Digitalisierung ist mehr als effiziente Automatisierung
Um den Gründen dafür auf die Spur zu kommen, hilft eine Bestandsaufnahme der IT-Landschaft bei den etablierten Versicherern. Es zeigt sich, dass zahlreiche Anwendungen und Datenbanken aus verschiedenen Generationen und mit unterschiedlichen technologischen Ansätzen im Einsatz sind. Diese ergeben in Summe eine kaum zu beherrschende Komplexität. Neuentwicklungen ersetzen meist nur einen oder wenige Bausteine der aufwendigen Gesamtarchitektur und müssen daher mit hohen Kosten in die bestehende Infrastruktur eingebettet werden.
Das Ergebnis dieses Vorgehens ist, dass sich die grundlegenden Prozesse nicht verändern. Und genau hier liegt häufig ein Problem beim Verständnis von Digitalisierung vor, denn es geht nicht nur um die bloße Modernisierung bestehender Technologie. Die Erwartungshaltung der Kunden hat sich durch die rasante Entwicklung in versicherungsfremden Branchen grundlegend verändert. Neue Geschäftsmodelle der Versicherer müssen sich deshalb nicht mehr nur um Produkte und Verträge drehen, sondern sich am Kunden und seinen Bedürfnissen orientieren.
Neue Geschäftsmodelle müssen sich am Kunden orientieren
Für diese bedingungslose Nutzerzentrierung gibt es überzeugende Gründe. Zunächst einmal erwarten die Kunden heutzutage von Versicherungen einen ebenso barrierefreien Zugang wie zu allen anderen Produkten und Dienstleistungen. Dies gilt beim Kauf ebenso wie im Service- oder Schadenfall. Idealerweise kann der Kunde die komplette Versicherungsfabrik von Antrag bis Schaden über ein mobiles Interface bedienen. Wer diese Kundenerwartung als Versicherer umsetzt, ist im Wettbewerb zunächst einmal richtig aufgestellt. Um sich am Markt zu differenzieren und spezielle Angebote unterbreiten zu können, kann ein derart digitaler Versicherer auch weiterhin zulassen, dass bestimmte Informationen und Prozesse nur Sachbearbeitern oder Vermittlern zur Verfügung stehen.
Für den Versicherer ergibt sich aus der Nutzerzentrierung aber noch ein weiterer Vorteil. Für das virtuelle Produkt „Versicherung“ wird eine komplett automatisierte Abwicklung möglich. Dadurch erst entstehen ein sprunghaftes Produktivitätswachstum und Spielraum im Wettbewerb. Natürlich ist Automatisierung z.B. in der privaten Hausratversicherung leichter umzusetzen als in anderen Sparten. Doch bereits heute bieten Data Analytics, Machine Learning und künstliche Intelligenz sowohl im Underwriting als auch in der Schadenregulierung auch für komplexe Sparten große Potenziale.
Kultureller Wandel als Herausforderung
Die meisten Versicherer stehen also vor der Herausforderung, einen Radikalumbau durchzuführen. Und eigentlich stellt sich nicht nur die Frage nach der richtigen technologischen Ausrichtung. Es ist ein Kulturwandel erforderlich, der aus einem „Versicherer mit EDV“ ein ernstzunehmendes Technologieunternehmen macht.
Veranstaltungstipp!
Hören Sie den Autor Mathias Harrassowitz, Sapiens DACH, auf der IFA - Insurance Forum Austria bei seinem Round Table: Zukunft der Versicherung - Wo liegen die Herausforderungen der Digitalisierung?