverkehr eher nicht verbreitet. Wenn, dann nur in Closed User Groups. Einen wesentlichen Grund dafür gibt es nicht, möglicherweise weil hier sensitive Daten ausgetauscht werden und dies Einfluss auf den Geldfluss haben könnte. Sicherheit ist immer noch eines der höchsten Gebote beim Zahlungsverkehr und Cloud Services werden noch nicht als ausreichend sicher gesehen.
Business Circle: Was sind die Highlights des diesjährigen Banking Summits?
Jean-Yves Jacquelin: Unabhängig davon, ob die EPI positiv entschieden wird oder nicht, die oben beschriebenen Bausteine werden zu 100% umgesetzt. Damit können sämtliche Banken, Payment-Drittanbieter (wie im ZaDiG2018 definiert) oder FinTech eine komplett neue Art von Payment-Möglichkeiten anbieten.
- Sollte die Europäische Payment Initiative positiv entschieden werden, dann erfahren Sie darüber exklusiv beim Banking Summit Vienna, direkt von jenen Experten, die die EPI entwickelt haben.
- Open Banking ist weit mehr als es im Gesetz beschrieben ist, noch dazu entwickelt es sich erst langsam. Interessant ist, wofür Open Banking eingesetzt werden kann und wie es zu einer Win/Win/Win Situation für Banken/Kunden und Drittanbieter kommt.
Veranstaltungstipp:
Banking Summit Vienna | 24. / 25. September 2020