Lars P. Feld ist Wirtschaftsweiser, also Mitglied des deutschen Sachverständigenrates für Wirtschaft, und Professor für Wirtschaftspolitik. Vor seiner Keynoten auf der Credit Risk 2018, haben wir mit ihm gesprochen.
Lars P. Feld
Welche Risiken sieht Lars Feld?
Die Wirtschaft entwickelt sich gut, dennoch befindet sich die Europäische Union im Umbruch. Der bevorstehende Brexit und die Flüchtlingskrise weisen in eine unsichere Zukunft. Auch die geschwächte Position Deutschlands nach der schwierigen Regierungsbildung ist Zeichen veränderter Machtverhältnisse. Wie wird sich die Wirtschaft in diesen Zeiten entwickeln?
Die Dinge fügen sich neu
Im institutionellen Gefüge hat die Harmonie von Deutschland und Frankreich großes Gewicht. Zahlreiche Projekte fußen auf dieser Zusammenarbeit: Zum Beispiel die Erweiterung der Union - etwa durch Serbien und Montenegro. Oder eine Neujustierung und Entschlackung der EU, die neue Schwerpunkte im Budget möglich machen.
Die lange Regierungsbildung in Deutschland vermindert den Einfluss der Bundeskanzlerin. Nach drei Amtszeiten Merkel scheint es, dass langsam an die Zeit danach zu denken ist. Und das bedeutet nicht zuletzt, dass Deutschland seinen Blick künftig stärker nach innen als nach außen richtet. Feld beteuert jedoch, dass dies Deutschland nicht davon abhalten wird, die Entwicklung der EU zu fördern. Gleichwohl wird das Land parallel seine innenpolitische Zukunft planen müssen.
Das Wachstum nach dem Brexit
Theresa May spricht sich gegen einen zweiten Volksentscheid über Großbritanniens EU-Mitgliedschaft aus. Der Brexit gilt daher als fix. Lars Feld schätzt die Wachstumseinbußen innerhalb der Union aber nicht als gravierend ein. Ein gewisser Dämpfer wird spürbar sein. Allerdings wird es für Großbritannien sehr viel schwieriger werden, das zeichnet sich schon jetzt ab.
Großbritannien wird Wachstumseinbußen haben, die erheblich sind.
Wie sich der europäische Finanzmarkt bis dahin entwickelt, hängt maßgeblich vom Leitzins ab. Die EZB rückt von ihrer Niedrigzinspolitik vorerst nicht ab. Feld ist aber überzeugt, dass spätestens im Herbst 2019 ein erster Zinsschritt erfolgen wird, wenn sich Europa wie vorgesehen entwickelt. Im besten Fall sei mit einer Erhöhung des Leitzinses noch innerhalb der Amtszeit von Mario Draghi zu rechnen – bis Ende Oktober 2019. Es sind optimistische Töne, die Feld hier anschlägt.
Italiens unwahrscheinliche Pleite
Zwar dürfen wir zuversichtlich in die Zukunft der EU blicken, es liegen allerdings einige Herausforderungen vor uns. Einzelne Krisenherde könnten fatale Wirkung auf Politik und Wirtschaft haben. In die oft zu hörenden Abgesänge Italiens will Feld aber nicht einstimmen. Zu den größten Problemherden der nächsten Jahre zählt für ihn eine mögliche Pleite Italiens nicht.
Wir müssen von einer Pleite Italiens nicht akut ausgehen.
In den letzten Jahren hat Italien damit begonnen, sein Bankensystem zu konsolidieren und faule Kredite abzuschreiben. Die Fortschritte Italiens sind merklich, wenn auch zögerlich. Das große Problem Italiens ist aber gravierender: Das schwache Produktivitätswachstum. Vor allem liegt dies am massiven Staatseinfluss – nicht zuletzt durch Regulierungen. Auch ein ineffizientes Justizsystem und mangelnde Bereitschaft zu Innovationen haben ihren Anteil daran.
Diese Mechanismen muss Italien gezielt ändern. Das wird nicht einfach sein, muss aber dringend geschehen, damit Italiens Wirtschaft wieder in Schwung kommt.
Lars Feld über die Hürden der Zukunft
Befragt nach den drei größten Herausforderungen für die EU hat Lars Feld schnell eine Antwort:
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Die EU muss sich in Hinblick auf ihre Aufgaben überprüfen
Zwar gibt es verschiedene Vorstöße was die Verabschiedung des EU-Haushalts betrifft – etwa die Sicherheitspolitik (grenzüberschreitenden Kriminalität und Schutz der Außengrenzen) und die Frage der Verteidigungsunion. Es ist dabei unvermeidlich, Kompetenzen auf europäische Ebene zu verschieben. Was genau passiert und wie sich die Finanzierung neuer Aufgaben gestaltet, ist aber in kontroversen Diskussionen zu klären. -
Die Flüchtlingsproblematik und ihre Auswirkungen
Die Frage nach einer gemeinsamen Asylpolitik ist schwierig zu beantworten. Zu unterschiedlich scheinen hier die Ansätze der Mitgliedstaaten zu sein. Gerade das Thema der Sicherung von Außengrenzen ist heikel. -
Komplettierung der Währungsunion
Viele Mitgliedsstaaten wünschen sich eine Finanzpolitik auf europäischer Ebene. Das schließt auch die Forderung nach einem europäischen Finanzminister mit ein. Hier zeigt sich Lars Feld skeptisch. Generell muss die Segmentierung des Kapitalmarkts in nationale Banken- und Finanzmärkte aber beseitigt und ein europäischer Banken-, Kapital- und Finanzmarkt erreicht werden.
Weitere Einblicke über die Entwicklung der Konjunktur sowie geopolitische und sozioökonomische Risiken gibt Lars P. Feld am 15./16. März im Rahmen der Credit Risk 2018.