Nachhaltigkeit gewinnt nicht nur in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend an Bedeutung – auch für Versicherungsunternehmen ist das Thema höchst relevant. Sie spielen in ihrer Position als Verwalter von Kund:innenvermögen und Anleger von Kapital weltweit eine Schlüsselrolle in der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft.
In einer von EY gemeinsam mit der V.E.R.S. Leipzig GmbH veröffentlichten Studie, an der 25 Erst- und Rückversicherungsunternehmen teilgenommen haben, besteht Einigkeit darüber, dass Nachhaltigkeit ein Thema sei, das die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen spiegele. Derzeit liegt der Schwerpunkt der meisten Unternehmen dabei auf Umweltfragestellungen.
Diese Schwerpunktsetzung ist im Einklang mit dem EU-Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzsystem, welches auf dem Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2030 der EU-Kommission basiert. Der Aktionsplan verfolgt neben der Umlenkung der Kapitalflüsse auf nachhaltige Investitionen auch die Integration von Nachhaltigkeit in das Risikomanagement von Finanzunternehmen und die grundlegende Förderung der Transparenz nachhaltiger Finanzprodukte. Seit 2022 wird zudem eine regelmäßige Berichterstattung verlangt, die die Erreichung ökologischer und sozialer Merkmale bzw. etwaiger Nachhaltigkeitsziele der Finanzprodukte ausweist.
CSRD: Mit verpflichtender Nachhaltigkeitsberichterstattung zu mehr Transparenz und Vergleichbarkeit
Mit der Einführung einer ganzheitlichen Nachhaltigkeitsberichterstattung, wie sie die EU-Kommission ab 2023 mithilfe der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) vorsieht und damit die bisherige Berichterstattung gemäß der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) ablöst, sollen vollständige, vergleichbare und verlässliche Nachhaltigkeitsinformationen für Marktteilnehmer:innen und weitere Stakeholder bereitgestellt werden. Die EU-Kommission hat sich zum Ziel gesetzt, dass Unternehmen auf Basis einheitlicher, verpflichtend anzuwendender Standards Berichte im digitalen Format einreichen sollen, damit die Informationen allgemein und transparent zugänglich sind.
Die zunehmende Verschärfung der Anforderungen an die Unternehmen hat dabei mehrere Dimensionen:
- Ausweitung des betroffenen Kreises der Unternehmen durch Absenken der Größenkriterien
- Entwicklung eines verpflichtenden EU-Berichtsprototyps
- Integration in den Lagebericht und Digitalisierung des Berichtsformats
Von der Strategie zum digitalen Bericht: Die Zeit drängt
Der Zeitabschnitt zwischen der verbindlichen Festlegung von Berichtsanforderungen durch die CSRD und weitere konkretisierende Standards sowie der Klassifizierung von Geschäftstätigkeiten als nachhaltig (Taxonomie) ist kurz, auch wenn eine Verschiebung der Erstanwendung um ein Jahr diskutiert wird. Denn der Aufwand für den Aufbau eines geeigneten Berichtswesens einschließlich prüfungsfähiger Berichtsprozesse ist nicht zu unterschätzen.
Für eine zielgerichtete Nachhaltigkeitsberichterstattung sind zunächst einige strategische Fragen zu betrachten. Grundlegend ist die Festlegung der Ebene der Berichterstattung (Konzernmutter, Teilkonzern, Einzelunternehmen). Ein wesentliches Augenmerk gilt den Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft sowie der gesellschaftlichen und Umweltveränderungen auf das Unternehmen (doppelte Wesentlichkeit). Unternehmen sollten mithilfe einer Wesentlichkeitsanalyse die für sie wesentlichen Themenfelder und damit einhergehend die wesentlichen Berichtsinhalte bestimmen. Eine Herausforderung stellt dabei die Berücksichtigung eines kurz-, mittel- und langfristigen Zeithorizonts dar.
Gute Planung ist Basis für die Umsetzung
Die Festlegung des Berichtsrahmens kann am effizientesten auf Basis eines regulatorischen Pflichtenhefts erfolgen, welches im Rahmen einer Gap Analyse erstellt werden sollte, meint Armin Henatsch, EY Experte für Nachhaltigkeit im Versicherungsbereich. Noch sind nicht alle Anforderungen bekannt, da die CSRD sowie die bislang veröffentlichten Berichtsstandards noch nicht final sind und weitere noch erwartet werden. Heiner Klein, EY Director im Bereich Financial Services, sieht die Notwendigkeit, regulatorische Neuerungen idealerweise laufend einzusteuern, damit das „moving target“ ständig im Fokus der Arbeiten steht. Sofern Unternehmen bereits eine Nichtfinanzielle Erklärung veröffentlichen, sollte diese in die Gap Analyse einbezogen werden.
Die EU-Berichtsstandards sowie die EU-Taxonomie liefern die wesentlichen Grundlagen für die Bestimmung der unternehmensbezogenen Performance Indikatoren (KPIs). Ergänzende qualitative Berichtspflichten zu identifizieren und hinsichtlich Relevanz und Wesentlichkeit zu bewerten, runden die Analysetätigkeiten ab.
Berichtswesen zur Nachhaltigkeit reicht nicht aus – Kund:innen müssen mitziehen
Für Versicherer als weltweite Kapitalanleger und Vermögensverwalter ist Nachhaltigkeit ein stark zukunftsorientiertes Thema. Die CSRD soll die Nachhaltigkeitsberichterstattung für Unternehmen standardisieren und so die Transformation der Wirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit transparent, verlässlich und zugänglich für Marktteilnehmer:innen und Stakeholder gestalten.
Inwieweit die Nachhaltigkeitsberichterstattung gemäß CSRD einen Mehrwert schafft und die Transparenz und Vergleichbarkeit für Kund:innen und Investoren:innen erhöht, bleibt abzuwarten. Die ersten Erfahrungen mit den seit 2022 anzuwendenden Vorschriften der EU-Taxonomie zeigen in jedem Fall, dass die Anforderungen sehr komplex und auch für Unternehmen häufig nur schwer verständlich sind, berichtet Armin Henatsch.
Eine nachhaltige Transformation der Wirtschaft kann jedoch schlussendlich nur gelingen, wenn die Kund:innen entsprechend mitziehen, weiß Ali Aram, Head of Insurance Österreich. Die befragten Versicherer gehen jedenfalls mehrheitlich von einer steigenden Nachfrage der Kund:innen nach nachhaltigen Versicherungsprodukten aus.
Über die Autoren:
Dipl.-Kfm. Heiner Klein, CPA ist als Geschäftsführer bei EY Österreich im Bereich Financial Services Advisory tätig. Zuvor war er in leitender Funktion im Konzernrechnungswesen einer österreichischen Großbank bzw. als Spezialist für Finanzinstrumente in der österreichischen Finanzmarktaufsicht tätig.
Armin Henatsch ist Director EY Germany.
Veranstaltungstipp:
IFA - Insurance Forum Austria | 23. / 24. Juni 2022